Am Waschbecken angekommen schaute ich in den Spiegel und wurde fast vom Schlag getroffen, als ich mich sah. Meine Haare waren ja noch irgendwo in Ordnung, aber mein Makeup war verschmiert, die Wimperntusche und der Eyeliner über meine Wangen verteilt und meine Lippen rot von Blut. Es sah aus, als hätte ich mich ganz böse mit einer Katze mit Aggressionsproblem gestritten. Schnell wusch ich meine Hände und mein Gesicht und rettete alles, was noch zu retten war.
Im Spiegel sah ich, wie er hinter mir stand und mich beobachtete.
„Danke, dass Sie mich nicht ausgelacht haben, so wie ich aussehe!", sagte ich an ihn gerichtet, um das Schweigen zu brechen und er konnte sein Schmunzeln nicht verbergen. „Was meinst du denn, wie ich aussehe, nachdem ich geweint habe!", scherzte er und zog eine Grimasse. Ich lachte. Er war witzig. Und irgendwie schaffte er es gerade, mich zu beruhigen und zu pushen gleichzeitig.
„Deine Lippe sieht aber trotzdem nicht gut aus, brauchst du einen Kühlbeutel oder sowas?", fragte er ehrlich besorgt. Nein, alles was meine Lippen brauchen sind Küsse. Nein, nein, nein. Woher nahm ich diese Gedanken? Jetzt war doch alles so schön und locker gewesen und ich muss wieder an sowas denken.
Er fuhr sich mal wieder durch die Haare. Ich frage mich, ob er wusste, wie attraktiv das war. Ich schüttelte schnell meinen Kopf. „Nein, passt schon, danke, das geht schon.", lehnte ich verkrampft ab und schaute schnell nach unten Richtung Waschbecken. Ich musste mich anstrengen, nicht die ganze Zeit auf seine Lippen zu sehen. Meine Lippe pochte, ähnlich wie meine Hand. Ich spürte, wie ein weiterer Blutstropfen austrat und langsam nach unten rann. Er stand immer noch hinter mir, ich spürte seinen Atem und sah ihm zu, wie er den Tropfen beobachtete. Er ging einen Schritt zur Seite, vor mich und ich drehte mich leicht zu ihm. Jetzt schaute ich ihm direkt in seine grauen Augen, vorbei an ein paar Strähnen, die ihm ins Gesicht hingen. Ich hätte sie ihm so gerne aus dem Gesicht gestrichen, aber ich musste mich zurückhalten, dass wollte er sicher nicht und er war immer noch mein Lehrer.
Meinen Blick konnte ich einfach nicht von ihm und seinen fesselnden Augen nehmen, aber er starrte wie gebannt auf meine Lippen. Gemächlich hob er seine Hand zu meinem Gesicht, legte seine Finger an mein Kinn, strich mit seinem Daumen ganz zart über meine Lippe und fing so den roten Tropfen auf. Die Berührung ließ mich erschaudern. Meine Knie waren wieder ganz wackelig und ich wünschte er würde mich auffangen und ganz fest halten, aber ich weiß, dass er das nie tun würde. Er hatte mich erstarren lassen, ich konnte nicht ausbrechen, ich musste so stehen bleiben.
Sein Blick verharrte noch kurz auf meinen Lippen und wanderte dann zu meinen Augen. Die Hand sank langsam wieder nach unten. Er schluckte und spannte seinen Kiefer an. Sein Blick sprang zwischen meinen Augen und meinem Mund hin und her, als könne er sich nicht entscheiden, was er sehen oder tun wollte. Immer, wenn sich unsere Blicke trafen, zog sich mein Herz zusammen, meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich musste die Luft anhalten, als hätte ich Sorge, dass ich sonst einfach zusammenklappen könnte.
Die Spannung zwischen uns war kaum auszuhalten, innerlich wand ich mich unaufhörlich, ich wollte sofort aufhören, aber gleichzeitig auch nie aufhören, ich wollte ... ich weiß gar nicht, was ich wollte. Ich fühlte mich nicht so stark und mächtig wie letztes Mal, aber auch nicht klein, ich fühlte mich nicht gut, aber auch nicht schlecht, es war, als würden wir irgendwo im Nichts umherschweben und uns nur ansehen.
Ich wollte ihn so dringend küssen, so sehr, aber ich traute mich nicht. Ich weiß nicht, ob er es auch wollte. Vielleicht traute er sich auch nicht. Vielleicht spielte er auch nur ein Spielchen mit mir. Er war intelligent, gutaussehend und jung, der hatte sicher eine Freundin. Und das hier war wahrscheinlich nur ein bisschen Spaß für ihn.
Bei diesem Gedanken presste ich meine Lippen aufeinander. Ja, so musste es sein.
Ich wich einen Schritt zurück und starrte auf seine Brust. Er schien ebenfalls aus einem Traum gerissen worden zu sein, ich hörte ihn das erste Mal wieder atmen, er räusperte sich und fuhr sich durch seine Haare. Ich atmete tief durch und fuhr mit der Zunge über meine Lippen. Blut. Und etwas anderes, vermutlich die Seife, mit der er gerade seine Hände gewaschen hatte. Ich sollte das wirklich lassen. Da war nichts und da würde auch nie etwas sein. Ich sollte mich auf Ben konzentrieren.
Schritte näherten sich und ich ging vorsichtshalber noch einen Schritt weg von ihm, wo nichts war musste sich jemand anderes auch nichts dazudenken.
„Oh man, hier bist du!", rief Aly erleichtert. „Ich such' dich schon überall. Komm jetzt, du bist gleich dran, die haben dich vorhin unten auf die Liste gesetzt. Wieso weiß keiner!" Ich ließ ihren Redeschwall über mich ergehen, sie packte mich am Arm und zog mich hinter sich her. Ich drehte mich noch einmal um, doch er war nicht mehr da. Sicher hatte er sich in einer der Kabinen versteckt. Ich seufzte und beschloss dann, diese ganze Heimlichtuerei hinter mir zu lassen. Ich würde Aly heute noch alles erzählen, vielleicht würde sie mir dann ihr Geheimnis auch anvertrauen. Das hätte ich schon längst tun sollen. Sie hatte es nicht verdient, dass ich sie anlog. Außerdem sollte ich mich auf Ben konzentrieren. Er hatte es genauso wenig verdient, dass ich etwas hinter seinem Rücken machte, er war immer so lieb und rücksichtsvoll. Abgesehen davon hatte ich jetzt ein Casting zu gewinnen.
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all eyes on me
ChickLitEmilia hat tierische Angst davor, vor anderen Leuten zu singen. Trotzdem spricht sie für ein Musical an ihrer Schule vor, schließlich möchte sie neben ihrem Schwarm Ben die Hauptrolle spielen. Ihr Kunstlehrer hilft ihr, ihre Angst zu überwinden, do...