Dienstag und Mittwoch vergingen wie im Flug. Ben und ich trafen uns jeden Tag und probten unaufhörlich, aber leider ergab sich keine Möglichkeit für einen Kuss mehr.
Anfangs hatte ich immer noch Angst, vor ihm zu singen. Ich wollte auch fast noch einmal abhauen, aber: Weglaufen ist keine Lösung. Wir haben es gemacht, wie ich mit Herr Visnes (aber ohne, dass ich Ben davon erzählt habe, natürlich!). Erst wir beide zusammen und langsam habe ich es alleine probiert. Zum Schluss zitterte meine Beine immer wie wahnsinnig und ich konnte kaum stehen, aber ich sang alleine. Vor jemand anderem.
Nach jeder Probe umarmten wir uns zum Abschied und ich schwebte nach Hause. Das Fahrrad hätte ich gar nicht gebraucht.
Als ich Donnerstag Morgen in die Schule kam, konnte ich es kaum erwarten, wieder nach Hause zu gehen. Noch weniger als sonst. Erst zu mir nach Hause und dann gleich zu Ben. Wir würden uns noch einmal für eine letzte Probe vor dem Casting treffen.
Bei ihm saß sowieso jeder Ton und jedes Wort perfekt, er hätte gar keine Probe mehr nötig und ich fühlte mich mittlerweile auch relativ sicher, aber ich freute mich natürlich, dass wir uns noch einmal trafen.
Ich fühlte mich so wohl bei ihm, ich hatte das Gefühl, ich konnte wirklich ich selbst sein und mit ihm über alles reden und er würde mich nicht auslachen.
Leider hatten wir jetzt erst einmal Bio. Selbstverständlich hatte nicht nicht gelernt, schließlich hatte ich die letzte Woche jede freie Minute für das Vorsprechen geübt, aber ich wusste, ich konnte auf meinen Lieblingslehrer in meinem Lieblingsfach zählen.
Ausgerechnet heute hatte er sich nämlich mich für die Ausfrage ausgesucht. Klar, wen denn auch sonst. Den erleichterten Gesichtern um mich herum nach zu urteilen, waren aber alle froh, dass es nicht sie getroffen hatte. Ich war sicher nicht die einzige, die die letzten Tage mit dem Musical beschäftigt gewesen war, schließlich bewarb sich ungefähr die halbe Oberstufe auf irgendwelche Rollen, am beliebtesten war ohne Frage Cinderella selbst.
Als wäre ich nicht sowieso zu einhundert Prozent sicher, dass ich absolut nichts wusste, stand ich auf und spazierte nach vorne. Wenigstens konnte ich hier ein bisschen schauspielern üben. So zu tun, als würde man sich auskennen, obwohl man absolut wissensbefreit war, war ein äußerst schwieriges Unterfangen und meine Darbietung nicht wirklich oscarreif.
Nach diesem Dämpfer trottete ich zurück auf meinen Platz und blieb die restliche Doppelstunde dort liegen. Allzu regen Unterrichtsbeitrag war unser Lehrer sowieso nicht von mir gewöhnt. Aly legte kurz ihre Hand auf meiner Schulter ab und streichelte mir über den Rücken, gab es aber irgendwann auf, sie wusste, dass ich manchmal einfach schmollen musste.
In der Pause war ich schon wesentlich besser drauf, die Aussicht auf Englisch munterte mich auf. Das konnte ich wenigstens einigermaßen. „Emilia Ahrens bitte zum Anfang der dritten Stunde ins Sekretariat. Danke." Na toll. Die Durchsage war nicht gerade das, was ich hören wollte. Genervt rollte ich mit den Augen und Aly neben mir machte einen mitleidigen Gesichtsausdruck. Das half mir aber auch nicht weiter.
Als es klingelte trennten wir uns. Sie würde unserer Lehrerin Bescheid geben und ich machte mich auf den Weg ins Sekretariat. Dort angekommen wussten die Ladys aber leider nicht, was ich hier sollte. Scheinbar hatte ein Lehrer einen Zettel hinterlassen, sie wussten aber nicht, wer es gewesen war.
Und dann machten sie eine Durchsage? Da könnte jeder Idiot einfach einen Zettel hinlegen und sie würden die Person ins Sekretariat oder sonst wohin zitieren? Vielleicht keine wirklich gute Lösung.
War mir jetzt aber auch egal, denn diese ganze Zettelgeschichte hörte sich sehr nach einer ganz bestimmten Person an. Ich schluckte und meinte, ich würde draußen warten. Ich ließ mich auf einen der Stühle fallen und versuchte cool zu wirken, ganz im Gegensatz zu meinem Inneren, wo gerade eine Modelleisenbahn mit Schallgeschwindigkeit über die schon glühenden Gleise fegte. Wahrscheinlich war es keine Modelleisenbahn, sondern eher ein Zug. Ein ICE oder so. Oder ein noch größerer. Ich kannte mich da nicht so aus.
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all eyes on me
ChickLitEmilia hat tierische Angst davor, vor anderen Leuten zu singen. Trotzdem spricht sie für ein Musical an ihrer Schule vor, schließlich möchte sie neben ihrem Schwarm Ben die Hauptrolle spielen. Ihr Kunstlehrer hilft ihr, ihre Angst zu überwinden, do...