Um das Ganze zu beschleunigen wurde die Jury in kleinere Gruppen aufgeteilt, um mehr Schüler gleichzeitig vorsprechen zu lassen. Ich sah, dass ich relativ in der Mitte dran war bei der süßen Sportlehrerin und zwei anderen Lehrern, die ich nicht näher kannte.
Während ich wartete versuchte ich meine Hausaufgaben zu machen, aber mit jeder Minute stieg meine Nervosität.
Immer mehr aufgeregte Möchtegerncinderellas verließen die Aula oder kamen mit sehr unterschiedlichen Gesichtsausdrücken wieder zurück. Erleichtert, weil es vorbei war, traurig, weil sie das Gefühl hatten, es wäre nicht gut genug gewesen, fröhlich, weil es gut war, laut oder leise.
Mit jedem Mädchen, das zurück kam, zitterte ich stärker. Dann kam Diana zurück, mit einem zufriedenen Lächeln. Wie konnte sie immer so selbstbewusst sein? Als würde sie nie etwas falsch machen.
Ich führte meine Nägel zu meinem Mund im Begriff darauf herumzukauen, aber Aly schlug meine Hand weg. „Hör auf damit und jetzt geh!", befahl sie. Scheinbar war ich gerade aufgerufen worden und hatte es vor lauter Aufregung gar nicht mitbekommen.
Meine Knie knickten vermutlich schon wieder ganz komisch ab, auf jeden Fall waren sie so wackelig, dass ich bei jedem Schritt fast umknickte. Ich wusste nicht, ob mich irgendwer anschaute, ich fühlte mich wie in Trance. Alles war verschwommen, nur ein kleiner Punkt direkt vor mit war scharf, den Rest konnte ich einfach nicht fokussieren, egal wie sehr ich es versuchte.
Ich hatte noch nie wirklich viel Alkohol getrunken, aber so musste sich wohl ein Rausch anfühlen. Ich hatte kaum mehr Kontrolle über meinen Körper und wankte nur so herum. Hoffentlich sah das niemand.
Irgendwie schaffte ich es bis zur Tür. Schwach klopfte ich an und wartete auf ein „Herein!". Als ich es hörte, atmete ich noch einmal tief durch und rief mir den Moment vor einem Ballettauftritt ins Gedächtnis. Einfach nicht zu darüber nachdenken, einfach machen, dann würde das schon werden. Und selbst wenn nicht, was würde schon passieren? Ich würde die Rolle nicht bekommen. Na und? Naja, eigentlich wollte ich sie schon sehr gerne haben. Eigentlich fast mehr als alles andere.
Der Ehrgeiz packte mich, ich drückte die Klinke nach unten und öffnete die Tür. In diesem Moment vergaß ich jeglichen Text, den mein Gehirn jemals für dieses Vorsprechen gelernt hatte.
Mist.
Schlechter könnte es gar nicht laufen.
Mein Ballettlächeln zierte mein Gesicht. Jeder Schritt kostete mich unglaublich viel Energie, aber ich tat, was ich gelernt hatte - es mühelos aussehen lassen.
Ich schritt bedächtig in die Mitte des Raumes, zelebrierte diesen Auftritt, als hätte ich die Rolle schon. Einfach so tun, als wäre ich selbstbewusst, das funktionierte meistens.
Die „Jury" bedachte mich mit Blicken von oben bis unten, sie sahen sich gegenseitig an und brachen dann endlich das Schweigen. „Du bist Cinderella, oder?", scherzte einer der Lehrer und die anderen beiden lachten. „Ja!", antwortete ich mit meiner bezauberndsten Stimme.
Jetzt war ich in meiner Rolle.
„Du bist uns vorhin beim Tanzen schon aufgefallen.", meinte die hübsche Sportlehrerin. „Du hast definitiv nicht zum ersten Mal getanzt heute, hab ich Recht?", wollte sie wissen. „Nein, ich tanze seit ich klein bin Ballett.", antwortete ich. Sie nickte und notierte sich etwas. „Na gut,", setzte der andere Lehrer ein und schaute auf den Zettel vor sich, „Emilia, dann zeig uns mal, was du drauf hast."
Ich nickte, machte einen kleinen Schritt nach hinten und schloss kurz meine Augen, um etwas Zeit zu schinden. Ich überlegte fieberhaft, aber der Text wollte mir einfach nicht mehr einfallen. Die Panik packte mich, aber ich durfte mir auf keinen Fall anmerken lassen, dass ich überhaupt keinen Schimmer davon hatte, was ich hier gerade tat.
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all eyes on me
ChickLitEmilia hat tierische Angst davor, vor anderen Leuten zu singen. Trotzdem spricht sie für ein Musical an ihrer Schule vor, schließlich möchte sie neben ihrem Schwarm Ben die Hauptrolle spielen. Ihr Kunstlehrer hilft ihr, ihre Angst zu überwinden, do...