30. Roadtrip

993 56 17
                                    

Die ersten Minuten der Fahrt sprach keiner ein Wort. Ich starrte aus dem Beifahrerfenster, doch ab und zu spürte ich Jos Blicke auf mir. Ich hoffte inständig sie würde nicht versuchen ein Gespräch anzufangen, denn je mehr ich log, desto warscheinlicher war es, dass ich mich irgendwann verplappern würde...

Doch meine Hoffnung war vergebens. "Also, wie hat es dich nach Middletown verschlagen? Rod hat am Telefon nicht viel erzählt..." Zum Glück hat er das nicht. Schließlich antwortete ich doch, denn ich wollte nicht unhöflich sein. Ich würde immernoch in Middletown rumsitzen wenn sie nicht gewesen wäre... "Ich war mit ein paar Freunden unterwegs, aber ich hab sie in der Stadt verloren und auch mein Handy." Hoffentlich kaufte sie mir das ab, denn eine andere Erklärung hatte ich nicht. Rod hatte ich das gleiche erzählt, nur ohne das Handy...

"Und du willst einfach die Stadt verlassen, ohne sie wiedergefunden zu haben? Vielleicht suchen sie ja nach dir." Komm schon Gehirn, denk dir irgendeine logische Antwort aus. "Äh, ich... ruf sie von zuhause aus an und sag das ich schon zurückgefahren bin." "Alles klar, dann wollen wir sie nicht warten lassen." Sie drückte aufs Gas und der Wagen beschleunigte.
Damit war das Gespräch vorerst beendet. In meinem Kopf entfuhr mir ein tiefer Seuftzer. Soweit war alles gut gegangen. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und tat so als würde ich dösen. Doch meine volle Aufmerksamkeit war auf die äußere Umgebung fixiert. Sollte auch nur der Hauch eines Anzeichens auf Hydra auftauchen, würde ich auf Notfallmodus umschalten.

Der gleichmäßige Klang des Motors und die vorbeiziehenden Wiesen machten es immer schwerer meine Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Ich durfte auf keinen Fall einschlafen. "Darf ich das Radio anschalten?" Fragte ich, um mich irgendwie wach zu halten. "Klar." Jo drückte einen Knopf und drehte die Lautstärke hoch. "Hier stellt man die Sender ein. Mach an was dir gerade zusagt." Dann richtete sie ihren Blick wieder auf die Straße.
Nach kurzer Suche hatte ich einen passenden Sender ausgewählt. Erneut wanderte mein Blick aus dem Fenster, als ich ein seltsames Surren wahrnahm.

"Jo? Hörst du das auch?" "Oh..." Sie lächelte, "mein Wagen ist nicht mehr der Jüngste. Es kann gut sein, dass irgendwo etwas klappert... Ich sollte mal wieder in die Werkstatt."
Diese Erklärung passte mir garnicht. Warum jetzt? Der Wagen war ganz zufällig jetzt kaputt, wo ich von Hydra als vogelfrei erklärt wurde. Nein, das war es nicht.
Das Surren wurde lauter und schneidender. "Sicher das es dein Auto ist?" Leicht provokativ sah ich sie an. "Das ist tatsächlich seltsam." Murmelte sie, während die Kupplung begutachtete.

"ACHTUNG!" Ich griff nach dem Lenkrad, riss es herum und der Wagen polterte aufs Feld. Zum Glück hatte die Straße keine Leitplanken. Vor uns auf der Straße war eine Bombe explodiert, die nun Stücke des Asphalts auf uns nieder regnen ließ. "GIB GAS!" Schrie ich sie an. Völlig perplex tat sie, was ich von ihr verlangte. Ich hörte Rotorblätter. Ein Helikopter. Warscheinlich direkt über uns, denn ich konnte ihn nicht sehen.

Schüsse. Das Auto wurde von Kugeln durchlöchert. Die Sonne viel durch die Löcher und blendete beinahe. "Du hast nicht zufällig Waffen im Auto, oder?" Ich musste fast schreien um durch den Lärm zu ihr durch zu dringen. Sie war absolut fertig mit den Nerven. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und sie hatte ihre Augen panisch aufgerissen. Dann schien sie zu realisieren was ich gesagt hatte. "Ähm... Ich glaube das Jagd Gewehr meines Bruders liegt noch auf dem Rücksitz." Eine weitere Salve Kugeln schlug in die Wände und das Dach des Wagens ein. Ich löste den Gurt, drehte mich nach hinten und suchte die hintere Bank nach einer Waffe ab. Tatsächlich, ein Gewehr.

