60 II Das letzte Geständnis

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Lesley fährt einen hübschen alten Mercedes, mit dem wir nun schneller als erlaubt über die Straßen von Charlottesville fahren.

,,Sei Jace nicht allzu böse", widmet sich Lesley an mich und schaut auf die dunkle Straße, die nur minimal durch die vereinzelten Straßenlaternen beleuchtet wird. ,,Er hat dich wirklich gerne. Wenn ich mit den Jungs unterwegs war und er von dir erzählt hat, haben seine Augen geleuchtet, als hätte er im Lotto gewonnen."

Mein Herz erwärmt sich bei diesen Gedanken und ich bin ein wenig erstaunt, dass Jace überhaupt vor seinen Freunden von mir geredet hat.

,,Ich glaube, das, was Jace gesagt hat. Die ganze Geschichte mit dem Bild ist nun schon länger her und ich bin nicht nachtragend. Es ist nur momentan alles ein wenig kompliziert bei mir zuhause", gebe ich zu und fange an meine Nagelhaut zu pulen.

,,Wieso das denn?" Lesley scheint meine Sorgen nicht nachvollziehen zu können und wirft mir einen kurzen fragenden Blick zu. ,,Ich dachte, ihr wohnt zusammen, ist doch praktisch", sie grinst frech und biegt in eine Nebenstraße ein, von der ich weiß, dass sie ganz in der Nähe von Zuhause ist.

Ich überlege kurz, wie ich es Lesley sagen soll, doch dann kommt es einfach aus mir heraus: ,,Unsere Eltern wissen nicht, dass wir zusammen sind", gestehe ich und seufze auf.

Eine kurze Stille entsteht, bis Lesley an einer roten Ampel warten muss und zu mir rüberblickt. ,,Das macht die Sache natürlich komplizierter", sie streicht sich vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht. ,,Aber meinst du, deine Mutter wäre nicht zufrieden, wenn du jemanden hast, mit dem du glücklich bist?" Fragt sie mich und ich muss selbst kurz nachdenken.

,,Ich weiß nicht. Was Jungs angeht, war meine Mutter schon oft sehr skeptisch, erst recht weil mein Vater uns früh verlassen hat. Seitdem scheint sie eine Männerfobie zu haben, abgesehen von Mathew natürlich. Aber für mich will sie nunmal nur das Beste und ich weiß nicht, ob ihr Stiefsohn ihrem Wunsch gerecht wird", ich blicke aus dem Fenster und sehe, dass Lesley bereits auf die Auffahrt fährt.

Lesley stoppt den Wagen und schaut mich noch einmal ein. ,,Du wirst es nie wissen, wenn du es nicht versuchst", sie zuckt mit den Schultern. ,,Irgendwann würde sie es so oder so herausfinden".

Damit wird sie mehr als Recht haben. Dieses Versteckspiel wird sicherlich nicht mehr lange gut gehen und ich weiß, dass meine Mutter glücklicher wäre, wenn ich es ihr vorher gesagt hätte.

,,Wahrscheinlich hast du recht", murmel ich und blicke auf das Haus vor mir. ,,Danke fürs Fahren", ich blicke Lesley dankbar an, doch sie winkt nur ab. ,,Nicht dafür. Sag Bescheid, wenn du bei irgendetwas Hilfe brauchst. Und falls nicht, sehen wir uns sicherlich mal demnächst. Das Treffen heute muss noch mal nachgeholt werden, ohne Drama." Sie verdreht spaßeshalber die Augen und ich nicke zufrieden, ehe ich die Tür aufmache und auf die Terasse trete.

Ich schließe die Tür zum Haus auf und lehne mich dagegen. Ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll, wie ich es meiner Mutter beichten soll. Ich errinere mich daran, was Lesley gesagt hat, und motiviere mich mit ihren Worten.

Sie würde es so oder so herrausfinden.

Ich trete ins Wohnzimmer, doch kann weder meine Mutter, noch jemand anderen finden. Ich will gerade nach oben gehen, als ich ein Geräusch aus der Küche höre. Als ich näher herangehe vernehme ich ein Schluchzen und neugierig mache ich einen Spalt die Tür auf.

Ich sehe meine Mutter am Küchentresen sitzen, mit einem Weinglas, welches vor ihr steht. Ich trete leise ein und meine Mutter schreckt hoch. Schnell fährt sie sich mit den Daumen unter den Augen entlang und versucht zu überspielen, dass sie gerade geweint hat.

Sag Niemals NieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt