Heute wurde ein guter Tag. Das wusste ich, als ich die Schule betrat. Ich hatte meine Haare gewaschen (um zu vermeiden, dass wirklich jemand auf die Idee kam, seine Pommes auf meinem Kopf zu frittieren), sie geglättet und mich sogar geschminkt. Gut gelaunt stieß ich die Tür zur Aula auf. Wohl etwas zu schwungvoll, den derjenige, der dahinter stand, wurde weggestoßen und geriet ins Straucheln. Er konnte sich jedoch fangen und schlug nicht der Länge nach auf den Boden auf. Was stellt der sich auch so saublöd da hin. Trotzdem war ich besorgt, dass etwas schlimmeres passiert sein könnte und eilte ihm zu Hilfe. Er hielt sich mit einer Hand seinen von den dunkelsten Haaren, die man sich vorstellen kann, bedeckten Kopf und mit der anderen seinen rechten Oberarm. Wieso sollte es auch jemand anders sein? Natürlich nietete ich ihn schon den zweiten Tag in Folge um. Wieso konnte ich nicht ein bisschen vorsichtiger sein? „Oh man, tut mir leid, hast du dich verletzt? Geht's dir gut?", redete ich auf ihn ein und streckte meine Hände nach ihm aus, um ihm irgendwie zu helfen, wusste dann aber nicht wie und hielt sie dann einfach so seltsam von mir gestreckt, was sicher ziemlich komisch aussehen musste. „Äh nein, nein, alles gut. Nichts passiert.", murmelte Ben, während er auf den Boden schaute. Als er mich erblickte und ich ihn schief angrinste, erkannte er mich aber scheinbar wieder und lachte. Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, er könnte es durch den BH, mein Top, die zwei Pullis, den Cardigan und die dicke Winterjacke hindurch sehen. Schnell presste ich meinen Ordner an meinen Oberkörper, um das Klopfen wenigstens ein bisschen einzudämmen, aber das brachte nicht wirklich viel. „Du schon wieder! Na dann hoffen wir mal, dass das nicht noch häufiger passiert!", scherzte er und ich strahlte ihn an. „Hoffentlich schon!", sagte ich und bereute es sofort. Auch sein Lachen verstummte und ich befand mich in der unangenehmsten Situation meines Lebens. Wieso hatte ich das gesagt? Ich wollte doch cool wirken und nicht absolut gestört und vernarrt. Mein Herz schlug noch schneller, aber jetzt vor allem, weil es damit beschäftigt war, sämtliches in meinem Körper verfügbares Blut in meinen Kopf zu pumpen. Keiner sagte etwas und ich war bereit, dass sich der Boden auftat, ich in den Keller unserer Schule hinabgesogen wurde und dort für den Rest meines Lebens ein klägliches Dasein als einsame, noch nicht wirklich alte Greisin fristete, deren Lebenszeichen als „Schulgeist" abgetan wurden. Ich drückte kurz meine Augenlider aufeinander, presste ein „Sorry nochmal.", hervor und machte mich dann schnellstmöglich aus dem Staub. Jetzt hatte er mich nicht nur als die in Erinnerung, die ihn zweimal angerempelt hatte, sondern auch die, die höchstwahrscheinlich total in ihn verknallt war und deshalb unter allen Umständen gemieden werden sollte. Herzlichen Glückwunsch, Lia, das hast du wirklich ganz toll gemacht. Mit hängenden Schultern trottete ich zu Alyssa, die schon freudestrahlend auf mich wartete. Sie war ganz aufgeregt und kam mir ein paar Schritte entgegen, ich ließ jedoch nur meinen Kopf gegen ihre Schulter sinken und ein „Ich bin so dumm." vernehmen. „Hey, du vermiest mir jetzt aber nicht meine gute Laune!", protestierte sie. „Erst erzählst du und dann erzähle ich, denn meine Neuigkeiten kannst du nicht toppen und das beste kommt bekanntlich zum Schluss.", meine sie. Nachdem ich ihr das soeben Geschehene in allen Einzelheiten erläutert hatte, musste Alyssa allerdings zugeben, dass das schon ziemlich krass war, aber eigentlich auch ziemlich lustig, wenn man so darüber nachdachte. So etwas passiert normalerweise nur irgendwelchen dummen Weibern in amerikanischen High School Filmen, aber scheinbar war ich nicht wirklich viel schlauer. Gleich darauf war Alyssa wieder ähnlich euphorisch wie zuvor und zappelte herum, bis sie endlich los wurde, was sie mir schon die ganze Zeit verkünden wollte: „Die Zeiteinteilung und Vorgaben für das Casting hängen aus!"
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und rannte sofort Richtung Musikerbrett. Man würde denken, jeder schaut seine Zeit nach und verschwindet dann wieder, aber nicht so die Schüler an unserer Schule. Vor der Pinnwand drängte sich eine Menschenmasse, als würde es gratis Leberkassemmeln geben und niemand machte den Eindruck, als würde er jemals wieder von diesen Listen ablassen. Als würde man die Rolle eher bekommen, wenn man hier möglichst viel Zeit verbringt. Wenn das die Bedingung wäre, würde ich hier wahrscheinlich schon seit Wochen campen und abends dann Lagerfeuer machen und Marshmallows grillen. So war es aber leider nicht und ich musste mich bis nach vorne durchkämpfen und nebenbei irgendwie versuchen möglichst nicht zu sterben. Als ich dann endlich nah genug dran war, um die Liste lesen zu können, wurde alles um mich herum plötzlich ganz still und ich nahm das Gedränge gar nicht mehr richtig wahr. Mein Herz schlug mindestens so stark wie vorhin. Ich suchte in aller Ruhe die Liste ab, konnte mich aber nicht auf Anhieb finden. Ich wurde panisch. Mit fahrigen Bewegungen lief mein Finger wieder und wieder an sämtlichen Namen vorbei. An allen, außer an meinem. Die Tränen standen schon wieder in meinen Augen und ich wurde nach hinten gedrängt. Alyssa wartete mit einem breiten Lächeln auf mich, das aber sofort verschwand, als sie mich sah. Sie zog mich in eine Umarmung und drückte mich ganz fest. „Ich ... ich steh' nicht drauf!", schluchzte ich. „Was?!", rief Alyssa empört und hielt mich auf eine Armlänge Abstand, „Da muss man doch was tun können! Das lässt du dir nicht bieten!" Ich schniefte und wischte über meine Augen. Als ich sie öffnete und meine braun-glitzernde Hand ansah, fiel mir siedend heiß mein Make Up ein. Das konnte ich jetzt auch vergessen. Wie konnte dieser Tag nur so schnell so scheiße werden? Meine beste Freundin verfrachtete mich erst einmal auf das Klo und versuchte mich zu beruhigen. Als ich irgendwann nur noch apathisch auf das Waschbecken starrte, begann sie, mit ihren Abschminktüchern mein Gesicht zu säubern und mich danach wieder soweit in Schuss zu bringen, dass ich gesellschaftsfähig aussah. „Danke.", flüsterte ich, als sie fertig war. Sie lächelte mich aufmunternd an. „Okay, was schlägst du vor?", fragte ich leise und schaute zu, wie meine Finger das Taschentuch kneteten. „Für dieses ganze Ding ist doch sicher irgendein Lehrer der Verantwortliche, oder nicht? Den finden wir raus und stellen ihn zur Rede. Und wenn wir ganz nett fragen, muss er oder sie dich doch einfach wieder eintragen! Das kann doch nicht zu viel verlangt sein. Also komm.", forderte Alyssa mich auf und zog mich an meinem Arm hoch. Ich war ihr so dankbar.
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all eyes on me
ChickLitEmilia hat tierische Angst davor, vor anderen Leuten zu singen. Trotzdem spricht sie für ein Musical an ihrer Schule vor, schließlich möchte sie neben ihrem Schwarm Ben die Hauptrolle spielen. Ihr Kunstlehrer hilft ihr, ihre Angst zu überwinden, do...