26. Good bye

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Keuchend schreckte ich aus dem Schlaf hoch und realisierte wo ich war. Nur noch schleierhaft erinnerte ich mich, wie ich in eine Limousine eingestiegen war. Davor hatte ich meinen Auftrag erhalten. Das Schlafmittel hatte dafür gesorgt, dass ich, als wir losgefahren waren, nicht mitbekam wo sich der Stützpunkt befand. Bucky... Das war alles nur ein Traum. Eine Wunschvorstellung. Nichts davon war echt gewesen. Traurigkeit übermannte mich und ich starrte in Gedanken versunken aus dem Fenster. Dann hielt der Wagen an. 

Entschlossen drückte ich die Tür der schwarzen Limousine auf und trat hinaus in den Regen. Das Wasser tropfte mir von der Nase und durchnässte meine Klamotten in wenigen Sekunden. Der Fahrer der Limousine fuhr das Beifahrerfenster quietschend herunter und schaute mich mit seiner verspiegelten Sonnenbrille und gerunzelter Stirn abschätzend an. "Du weißt was du zu tun hast, grauer Regenmantel.", sagte er ohne jegliche Emotionen. Ich nickte, drehte mich dann ohne ein Wort um und verschwand in der dunklen Seitengasse, die ich als Deckungsmöglichkeit nutzte, während ich auf mein Opfer wartete. Eine einzelne flackernde Laterne warf ihr schummriges Licht auf die hohen Hauswände, die links und rechts von mir in den Himmel ragten und spiegelte sich in den Pfützen am Boden. Ich beobachtete aus dem Halbdunkeln, wie mein Fahrer mit quietschenden Reifen davon fuhr und lauschte dem Prasseln des Regens in der Stille. Irgendwie beruhigte es mein aufgewühltes Gemüt.

Ich wusste zwar nicht wo ich mich befand, aber es musste ein sehr abgelegener Stadtteil sein, oder es war irgendein Feiertag, denn keine Menschenseele war zu sehen. Mein Zeitgefühl hatte ich komplett verloren. Eine geraume Zeit wartete ich, an eine Hauswand gelehnt, bewegungslos im Regen. Dann kam endlich die Gestalt, auf die ich gewartet hatte. Mein Ziel. Mein Auftrag.

Langsam und im Schutz der Schatten schlich ich auf die Frau in dem grauen Regenmantel zu. Sie hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um sich vor dem prasselnden Regen zu schützen und lief eilig an der Seitengasse vorbei, wohl um endlich ins warme Haus, oder Auto zu kommen. Angespannt lauschte ich dem Klackern ihrer Stöckelschuhe, dann setzte ich, alle Muskeln bis zum zerreißen gespannt, zum Sprung an und schoss aus meiner Deckung hervor.

Ein spitzer Schrei entfuhr der Frau und ihre Kapuze flog zurück, als sie nach hinten sprang und abwehrend die Hände hob. Ohne wirklich hinzusehen packte ich sie am Kragen und zog sie mit schnellen schritten hinter mir her tiefer in die Gasse. Keine Zeugen, das hatten sie mir gesagt.
Als wir soweit vom Schatten verschluckt wurden, dass wir von der Straße aus nicht gesehen werden konnten, drehte ich mich zu ihrem vor Angst verzerrtem Gesicht. Zitternd stand sie vor mir, die Augen weit aufgerissen und mit bebenden Lippen, die, ebenso wie ihre verkrampften Hände, ihre Furcht verrieten. Ich konnte ihre Angst förmlich riechen. Ich spürte wie der Leopard in mir herauswollte.
Beende es!  Der kurze und doch so entscheidende Befehl hallte durch meinen leeren Kopf und sofort wanderte meine Hand, wie von selbst, von ihrer Jacke zu ihrem Hals und zwang sie rückwärts an die Wand.

Jetzt! Wie ferngesteuert drückte ich langsam zu. Ihr Blick wurde flehend und irgendwas versetzte meinem Herzen einen Stich.
„Nein! Nein, bitte!", ihre Stimme war nur ein leises Wimmern, „Bitte! Ich habe eine Tochter...sie, sie ist noch ein Kind! Bitte, was habe ich denn getan?"
„Schade das sie keine Möglichkeit mehr haben werden sich zu verabschieden.", knurrte ich dunkel.
„Sie ist in ihrem Alter! Quendolyn hat doch nur noch mich!"
Die Antwort lag mir schon auf der Zunge, doch als sie den Namen nannte hielt ich inne. Mein Kopf dröhnte, als wollte eine eingeschlossene, oder besser ausgeschlossene Information in meinen Kopf eindringen. Energisch schüttelte ich den Kopf, aber es half nichts.

Das Dröhnen wurde lauter, als würde er explodieren, wenn ich mich nicht an das erinnerte, das so krampfhaft versuchte heraus zukommen.
Jetzt töte sie! Ohne Macht über mein Tun zu haben, drückte ich von Neuem zu, stärker diesmal. Die Frau röchelte und versuchte sich zu wehren, doch die Kraft mit der ich sie festhielt, war die eines Raubtiers. Sie hatte keine Chance.
„Quenn...es tut mir lei...", mit einem letzten Schnappen nach Luft verlies die Kraft ihren Körper und sie sackte zusammen.
Wie als hätte ich mich verbrannt ließ ich los. Ihr Körper rutschte nach unten auf den nassen Boden und blieb kurz liegen, bis er sich plötzlich unter heftigen Hustenwellen krümmte.

