15. Leopardenleben

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Ich öffnete die Augen, als es hell wurde, doch es fühlte sich an, als ob ich keine Minute geschlafen hätte. Ich war am Vorabend bis spät in die Nacht wach geblieben und hatte mir sämtliche Pläne durch den Kopf gehen lassen, doch keiner davon war wirklich realistisch, oder machbar. Irgendwann waren mir Tante Pepper und ihre Gruppe an Superhelden eingefallen und Zweifel schlichen sich in meine Überlegungen. Ob sie mich wohl suchten? Ich hatte aufgehört die Tage zu zählen, die ich schon hier war. Vielleicht hatten sie es schon aufgegeben, vielleicht dachten sie auch ich wäre eh schon tod... Eine einzelne Träne lief mir die Wangen runter, bei der schmerzhaften Erinnerung an meine Tante, und wie ich sie auf einem Dach zum letzten Mal gesehen hatte. Ihr verweintes, schockiertes und ängstliches Gesicht hatte sich tief in mein Gedächtnis gebrannt...

Die Durchreiche öffnete sich und riss mich mit ihrem alt bekannten Quietschen aus meinen Gedanken. Ein Stück roter Wiederlichkeit kam zum Vorschein. "Super, schon wieder nichts gescheites zu Essen...", dachte ich nur und verdrehte genervt die Augen. Da ich mich nicht auf Kommando verwandeln konnte würde ich warscheinlich mit der Zeit verhungern.

Das Fleisch von Vorgestern war übrigens entfernt worden und ich war wirklich dankbar dafür, denn ich konnte endlich wieder ins Bad ohne die Luft anhalten zu müssen.
Trotzdem, mit rohem Fleisch konnte ich in Menschenform nach wie vor nichts anfangen...
Doch plötzlich rumorte etwas in mir, als würde der Leopard in mir das Fleisch riechen können und schneller, als ich hätte reagieren können, begann die Verwandlung erneut. Diesmal sogar wesentlich schneller, als beim ersten Mal. Ich brauchte dismal nur kurz Zeit um mich an meine veränderten Körper zu gewöhnen und wante mich dann dem Fleischbrocken zu, der nun auf dem Boden lag.
Aus Leopardenaugen sah er gar nicht so wiederlich aus...
Zögernd biss ich hinein und ein paar Minuten später bleckte ich die Reste von meinen Reißzähne. Es schmeckte zu meiner Überraschung gar nicht schlecht. Aus Leopardensicht auf jeden Fall genießbar.
Diesmal verweilte ich länger als Leopardin als beim ersten Mal. Das war gut, denn so konnte ich mich auf sämtliche Neuheiten konzentrieren. Das meine Sinne geschärft worden waren, war mir beim letzten Mal schon aufgefallen, doch ich hatte sie nich nicht wirklich ausprobieren können, bevor ich mich zurück verwandelt hatte.
Als Leopardin roch ich das Vergammelte Fleisch noch immer, obwohl der Geruch so weit verflogen war, daß er einem Mensch kaum auffiel. Auch konnte ich die Zelle gegenüber komplett sehen, obwohl sie sonst zur Hälfte von Dunkelheit verschlungen wurde. Außerdem konnte ich mich völlig lautlos bewegen, da meine Tatzen auf dem Betonboden nicht den leisesten Laut verursachten.
Nach einiger Zeit, in der ich alles mögliche ausprobiert hatte, rollte ich mich erschöpft auf dem Boden zusammen und schlief schließlich ein.

***

Als ich die Augen wieder öffnete hatte ich mich wieder in einen Menschen zurückverwandelt und kauerte in einer Ecke meiner Zelle. Ich zetzte mich auf mein Bett, strich mir die Haare aus dem Gesich und atmete tief durch. Ich hatte einen der schlimmsten Alpträume meines Lebens hinter mir und war Schweiß gebadet. In diesem Traum hatten sich alle die ich liebte... Meine Mum, meine Tante, all meine Freunde... in Staub verwandelt kurz bevor ich sie erreichen konnte. Nur meine Mum nicht, sie wurden in eine tiefe Schlucht gezogen, von etwas, das aussah wie eine Art Drache mit sieben Köpfen. Ich war ihr schreiend hinterher gerannt, doch ich konnte sie nicht erreichen... Als würde ich auf der Stelle laufen.
Mein übrig gebliebenes Wissen aus Geschichte verriet mir das der Drache eine Hydra war: eine Art Wasserdrache aus der Grichischen Mythologie... wenn man ihr einen Kopf abschlägt bilden sich sofort zwei neue und der Kopf in der Mitte sei unsterblich, so sagt die Legende...

Ich verwandelte mich in den nächsten Tagen immer öfter in eine Leopardin, zum einen zum Essen und zum anderen passierte es unkontrolliert und ich konnte eh nichts dagegen tun.

Vier Tage, nachdem ich mich zum ersten Mal verwandelt hatte, geschah etwas besonderes. Ich saß in Tierform in der Mitte meiner Zelle und putzte mich ausgiebig, als in der gegenüberliegenden Zelle die Tür aufging. Durch geschärfte Leopardenaugen beobachtete ich das Geschehen mit großer Neugierde.
Mein Nachbar kam zurück, doch wenn man ihn so ansah wäre er vielleicht lieber gestorben, als in diesem Zustand zurückzukehren. Dass er nur einen Arm hatte und eine Prothese trug wusste ich schon länger, doch nun trug er nicht einmal mehr diese. Sein Gesicht, Arme und Beine waren zerkratzt, blutig und voller Dreck. Seine kinnlangen Haare waren zwar zerzaust, doch das war ein Dauerzustand. Außerdem hatte er am Oberarm einen Schlitz, wie von einem Messer, der vor sich hin Blutete und er Humpelte.
Nachdem er sich auf sein Bett gesetzt hatte, sah er mit einem kurzen Seitenblick zu mir herüber und ich meinte für eine Sekunde etwas wie Überraschung in seinem Blick zusehen.
Diesen Moment nutzte ich aus, sprang auf, lief an die Scheibe und verwandelte mich, fast schon gewollt, zurück in einen Mensch. Nun begann ein Gespräch, was so einiges veränderte...

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