Von wilden Bergen und Selbstmitleid

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Dieses Mal drängelte Alyssa sich durch die wilde Meute, die man auch als „Mitschüler" bezeichnen könnte. Scheinbar war Herr von Wildenberg, unser Chorleiter und Musiklehrer zuständig. Darauf hätten wir auch wirklich selbst kommen können. Dass ein Musiklehrer ein Musical auf die Beine stellt. Bahnbrechend. Leider nur war es ausgerechnet dieser Musiklehrer. Mir war Angst und Bange, als wir uns seinem Klassenzimmer näherten. Er war so furchtbar streng. So ein richtiger Oberlehrer. Mit zitternden Händen klopfte ich an und als sich ein kräftiges „Herein!" vernehmen ließ, wirkte sogar die sonst so taffe Alyssa etwas verunsichert. Wir versuchten ihm die Sachlage zu erklären, aber mir war auch klar, dass er gar nicht wirklich zuhörte. Er schaute einfach durch uns hindurch. Dieses blöde Gehabe ließ mich schon wieder daran zweifeln, dass ich das überhaupt durchziehen wollte, denn das würde bedeuten, dass ich noch mehr Zeit mit ihm verbringen müsste. Allerdings dachte ich mir, dass diese Rolle mein absoluter Traum war und ich diese Chance unbedingt ergreifen musste. Also versuchte ich weiterhin, Herr von Wildenberg zu überzeugen., dass er mich unbedingt vorsprechen lassen musste. Irgendwann seufzte er absolut übertrieben, schob seine winzige Brille auf seiner Nase ein wenig nach unten und fragte: „Wie heißt du denn überhaupt?" „Äh, Lia. Äh, ich meine natürlich Emilia Ahrens. Ja, genau.", stotterte ich vor mich hin, unsicher, ob ich denn auch wirklich so hieß. Herr von Wildenberg schaute mich prüfend an und machte dann eine unwirsche Handbewegung. „Ach, ihr geht mir so auf die Nerven. Wenn's sein muss, dann schaue ich eben schnell nach." Mit diesen Wort drehte er sich um und fing an, in den Schubladen seines Schreibtisches zu kramen. Alyssa und ich blickten uns hoffnungsvoll an. Zusammen gingen wir die Liste durch und tatsächlich - da war mein Name. Allerdings durchgestrichen! Wieso das denn? Entsetzt schaute ich erst Alyssa, dann Herr von Wildenberg an. „Das ist ein Irrtum, ich habe mich nicht selbst durchgestrichen! Das muss jemand anderes gewesen sei. Herr von Wildenberg, kann ich denn nicht bitte trotzdem zum Vorsprechen kommen? Das wäre mein absoluter Traum!", startete ich einen neuen Überzeugungsversuch. Alyssa pflichtete mir sofort bei, dass es sich hier doch um einen Irrtum handeln würde und dass es doch sicher kein Problem sei, mich noch irgendwo dazwischenzuschieben. Herr von Wildenberg jedoch blieb eisern: „Was bildet ihr euch ein! Ich kann doch nicht auf jedermanns Extrawünsche eingehen! Da säße ich ja nächste Woche noch hier. Und jetzt verlasst sofort mein Klassenzimmer!" „Aber Herr Wildenberg, -", setzte Alyssa nochmals an, wurde jedoch unwirsch unterbrochen. „Es heißt Herr VON Wildenberg! Und jetzt raus!", wetterte er und wies mit seinem Finger zur Tür. Mit hängenden Schultern trottete ich hinaus. Sobald Alyssa die Tür hinter uns geschlossen hatte, wollte sie mich umarmen, um mich zu trösten, aber ich stieß sie weg. Ich wollte mich jetzt einfach in meinem Selbstmitleid suhlen. 

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