In Gesundheit und Krankheit

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Als ich an diesem Morgen aufwachte, hatte ich Kopfschmerzen. Und was für welche. Ich dachte, mir würde gleich der Schädel aufplatzen. Sapienzia hatte sich schutzsuchend in eine Ecke meines Geistes verkrochen und mir war klar, dass sie erst dort herauskommen würde, wenn dieser Schmerz überstanden war. Ben neben mir war schon wach und hatte mich beim schlafen beobachtet. „Guten Morgen, meine Schöne.", sagte er lächelnd. „Guten Morgen.", murmelte ich verschlafen und drehte mich zu ihm. Im nächsten Moment verzog ich vor Schmerz das Gesicht. Bewegen war keine gute Idee. Ben sah mich besorgt an. „Was ist denn los?" „Kopfschmerzen.", grummelte ich und schloss die Augen. „Schlimm?" „Und wie." Er seufzte. „Ich schaue mal, ob ich noch Schmerzmittel da habe." Ich spürte, wie das Bett wackelte, als er aufstand und hörte das Zischen der Tür, als er den Raum verließ. Bald darauf zischte sie wieder und ich hörte Ahsokas Stimme. „Kopfschmerzen? Hast du letzte Nacht zu viel getrunken?" „Nein.", knurrte ich. „Na ja, weißt du, das kann schon mal passieren, dass man die Kontrolle verliert und zu viel-" „Nein! Ich habe nicht zu viel getrunken, und das weiß ich so genau, weil ich überhaupt keinen Alkohol trinke. Genauso viel halte ich von sonstigen Drogen!" „Ist ja gut.", wiegelte Ahsoka ab. „Eigentlich wollte ich dich nur ärgern. Aber dazu bist du offensichtlich nicht in der Stimmung." Sie lachte. Das Geräusch ließ meinen Kopf wie eine Glocke dröhnen. „Ich muss jetzt los, aufräumen. Hätte ich gestern nur die Finger von den Luftschlangen gelassen! So eine Sauerei habe ich selten gesehen, und ich habe immerhin in einem Krieg gekämpft, da ist es nicht sehr oft ordentlich. Jedenfalls bis später und gute Besserung!" Wieder ein Zischen der Tür. „Bis später, Meister!" „Bis später, Ahsoka. Viel Spaß!" Ben trat neben mich. „Sayuna? Du musst das hier trinken." Ich ließ die Augen geschlossen und nickte – dumme Idee. Der Schmerz explodierte. Ben sah, dass ich alleine nicht hochkommen würde, stellte das Glas ab und half mir. Mit dem Erfolg, dass ich mich im nächsten Moment über den Bettrand erbrach. „Ach du liebe Güte", murmelte Ben. „Tut mir Leid!" „Das macht doch nichts, das wische ich gleich weg. Jetzt trink das erst." Er hielt mir das Glas an die Lippen und ich trank es komplett aus. Glücklicherweise nahm die Flüssigkeit das meiste des schlechten Geschmacks mit. Dann ließ ich mich stöhnend aufs Kissen zurück sinken. „Möchtest du etwas essen?", fragte Ben. Ich wies mit dem Finger auf den unappetitlichen Fleck auf dem Boden und sagte: „Das ist meine Antwort." Ben lachte. „Ist eigentlich logisch. Bin gleich wieder da." Zum wiederholten Male zischte die Tür. Erst, als er ging und dann, als er mit einem Eimer Wasser und einem Lappen zurückkehrte. Ich lauschte mit geschlossenen Augen auf das Schaben des Lappens auf dem Boden. Ein angenehmes Geräusch. Leise und gleichmäßig und beruhigend. Einschläfernd. Ich schlief ein.

Als ich wieder aufwachte, fror ich entsetzlich. Zitternd zog ich die Decke über mich. Dann bemerkte ich Ben, der mit besorgter Miene auf einem Stuhl neben dem Bett saß, ein Datenpod vergessen in seiner Hand. „Wie fühlst du dich?" „Kalt!" Er nickte ernst und warf eine weitere Decke über mich. Dann fuhr er mit der Hand über meine Stirn. „Liebling, du glühst. Hör auf, zu frieren, okay? Da steigt nämlich die Temperatur. Versuch lieber, zu schwitzen!" „Ich werde es versuchen.", zwängte ich durch meine klappernden Zähne. „Gut. Schlaf jetzt. Schlaf ist die beste Medizin. Ich bleibe hier und passe auf dich auf." Ich sparte mir die Antwort, schloss die Augen und schlief sofort wieder ein.