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Es fühlte sich an als würde mein Herz stehen bleiben, als es mir dämmerte, dann stürzte ich auf die Frau zu und ließ mich neben ihr auf den Boden fallen.
„Mum? Mum! Oh mein Gott es tut mir so leid! Ich bins! Quenn!"
Nach einem tiefen Luftholen sah sie mich an. „Quenn? Nein das kann nicht sein, warum sollte..."
„Mum ich bin es wirklich! Bitte glaub mir, ich wollte das nicht! Ich kann es nicht kontrollieren! Ich..."
Sie zog mich in ihre Arme. Es war meine Stimme, die sie nun erkannt hatte. „Ich hatte dich nicht erkannt, mein Kind. Einfach nicht erkannt. Es tut mir leid. Du...", sie sah mich kurz an, „Du hast dich so verändert! Was ist passiert dass du so furchtbar dünn geworden bist! Schatz, du bist blass wie eine Leiche. Was ist nur passiert?!"

Ich seufzte und wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als ein stechender Schmerz durch meinen Hals raste. Der Chip. Ich stöhnte laut auf.
„Was ist los?", fragte meine Mutter besorgt und legte eine Hand auf meinen Rücken.
„Lauf!", brachte ich unter Schmerzen hervor. „Los!"
Entsetzt starrte sie mich an. „Was ist den los? Was kann ich tun?" Als sie erneut die Hand nach mir ausstreckte, fauchte ich sie an.

„Lauf! Jetzt!" Meine verzweifelten Schreie gingen in einem Brüllen unter. Erschrocken stand sie auf und machte einige Schritte rückwärts. Meine Leopardenaugen funkelten.
Schwer atmend kniete ich in einer Pfütze. Mein Körper erzitterte unter ständigen Schmerzen, und ich spürte wie ich mich langsam, aber unaufhaltsam verwandelte. Mit einem letzten verzweifelten Blick versuchte ich meiner Mutter klar zu machen sie solle weglaufen, doch sie starrte mich nur mit riesigen, mit Tränen gefüllten Augen an.
Jetzt, tu es! Ich schoss nach vorne. So schnell sie konnte, rannte meine Mutter auf die Hauptstraße zu. Ihre High Heels klackerten laut auf dem Asphalt und ich konnte ihre Schluchzer sogar durch den laut prasselnden Regen hören. Die Stimme in meinem Kopf trieb mich gegen meinen Willen voran.

Mit nur wenigen Sprüngen hatte ich sie eingeholt und mit meinen Pranken auf den Boden gepresst. Mit flehenden Augen startete sie noch einen letzten Versuch, die Quenn zurückzubringen, die sie kannte, doch die Stimme in meinem Kopf entgegnete nur ein gehässiges: „Ihre Tochter, wie sie sie kannten und liebten, ist tot." Und ein Brüllen entriss sich meiner Kehle und hallte in den Straßen wider.
 
Tief gruben sich meine Krallen in ihre Oberarme. Blut vermischte sich mit dem Regen und färbte den nassen Boden rot. Der beißende Geruch stieg mir in die Schnauze und ich konnte beinahe den metallischen Geschmack auf der Zunge spüren. Mein Kopf senkte sich wie in Zeitlupe herab und meine Zunge schleckte über mein Maul. In der nächsten Sekunde umschlossen meine Reißzähne schon ihr Schlüsselbein und der Geschmack des Blutes breitete sich in meinem Maul aus. Der Knochen zerbarst wie ein Streichholz zwischen meinen Zähnen und mein Raubtier ließ es nicht bleiben sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Brustkorb meiner Mutter zu stellen. Rippen knackten und brachen mit einem hässlichen Geräusch und jedes schmerzerfüllte Stöhnen ließ mein Herz weiter zerbrechen. Mit verzerrtem Gesicht wurde meine Mutter schließlich ohnmächtig.
Innerlich weinte ich um sie, doch mein Körper gab nur ein wütendes Brüllen von sich, und rammte meine Zähne in ihren Hals. Ich drückte zu und spätestens jetzt war sie tot.
 
Ich bekam wieder die Kontrolle. Doch mit der Menschlichen Gestalt kehrte auch die Schwäche zurück und ich brach, kaum dass ich stand, neben dem schlaffen, blutüberströmten Körper zusammen. Dann weinte ich. Weinte bis keine Tränen mehr da waren die man vergießen konnte. Und sie ließen mich weinen, ließen mich den Schmerz bis ins kleinste Detail fühlen und ertragen, in der Dunkelheit in einer einsamen Straße. 


Der Großteil dieses Kapitels wurde von Prinzessin_Ke geschrieben. Vielen vielen Dank♥️ist echt mega geworden!
 

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