Ich schaue geschockt zu meiner Mutter, die nur wenige Schritte entfernt von meinem Dad auf dem kleinen, grauen Sofa sitzt und die Beine übereinander zusammengeschlagen hat.
Sie erwidert nicht meinen Blick, sondern begutachtet den Teppich unter ihr, als würde sie sich nach all den Jahren nicht trauen meinen Vater, James, ins Gesicht zu blicken.
Ich spüre wie sich meine Brust immer schwerer senkt und hebt und meine Augen weich werden. Ich will aus dieser grotesken Situation verschwinden, aber weiß nicht wie.
„Und?" Mathew kommt mit einer Tasse Café ins Wohnzimmer und überreicht sie gastgeberisch James, der sich mit einem Nicken bedankt.
„War die Anfahrt aus New York angenehm?" Fragt Mathew und setzt sich interessiert neben ihn.
Wie kann er denn nur so ruhig bleiben? Dort sitzt der Ex seiner Geliebten. Aus dem Nichts aufgetaucht und er reagiert als würde er gerade einen alten Studentenfreund wiedersehen.
„Nicht wirklich, ich bin mit einem Freund zusammen gefahren, den ich zwei Städte vorher rausgelassen habe", er nimmt einen tiefen Schluck aus seiner Tasse und blickt mir dabei tief in die Augen.
Immer noch stehe ich hier wie angewurzelt und weiß nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.
Er hat sich kein bisschen verändert.
Immer noch die zurück gegehlten, dunkelbraunen Haare, das markante Gesicht mit den herausstechenden Wangenknochen und den tiefliegenden Augen, die meinen viel zu ähnlich sind.
Ich hasse unsere Ähnlichkeit.
„Was machst du hier?" Presse ich hervor und versuche mich an einer selbstbewussten Haltung.
„Gina!" Meine Mutter scheint endlich aus ihrer Starre erwacht zu sein und wirft mir einen mahnenden Blick zu.
Das kann sie doch nicht ernst meinen!
„Ist schon gut Catarina", mein Vater schenkt ihr ein kurzes Lächeln, welches mich auf irgendeine Weise provoziert. „Sie ist sauer, das kann ich verstehen".
Ach kannst du das? Du kannst verstehen dass ich sauer bin, dass du unsere Familie auseinandergerissen hast für einen drecks Job und für Geld?
Ich werde ihm niemals verzeihen.
Ich sehe ihn immer noch schwer atmend an, als er fortfährt.
„Ich bin für Geschäftliche Sachen momentan in der Nähe von Charlottesville und dachte mir, dass ich euch doch einmal besuchen könnte." Er wirft Mathew eines seiner schleimenden Lächeln zu, „Vielen Dank nochmal dass ihr mich für ein paar Tage hier schlafen lasst".
Ich dachte mich verhört zu haben. „Übernachten?" Kommt es aus mir herausgeschossen.
„Gina", zügelt mich meine Mom erneut, aber dieses Mal lasse ich nicht locker.
„Nein!" Rufe ich aus. „Mom, er hat uns seit Jahren nicht mehr besucht. Er tut es nur jetzt, weil er in der Nähe ist, aufgrund seiner Arbeit", richte ich mich augenfunkeld an James. „Natürlich wegen seiner Arbeit, das ist schließlich das einzig wichtige in seinem Leben", sprudelt es weiter aus mir heraus. Ich kann gar nicht mehr aufhören, aber mein Mund ist schneller als mein Kopf.
„Er soll wieder gehen, bitte", flehe ich meine Mutter an. „Er interessiert sich doch gar nicht für uns!" Ich weiß dass mich gerade alle angucken und ich der Mittelpunkt des Raumes bin. Jace sieht mich mittlerweile auf eine Weise an, die ich nicht mehr richtig deuten kann.
Für einen kurzen Moment wirkt es so, als würde er zu mir rüber gehen wollen, aber anscheinend hat ihn irgendwas in seinen Kopf daran gehindert.
Ich spüre wie zum zweiten Mal an diesem Tag Tränen sich an die Oberfläche meiner Augen bahnen und ich mache auf dem Absatz kehrt.
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Sag Niemals Nie
Teen FictionStiefbrüder? Und dann auch noch zwei Stück? Für Gina unvorstellbar! Jahrelang hatte sie alleine mit ihrer Mutter in Danville gelebt, doch auf einmal möchte diese zu ihrem Beziehungspartner Mathew, nach Charlottesville ziehen. Seine zwei Söhne, Jac...