Von Shopping-Dreamteams und vergessenen Handys

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Das erste Treffen der Schauspielgruppe war am nächsten Tag nach dem Unterricht, es war weniger eine echte Probe und mehr ein Kennenlernen der Geschichte und untereinander. Am Ende hatte unsere böse Schwiegermutter selbst, Frau Dr. Meier-Smitz einen Auftritt.

„Liebe Schüler,", begann sie, doch es hörte sich nicht so lieb an. Sie zelebrierte diese Ansprache richtig, als wäre sie der Superschurke und würde uns jetzt ihren superschurkigen Plan verkünden, mit dem sie die Welt zerstören will. Es ging aber nur um den Ablauf der kommenden Wochen. „Ab heute werdet ihr an nichts anderes mehr denken als an dieses Stück. Ihr werdet nicht mehr feiern, ihr werdet nicht mehr schlafen, ihr werdet nur noch singen und tanzen." Sie liebte einen dramatischen Auftritt.

„Und was ist mit lernen?", rief jemand ihr zu. Gelächter. Auch Ben und ich grinsten uns an. Da hatte unsere liebe Frau Direktorin doch glatt vergessen, dass das hier doch immer noch eine Schule war und kein Schauspielhaus.

Sie winkte übertrieben ab. „Jaja, lernen sollt ihr natürlich auch noch. Vor allem euren Text!", rief sie mit erhobenem Zeigefinger und fletschte ihre Zähne bei einem diabolischen Lachen. Ihr fehlten nur noch die bodenlangen Umhänge und ein bisschen Rauch, dann könnte sie genauso gut einem Disney-Film entsprungen sein. Oh, und eine weiße Katze. Aber das ließ sich richten.

„Ihr werdet jede Woche eine Gesangs-, eine Sing- und eine Spielprobe haben und je näher wir der Premiere kommen, desto mehr wird sich das alles vermischen. Irgendwann werden wir nur noch hier in der Aula auf der Bühne proben, aber da ist noch etwas Zeit hin. Das Kostüm- und Bühnenbildteam kann jede Hilfe gebrauchen, es haben sich leider nicht wirklich viele dafür angemeldet, was ich nicht nachvollziehen kann. Es ist doch auch Teil dieses Gesamtkunstwerks." An dieser Stelle machte sie eine dramatische Pause und malte mit ausgestrecktem Arm einen Halbkreis um sich herum, als würde sie uns etwas prächtiges zeigen wollen, um dann ihren Satz zu beenden mit: „Theater!"

Sie strahlte triumphierend in die Runde, aber diese Miene wurde nur vereinzelt erwidert. „Wer also zusätzlich zu den Proben und den Fittings und Treffen für die Kostüme noch dem Backstageteam hilft, ist sehr gerne gesehen! Und wem das alles zu aufwändig ist, der kann auch einfach gehen.", verkündete sie und schaute in die Runde.

Größtenteils verängstigte oder genervte Gesichter. Viele hatten sich wohl weniger Aufwand darunter vorgestellt. Dann schien unserer Direktorin etwas einzufallen und sie nahm sich zurück.

„Es ist aber natürlich jeder willkommen und jeder darf mitmachen.", fügte sie ihrer gruseligen Ansprache hinzu und schenkte uns ein falsches Lächeln. Sie durfte schließlich nicht einfach irgendwelche Schüler von so einer Veranstaltung ausschließen. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, ich fand diese ganze Person einfach ulkig. Um diesen Eindruck noch zu untermalen, stolzierte sie aus der Aula, die Absätze ihrer Hexenschuhe klackerten auf dem Boden.

Ich lehnte mich zu Ben und stupste ihn an. „DAS ist für mich ein komischer Kauz.", erklärte ich flüsternd und er lachte mich an. Es war schön, wenn er über meine Witze lachte. Dann hielten Herr Wildenberg und die süße Sportlehrerin, deren Namen ich immer noch nicht kannte, aber die scheinbar für den Tanzteil zuständig war, noch ihre Ansprachen und dann entließen sie uns auch endlich.

Draußen begegneten Ben und ich Aly, deren Treffen mit dem Kostümteam scheinbar gerade ebenfalls zu Ende war. Ben musste los zum Training und verabschiedete sich mit einer Umarmung bei Aly und einem Kuss auf die Wange von mir.

Ich sah ihm verträumt hinterher und konnte es immer noch kaum glauben, dass er sowas wie mein Fast-Freund war. Also wir dateten. Oder so, wie auch immer man das nennen mochte. Jede wollte etwas von ihm, jede. Und ich war wohl die Auserwählte. Wie das sein konnte, ging mir immer noch nicht so wirklich in meinen Kopf.

„Lia, du kannst jetzt noch länger hier stehen bleiben und ihm hinterher starren oder du denkst während wir gehen an ihn, aber ich hab' es eilig, meine Mutter hat gemeint sie nimmt mich mit zum Shoppen, wenn ich rechtzeitig da bin und das kann ich mir nicht entgehen lassen, also komm endlich!", drängte meine beste Freundin und ich musste grinsen. Na, das war doch ein Grund mich zu beeilen!

Ich fasste an meine Hosentasche, um auf mein Handy zu schauen, doch es war nicht da. Mist.

„Geh schon mal vor, Aly, ich glaube, ich habe mein Handy drinnen liegen lassen. Warte nicht auf mich, ich will doch nicht schuld sein, wenn du heute keine neuen Klamotten bekommst.", meinte ich mit einem Augenzwinkern. Auf Alys Gesicht schlich sich ein Grinsen und sie stimmte zu. „Okidoki, dann bis morgen meine Süße.", verabschiedete sie sich und hüpfe schon fast davon.

Ich konnte Aly das wirklich nicht versauen, Einkaufen mit ihrer Mutter machte sie noch wesentlich lieber als mit mir, die war nämlich genauso verrückt nach Klamotten wie ihre Tochter. Ein wahres Shopping-Dream-Team also.

Lächelnd schüttelte ich den Kopf und drehte mich um, um wieder in die Aula zu gehen. Mittlerweile war das Gebäude menschenleer, es war schließlich schon weit nach Unterrichtsschluss. Schon beim Betreten der Aula sah ich es, die Sonne reflektierte auf dem Display. Es lag unter dem Stuhl, auf dem ich gesessen war, es musste mir wohl einfach runter gefallen sein.

Ich bückte mich, hob es auf und wischte es ab. Als ich davon wieder aufschaute, stand er nur wenige Reihen von mir entfernt und schaute mich an. Er sagte nichts und es war irgendwie gruselig, aber ich konnte mich nur für einen Augenblick von seinen Augen losreißen, um mich verstohlen umzusehen. „Hallo Emilia.", sagte er leise, seine Stimme war kratzig. „Hallo", hauchte ich, meine Hände hingen schlaff an meiner Seite, beinahe wäre mir mein Handy wieder heruntergerutscht. Ich schluckte und hielt den Blickkontakt. Es tat mir schon fast körperlich weh. Jetzt hab dich nicht so, Lia, es ist nur ein Lehrer. Mach dich mal locker.

Ich schüttelte meine Hände aus und schaffte es so, auszubrechen. Ich räusperte mich und sagte dann viel zu laut: „Ach, Herr Visnes, gut dass ich Sie noch sehe, ich wollte sowieso noch mit ihnen reden!" Währenddessen kämpfte ich mich zwischen den Stühlen hervor auf den Mittelgang. Auch er schüttelte die Starre von sich ab und kam mir entgegen. Er fuhr sich durch die Haare und erwiderte dann: „Das trifft sich gut, ich auch mit dir, Emilia."

Jedes Mal wenn er meinen Namen sagte, stellten sich die Haare in meinem Nacken auf. Mich schüttelte es leicht und ich hoffte, dass er es nicht bemerkt hatte. Wir gingen aufeinander zu, standen voreinander, schauten uns kurz an, dann wieder weg, er machte seinen Mund auf und wieder zu, aber keiner von uns wusste, was er sagen sollte.

Ich kratzte mein ganzes verbliebenes Selbstbewusstsein, dass ich noch irgendwo aufbringen konnte, zusammen und fragte: „Wollen ... wollen Sie hier reden?"

Er lachte kurz, als hätte ich einen wirklich unlustigen Witz gemacht, fuhr sich durch die Haare und schlug dann vor: „Nein, gehen wir doch zu mir." Bevor er sich abwandte, sah ich für den Bruchteil einer Sekunde, wie er sein Gesicht verzog, als hätte er etwas Saures gegessen. Mit beiden Händen umklammerte ich die Gurte meines Rucksacks und folgte einen halben Schritt hinter ihm.

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