Etwa drei Viertel des Magazins waren voll. Das musste ausreichen. Ich kletterte zurück auf meinen Sitz.
Jo zitterte. Ihre Fingerknöchel waren weiß geworden, so fest hatte sie sich an das Lenkrad gekrall. "Fahr irgendwo in einen Wald oder Tunnel oder was auch immer und werd auf gar keinen Fall langsamer!" Sie nickte nur.
Ich kurbelte das Fenster herunter und versuchte den Helikopter zu erspähen ohne in Schusslinie zu geraten. Er war tatsächlich fast über uns, aber leicht zurück. Ich drehte mich auf meinem Sitz und stemmte die Füße gegen die Sitzlehne um einen festen Halt zu haben. Die Decke war mittlerweile durchlöchert wie ein Sieb. Ich Riss ein Loch hinein, durch das ich den Helikopter sehen konnte. Ich hatte freies Schusslfeld, auch wenn es unwahrscheinlich war, daß meine Kugeln überhaupt etwas ausrichten würden.

Der Helikopter war mit Sicherheit gepanzert, doch was hatte ich denn für eine Wahl, außer es zu versuchen. Ich legte an und feuerte die ersten drei Schüsse ab. Einer schlug in die Scheibe ein, er hinterließ einen Sprung. Die anderen Beiden trafen das Metall, doch außer einer Delle richteten sie kaum Schaden an.
Mittlerweile drangen erste Kugeln in das Auto ein, es würde nicht mehr lange durchhalten. Ich schaute über die Schulter, Jo hielt auf ein Waldstück zu. Es war eine furchtbare Idee in einen Wald reinzubrettern, aber etwas bessere fiel mir nicht ein.

Ich widmete mich wieder dem Helikopter und fukusierte mich dieses Mal auf die Scheibe. Vielleicht schaffte ich es einen der Piloten auszuschalten. Der erste Schuss traf in der Luft einen von ihnen abgefeuerten und eine kleine Explosion verdeckte für kurze Zeit für beide die Sicht.
Die nächsten Schüsse trafen die Scheibe und sie sah aus als wäre sie kurz davor zu zuerspringen.

Ich versuchte so schnell hintereinander zu feuern wie möglich. Plötzlich ertönte nur noch ein Klicken. "Scheiße!" Schrie ich und sah im Augenwinkel wie Jo zusammenzuckte. "Was ist?" Schrie sie zurück. "Munition leer. Wie weit ist es noch?" "Ein paar hundert Meter." Na ja, jetzt heißt es hoffen und aufs Gas treten.

Der Helikopter schien unbegrenzt Munition zu haben. Ich traute mich nicht, mich wieder normal auf den Sitz zu setzten, denn das Loch in der Decke würde meinen Kopf ungeschützt dem Feuer aussetzen.
Immer wieder drehte ich den Kopf, um nach forne sehen zu können, doch der sch**ß Wald schien nicht näher zu kommen.

Plötzlich zuckte ein höllischer Schmerz durch mein Bein. Ich stieß einen Schrei aus, der die restliche Farbe aus Jos Gesicht verschwinden ließ. Eine Kugel hatte mein Bein gestreift. Das Blut sickerte in Hose und Sitz. "Verdammte Scheiße!" Schrie Jo mit Blick auf mein Bein. "Augen nach vorn!" Schrie ich zurück. Der Waldrand war fast erreicht. Der Untergrund wurde immer holpriger und zwischendurch hob der Wagen ein kleines Stück vom Boden ab. Jeder Aufprall machte es mir schwerer mich festzuhalten.

Dann bretterten wir mit vollem Tempo in den Wald hinein und hinterließen eine Schneise der Verwüstung. Nach etwa 200 Metern wurde der Wald immer dichter. "ACHTUNG VOLLBREMSUNG!" Schrie Jo und rammte den Wagen gegen einen Baum. Sie hatte nicht mehr ausweichen können und für einen Bremsweg war es zu spät gewesen. Ihr Kopf wurde gegen das Lenkrad geschleudert. Ich wurde mit dem Rücken gegen das Armaturenbrett gepresst, verletzte mich aber nicht weiter.

Nach ein paar Momenten der Stille öffnete ich die Augen, die ich aus Angst fest zusammen gepresst hatte. "Jo?" Sie bewegte sich nicht. Ihr Kopf ruhte auf dem Lenkrad und ihre Hände baumelten herunter. "Jo." Sagte ich diesmal etwas lauter. Ich rüttelte sie an der Schulter. Ein Stöhnen. Sie war nicht tot. Mein Herz machte einen Freudensprung.

"Mein Kopf..." brachte sie nur hervor. Sie verzerrte vor Schmerz das Gesicht. "Ist ansonsten alles ok? Nichts gebrochen?" "Ich glaube nicht..." Das war zur Abwechslung mal eine gute Nachricht. Kurzer Hand riss ich ein Stück meines T-Shirts ab und band es um die Schusswunde. Zwar absolut unvernünftig, aber im Moment fiel mir nichts besseres ein. "Leg die Füße hoch und versuch irgendwie deinen Kopf zu kühlen." Mehr brachte ich nicht raus.

Völlig erschöpft öffnete ich die Wagentür, ließ mich auf den laubbedeckten Boden fallen und schloss die Augen. Nur für einen winzigen Moment wollte ich ausruhen. Ich wusste wir müssen weiter, aber nur für einen Kurzen Augenblick...

A NEW AVENGERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt