35. Feuer im Kopf

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Das Betäubungsmittel lag wie ein Schleier auf meinem Blickfeld. Eine grelle Lampe schien mir ins Gesicht. Langsam verdeutlichte sich mein Umfeld. Pepper stand neben mir. Sie hielt meine Hand. "Bist du okay?" Sie hatte Tränen in den Augen. Anscheinend hatte Tony ihr alles erzählt, was passiert war. "Die Stimme. Sie war wieder da." Noch leicht benommen setzte ich mich auf. Das Zimmer sah aus wie in einem Krankenhaus. "Wo bin ich?" "Immernoch im Hauptquartier, irgendwo müssen wir ja die verrückten wieder zusammen flicken, die sich unbedingt mit Chitauri anlegen müssen..." Sie zwang sich zu einem Lächeln.

"Ah, Dornröschen ist also erwacht. Keine Sorge Pep, wir kriegen sie schon wieder hin." Tony hatte den Raum betreten. "Ich kann dich hören", antwortete ich. "Hör zu Leopardenflüsterin, Caps Assassinen Kumpel hat uns viel über das Programm erzählt. Du hast zwei Möglichkeiten." "Ich bin ganz Ohr." "Pepper, Liebes, wie wärs wenn du schon mal... irgendwas... anderes machst, während wir das regeln?" Er schob sie Richtung Tür. "Keine Sorge Pepper, wenn er zu sehr nervt fress ich ihn." Grinsend schaute ich meiner protestierenden Tante hinterher.

"Also gut zurück zum Thema. Entweder du lässt alles wie es ist, bringst unkontrolliert Leute um und landest im Tierheim, oder wir grillen dein Gehirn nochmal und verscheuchen den höchst unsympathischen Psychopath aus deinem Kopf. Du hast die Wahl." "Na das sind ja rosige Aussichten. Wie lange dauert der Mist?" "Solange, bis es deinem Besucher zu ungemütlich wird." "Na schön. Sofort?" "Dann hast du es hinte dir." "Dann fang mal an."

***

Nachdem ich am Vortag eine Prügelei mit Tony angezettelt hatte, hatten sie mich über Nacht hier im "Krankenzimmer" eingeschlossen. Natürlich mit genug Beruhigungsmittel um mich wenigstens für eine Nacht ruhig zu stellen. Jo hatte meine Geschichte auf meinen Wunsch hin fortgesetzt und alles so erzählt, wie ich ihr, damals am Lagerfeuer. Pepper war in Tränen ausgebrochen, als sie vom Tod meiner Mutter erfuhr. Nach und nach hatten die Anderen sie mit Tony allein gelassen und sich in einem Nebenraum weiter mit Jo unterhalten.
Schließlich hatte Jo die Geschichte beim Abendessen abgeschlossen, da sich Pepper wieder ein Stück weit gefangen hatte. Nun wussten sie alle Bescheid und ich konnte endlich damit abschließen. Na ja... fast.

***

Das folgende Szenario erinnerte mich viel zu sehr an den Prozess bei Hydra. Doch immerhin wusste ich schon was mich erwartet. Und das Ergebnis war es absolut wert.
"Bereit?" "Nicht wirklich..." "Wundervoll, dann kanns ja losgehen. Und mach bitte nicht den Tisch kaputt." "Ich bemüh mich." Nach kurzer Zeit war der Raum von Brüllen erfüllt. Tony hatte sich einen Gehörschutz besorgt, wie man ihn beim Gebrauch von Motorsägen verwendete. War ich wirklich so laut?
Der Schmerz war noch stärker als der, der die Stimme zurück gebracht hatte, aber er hatte etwas befreiendes. Das vergangene Jahr zog an mir vorbei, wie ein Film. Jeder Augenblick schien haargenau von meinem Gehirn abgespeichert worden zu sein. Wut flammte in mir hoch, als ich all die Menschen sah, die für mein Leid verantwortlich waren. Hill, Halwith, Aquila und am aller schlimmsten Athena.

Wenn ich meine Ausbilderin je wiedersehen würde, würde ich sie am liebsten jagen und fressen. Doch ich wusste genau das sie einen Kampf mit mir spielerisch gewinnen würde.
Der Tod meiner Mutter war ebenfalls ein sehr schmerzliches Kapitel des letzten Jahres gewesen, doch so langsam hatte ich das Gefühl, es einigermaßen verdaut zu haben. Ich würde Pepper bitten mit mir eine Beerdigung zu organisieren um endgültig abschließen zu können. Auch wenn wir einen leeren Sarg beerdigen würden, es war besser als sich gar nicht verabschieden zu können.

Der Schmerz wollte nicht nachlassen und ich fragte mich mittlerweile ob es einer Stimme überhaupt zu ungemütlich werden kann, doch ich hatte wohl keine andere Wahl als Tony zu vertrauen und zu warten bis er mir sagte, das es vorbei sei.
Also schrie ich mir weiter die Seele aus dem Leib und wartete ab.

Als die Schmerzen endlich nachließen sackte mein Körper vor Erschöpfung in sich zusammen. All die Anspannung fiel ab und ich wäre am liebsten sofort eingeschlafen. Pepper stieß die Tür auf und rannte auf mich zu. "Geht es dir gut Liebes? Kannst du mich hören?" "Ja, aber ich wäre dir dankbar wenn du deine Stimme eine Oktave runtersetzten würdest." "Entschuldige." Sagte sie nun etwas leiser und streichelte meinen Arm. "Es ist am besten wenn sie sich hinlegt und ausruht." Schaltete sich Tony wieder ein. "Das war sowohl physisch als auch psychisch sehr anstrengend." Er stellte sich neben Pepper und bot mir die Hand an. "Kannst du laufen?" Ich schob die Beine von der Liege und ließ sie auf den Boden sinken bis ich stand. Nach dem zweiten Schritt knickten mir die Knie ein und so beschloss Tony kurzerhand mich zu tragen. Pepper begleitete uns. Als ich im Bett war schlief ich sofort ein und das Ehepaar verließ leise das Zimmer.

Während ich schlief trafen sich Tony, Pepper, Buck, Steve und Natasha im Wohnzimmer und Tony erzählte ihnen wie es gelaufen war. Die Prozedur hatte etwa eineinhalb Stunden gedauert, auch wenn es sich für mich wie zehn angefühlt hatte. Allgemeine Erleichterung hellte die Stimmung auf, als Tony berichtete, dass der Psychopath, mein Untermieter, Geschichte war. "Wann glaubst du ist sie wieder zurechnungsfähig?" Schaltete sich Bucky ein. "Immer langsam, Assassinchen, ihr werdet vor Ende der Ferien schon noch Zeit finden in gemeinsamen Erinnerungen zu schwelgen."
Darauf hin schwieg Bucky und versuchte in sich zu beherrschen Tony nicht für seine blöden Kommentare eine rein zu hauen.

So ging das Gespräch noch etwa eine halbe Stunde weiter. Pepper war der festen Überzeugung ich solle nach den Ferien trotz allem in die Schule, was ebenfalls auf sowohl Zustimmung als auch Ablehnung stieß.

Als sie sich zum Abendessen ins Esszimmer begaben saß ich dort schon mit Peter, MJ und Ned am Tisch. "Wir haben Besuch zum Abendessen, und damit meine ich keinen Psychopath." Ich grinste. Es ging mir nach dem Mittagsschläfchen ausgezeichnet. Anscheinend hatte die Stimme nicht nur meinen Körper kontrolliert sondern auch Energie verbraucht. Der Rest der Avenger WG kam ebenfalls herein und setzte sich. Als fast alle Stühle belegt waren meldete sich eine Stimme hinter mir. "Wen hast du denn so wütend gemacht." "BUCKY?!" Ich sprang vom Stuhl und rannte auf ihn zu. Vielleicht mit etwas mehr Schwung als er erwartet hatte, denn er stolperte einen Schritt zurück, als ich ihm um den Hals fiel. "Immer langsam, Kätzchen. Renn mich nicht gleich um." Ich ignorierte ihn einfach, doch innerlich freute ich mich, dass er seinen Humor behalten hatte.

Schließlich wurden wir an den Tisch gerufen, da ein Teil der Gesellschaft gerade zu zu verhungern schien. Es wurde viel über meine Zukunft philosophiert. Alle waren sich einig, dass es das beste war mir ein so normales Leben wie möglich zu verschaffen. Doch Caps Vorachlag mich in einen Tennisclub zu schicken ging wirklich zu weit. Natashas Idee mit dem Kampfsport gefiel mir wesentlich besser, doch im Großen und Ganzen hielt ich mich aus der Diskussion raus. Ich war einfach nur glücklich. All diese Menschen zusammen lachen zu sehen, wie sie sich in Ideen verloren und ihre Fantasie spielen ließen, löste tiefe Zufriedenheit in mir aus. Ich lehnte mich zurück und beobachtete die Einzelnen, wie sie diskutierten und nach und nach einen akzeptablen Plan zusammengebastelt hatten.

Ich würde nach den Ferien trotz allem in die Schule gehen, würde viel Sport machen und von Freiwilligen der Avengers trainiert werden um meiner Energie ein Ventil zu bieten, das nichts mit unkontrollierten Verwandlungen und toten Mitschülern zu tun hatte. Ich würde versuchen in ein normales Leben zurück zu kehren und dieses genießen zu können.

Ich war endlich Zuhause.

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