𝐒𝐤𝐢𝐫𝐭𝐬 𝐚𝐧𝐝 𝐝𝐫𝐞𝐬𝐬𝐞𝐬 ✦ 𝖧𝖸𝖴𝖭𝖫𝖨𝖷

Chapter 06 🌈

Wie ich bereits erwartet hatte, kam Hyunjin tatsächlich in unsere Klasse. Heute wirkte er viel unsicherer als gestern bei dem Essen, blickte hin und wieder zu Boden und fühlte sich wohl etwas unwohl in einer neuen Klasse, mit so vielen Schülern, die ihn allesamt anstarrten. Nur deshalb hatte ich Jisung auch darum gebeten, dass wir ihm bei uns Platz machen sollten, auch wenn ich viel lieber mit meinem besten Freund alleine war. Unser Sitzplan war eher untypisch, wir hatten immer zwei Tische aneinandergeschoben, sodass gleich vier Schüler sich hinsetzen konnten. Zwar wollte niemand mit Jisung und mir sitzen, aber wir hatten die Plätze dann dazu ausgenutzt, unsere Rucksäcke dort zu platzieren. Andere Menschen brauchten wir hier nicht.

Aber als Hyunjin mich erblickte, sah er ziemlich erleichtert aus und kam direkt auf uns zu, hielt jedoch inne.

,,Ist... Ist es okay, wenn ich mich zu euch setze?", fragte er unsicher und lächelte dabei leicht, was ziemlich süß aussah. Irgendwie hatte ich erwartet, dass er viel selbstbewusster war und es ihn nicht interessierte, ob jemand seine Zustimmung gab oder nicht. Wieder einmal hatte ich mich verkalkuliert, aber das war nicht schlimm. Wir alle konnten dazu lernen und deshalb nickte ich leicht, blickte dennoch zu meinem besten Freund, damit dieser auch sein Einverständnis geben konnte. Und Jisung war nun einmal ein sehr offener und fröhlicher Mensch, der immerzu nett war, selbst wenn er die Person gar nicht kannte. Und Hyunjin hatte ihm ebenso nichts getan. Es gab also keinen Grund, ihm einen der Plätze zu verwehren. Hoffentlich würde es mich aber nicht vom Unterricht ablenken oder abhalten.

Jisung genügte da bereits.

,,Natürlich kannst du das", erwiderte schließlich der Ältere lächelnd und kickte meinen Rucksack vom Stuhl, was mich direkt leise jammern ließ. Eine Vorwarnung wäre schön gewesen. Seufzend zog ich meinen Rucksack über den Boden zu mir und stellte diesen dann unter den Tisch ab, bevor ich weiter den neuen Nachbarn beobachtete. Nun wirkte er deutlich ruhiger, lächelte etwas breiter und ließ sich anschließend auf dem Stuhl nieder, der gegenüber von mir stand. Zufrieden holte ich meine Sachen für den Unterricht nun heraus und ignorierte das Tuscheln der anderen Schüler hier. Ich wusste nicht einmal, was genau sie gegen Jisung und mich hatten. Vermutlich machte es ihnen einfach nur Spaß, alles und jeden fertigmachen zu können. Nur war das in meinen Augen unfassbar lächerlich und verdammt kindisch. In unserem Alter sollte man doch schlauer sein.

Aber das verstanden wohl nur die, die ihr Hirn auch wirklich benutzen konnten.

,,Er ist wirklich unfassbar hübsch", flüsterte mir Jisung irgendwann ins Ohr und hatte seinen Blick dabei auf Hyunjin gerichtet. Aber er hatte nun einmal nur recht – Hyunjin war ein sehr hübscher Junge, aber das machte noch lange nicht alles aus. Viel eher war sein Charakter mir wichtig und seine Ansichten, obwohl jeder seine eigene Meinung haben konnte, sofern sie nicht beleidigend war. Aber was brachte einem das gute Aussehen, wenn der Charakter innerlich verdorben war? ,,Vielleicht solltest du ihn von dir überzeugen", wisperte Jisung weiter und ich kicherte nun leise, schüttelte aber meinen Kopf. Nicht jeder war homo-, bi- oder sonst etwas-sexuell. Demnach glaubte ich auch nicht daran, dass ausgerechnet Hyunjin je Interesse an mir zeigen könnte. Warum dachte ich überhaupt bereits darüber nach? Das war, wie immer, alles nur Jisungs schuld!

Leise seufzte ich auf und widmete mich wieder meinen Aufgaben, die zwar ziemlich leicht waren, aber genau denen vom letzten Jahr ähnelten. Manchmal fragte ich mich, was genau wir hier lernen sollten. Die Hälfte brauchten wir sowieso irgendwann nicht und bis auf Geschichte und koreanisch fand ich jedes Fach unnötig. Selbst Mathe. Niemals in meinem Leben würde ich jemals ausrechnen müssen, wie hoch die Brücke über dem Elefanten war. Wir bekamen etwas beigebracht, was uns nicht einmal auf das Leben danach vorbereitete. Und das hasste ich, denn damit wurde nur unsere wertvolle Zeit verschwendet.

Und Zeit war etwas, was leider nicht jeder hatte.