Ich riss meine Zimmertür auf und ließ sie mit einem lauten Knall zurück ins Schloss fallen. Wütend schnappe ich mir ein unschuldiges Kissen von meinem Bett und schreie hinein.„Gina, lass mich das doch bitte erstmal in Ruhe mit dir bereden", ertönt die viel zu ruhige Stimme von meiner Mom, auf der anderen Seite der Tür.
„Da gibt es nichts zu bereden, ich habe nein gesagt!" schreie ich durch das Kissen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie es hört.
Mit einem lauten Seufzen setzte ich mich auf und sehe, wie die Klinke von meiner Tür runtergedrückt wird und meine Mom mit einem unschuldigen Blick hineintritt.
„Gina versteh doch. Ich bin glücklich mit diesem Mann, ich brauche ihn und er braucht mich." Mit langsamen Schritten kommt sie auf mich zu und setzt sich auf meine Bettkante. Wie aus Gewohnheit schnappt sie sich ebenfalls ein Kissen und legt es in ihren Schoß.
Ich schüttel verständnislos den Kopf. „Aber deswegen müssen wir doch nicht sofort zu ihm ziehen. Charlottesville ist über zwei Stunden von hier entfernt, ich werde nicht mal meine Freunde besuchen können", langsam senke ich den Kopf und fummelte am Saum meines Kissens herum.
Ich male mir aus, wie ich ein neues Leben dort anfangen würde. Neue Leute, eine neue Schule und das Schlimmste, eine neue Familie!
„Sieh es doch ein, mein Schatz, Mathew und ich daten uns nun schon seit über zwei Jahren und wir haben es ja mit einer Fernbeziehung versucht, aber möchtest du nicht auch, dass ich glücklich bin?" Ich sehe in das traurige Gesicht meiner Mutter.
Achso ist das also, jetzt spielen wir auch noch die Mittleidskarte aus. Das kann ich auch!
„Und wie soll ich glücklich sein?" schieße ich zurück. ,,Wenn ich mein Zuhause, hier in Danville, mit all meinen Freunden und Gewohnheiten zurücklassen muss?" Mein Blick verdunkelt sich ein wenig. Für mich klingt das alles andere als fair.
„Du wirst doch neue Freunde finden und an den Wochenenden kannst du hierherkommen, um sie zu besuchen." Die Worte meiner Mutter machen nichts besser, viel mehr, nur noch schlimmer.
Meine Vorstellungen von ihrem Plan wurden mit jedem Satz immer düsterer.
„Und dazu kommt noch", fügte meine Mum mit einer plausiblen Handbewegung hinzu, „Dass du endlich Geschwister haben wirst und dann auch noch zwei Stück." Ich seufzte. Für sie schien das ein Riesending zu sein. Für mich aber nicht.
Schon damals schwärmte meine Mutter für Mathews zwei Söhne Jace und Mason, bis ich sie vor knapp zwei Jahren selbst einmal kennenlernen durfte. Bei einem Abendessen im zweit teuersten Restaurant von Danville.
Damals gab es zwischen uns nichts als feindselige Blicke, aber dies hielt wohl meine Mutter nicht davon ab, Mathew weiter zu daten. Wenigstens kam sie meiner Bitte nach und ich musste mich nie wieder mit seinen Söhnen treffen, auch wenn es immer in ihrem Wunsch lag.
„Wie wäre es, wenn wir es wenigstens mal versuchen?" Mit einer kindlichen Geste streicht meine Mutter mir über den Kopf und ich rückte ein wenig von ihr ab. Ich hatte jetzt keine Lust auf ihre führsorglichen Muttergefühle.
„Aber ich bin froh, so wie es jetzt ist", murmel ich, „nur du und ich. Ich will keine Geschwister oder einen neuen Dad, ich habe doch schon einen", versuche ich zu argumentieren, obwohl ich ganz genau weiß, dass der Mann namens Dad nur zweimal im Jahr anruft. Einmal am Geburtstag und einmal an Weihnachten. Aber das musste ja jetzt nichts zur Sache tun.
„Ich weiß, du magst keine Veränderungen, aber ich verspreche dir, du wirst Charlottesville lieben und deine neuen Geschwister bestimmt auch", meine Mom muss sich in diesen Moment ebenfalls an das Treffen vor zwei Jahren erinnert haben, denn sie fügt aufmunternd hinzu: „Ihr seid alle älter geworden, reifer und wisst, wie man nun miteinander umzugehen hat", vollendete sie ihren Satz, aber ich hatte nichts weiteres als ein Stirnrunzeln übrig.
„Wenn es dir so wichtig ist, versuchen wir es eben", gebe ich nach.
Es hat wenig Sinn, sich mit meiner Mom auseinanderzusetzten, da sie ja eh letzten Endes entscheidet und ab und zu auch noch Recht hat.
Aber nur ganz selten...
„Aber Mathew und seine Söhne werden niemals auch nur ansatzweise meine Familie werden, dass sag ich dir schon mal im Voraus", füge ich Stirnrunzeln hinzu. ,,Da helfen auch nicht deine komischen Versöhnungstricks".
Ich musste an die letzten Male denken, als ich noch jünger war, als ich mich mit meiner besten Freundin Gillian gestritten hatte. Dann hat meine Mutter uns irgendwelche Aufgaben zugeteilt, die uns wieder zusammenschweißen sollten, wie zum Beispiel den Zaun streichen oder Kochen.
Obwohl ich zugeben muss, dass es immer funktioniert hat.
Aber auch das tut jetzt nichts zur Sache!
Meine Mutter und ich sind eine Familie und daran wird sich auch nichts ändern.
Sollen wir doch zu ihrem geliebten Mathew ziehen. Ich weiß genau, dass meine Mutter nie gerne an einem Ort ist und erst recht nicht mit einem Mann.
Also ist es nur eine Frage der Zeit, wie lange es halten wird.
Ich gebe ihnen zwei Wochen, dachte ich mir. Dann wird meine Mom sicherlich genug von ihm und seinen Söhnen haben.
„Ich verspreche dir, keine komischen Versöhnungstricks", entgegnet Mom auf mein Argument, fügt aber noch hinzu: ,,Wenn du mir wiederum versprichst, Jace und Mason eine Chance zu geben", versucht sie mich weiter zu überreden, obwohl ich schon längst eingewilligt hatte.
„Meinetwegen", ich verschränke die Arme vor der Brust, um zu unterstreichen, dass mir ihr Plan mit einer neuen Familie trotzdem nicht gefällt. Stiefgeschwister... mir lief es eiskalt den Rücken runter. Und dann auch noch zwei Jungs. Könnten es nicht wenigstens Mädchen sein?
Ich seufzte erneut. So etwas hatte ich mir definitiv nicht erträumt.

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Sag Niemals Nie
Teen FictionStiefbrüder? Und dann auch noch zwei Stück? Für Gina unvorstellbar! Jahrelang hatte sie alleine mit ihrer Mutter in Danville gelebt, doch auf einmal möchte diese zu ihrem Beziehungspartner Mathew, nach Charlottesville ziehen. Seine zwei Söhne, Jac...