Das war das letzte klare Gespräch, an das ich mich erinnern konnte. Bald konnte ich wachen und schlafen nicht mehr unterscheiden, alles verschwamm in einem wirren Schleier, der sich durch die Tage oder Minuten oder Stunden oder Jahre zog. Ich wusste es nicht, mein Zeitgefühl war hoffnungslos verloren. Allerdings hätte es mir auch nicht weitergeholfen, das zu wissen. Ich glühte und war im nächsten Moment ein Eisblock, ohne dass es einen Übergang gab. Ich war auf einem anderen Planeten. Schüsse. In einem Krankenhaus. Schreie in einem Urwald, dessen Blätter über meinen Körper strichen. Um mich herum Feuer. Nein, Wasser. Direkt neben mir schoss ein Geysir aus dem Boden. Wasser. Nein, es war Lava, die jetzt kochend heiß über meinen Körper lief. Ich brannte. Ich fror Feuer Baum Haus schwarz Kinderlachen Schüsse Sterne Coruscant Podrennen Holo-Net Ben Sand Palmen Sonnenstrahlen Kiste Ball Planet. Ich verlor den Überblick über das Gedankenkaleidoskop. Aber irgendwie gelang es mir, mich so zurückzuziehen, dass ich es nur von außen betrachtete, anstatt mittendrin zu stecken. Ich konnte wieder einigermaßen klar denken. Und ich wartete. Wartete darauf, dass das Chaos sich legte. Dagegen tun konnte ich nichts. Ich begriff jetzt, dass das Fieberträume waren.

Obi-Wan

Sie glühte und schlug um sich. Schon seit Stunden war sie nicht mehr wach gewesen, das letzte Mal hatte sie ihn nicht erkannt. Die Medikamente wirkten nicht. Ahsoka trat neben ihn. „Noch keine Verbesserung?" Er schüttelte den Kopf, ohne seinen Blick von Sayuna zu lösen. „Ganz im Gegenteil, ihre Temperatur wird langsam lebensgefährlich." „Warum?" „Menschliche Eiweiße zerfallen, wenn die Temperatur zu hoch wird. Sie steht kurz davor." „Na, dann müssen wir etwas unternehmen!" „Und was schlägst du vor?" „Eine Stase-Behandlung. Wir versetzen sie in einen Winterschlaf, dann haben wir mehr Zeit, ihren Körper zu heilen." Sie reichte ihm einen Datenpod, auf dem die einzelnen Schritte aufgelistet waren. Als er die Liste überflog, schöpfte er neue Hoffnung. Das konnte funktionieren. Aber erst mussten sie Sayuna informieren. Er versuchte gar nicht erst, laut mit ihr zu sprechen, das wäre sinnlos gewesen. Stattdessen streckte er meine geistigen Fühler nach ihr aus. Ihr Bewusstsein war getrennt. Seltsam. Der größere Teil von ihr war nur ein Wirbel aus Gedanken und Gefühlen. Er ignorierte ihn und konzentrierte sich stattdessen auf den kleineren Teil, der ruhig und entspannt etwas weiter weg schwebte. Sayuna? - Ja? Er war so erleichtert, als er ihre Antwort hörte. Ich will dir keine Illusionen machen. Du stehst an der Schwelle zum Tod. Aber Ahsoka hat eine mögliche Behandlung gefunden. - Okay. Und die wäre? - Eine Stase. Wir versetzen dich in einen tiefen Winterschlaf und sammeln dann mithilfe der Macht die Krankheitserreger aus deinem Körper. Dazu müssen wir aber deine gesamten Körperfunktionen anhalten. Währenddessen wirst du denken, dass du erstickst, musst aber dem Drang, zu atmen, widerstehen, verstehst du? Du wirst natürlich nicht wirklich ersticken. Das würde ich nie zulassen! Sobald du in Stase bist, bekommst du dann gar nichts mehr mit.- Okay. Wann fangt ihr an? - Du hilfst uns? Du wirst nicht versuchen, dagegen anzukämpfen? - Ich helfe euch. Ich will noch nicht sterben - Okay. Wir sehen uns bald wieder! - Ja, bis bald . Er erschrak darüber, wie schwach ihre Stimme war, als der Kontakt abbrach. Sie hatten nicht viel Zeit. Er öffnete seine Augen wieder und nickte Ahsoka zu. Dann schlossen sie gleichzeitig die Augen wieder, um äußere Einflüsse so weit wie möglich abzuhalten. Schon der kleinste Fehler konnte Sayuna töten. Ahsoka löste sich im gleichen Moment fast von ihrem Körper wie er. Ihre Geister verschmolzen miteinander. Es gab kein ich mehr, nur noch wir. Wir waren eins. Wir sahen durch die Macht auf Sayuna herunter. In unserem Inneren verwirbelten Liebe, Sorge, Freundschaft und Mitgefühl. Dann ergriff uns die Angst, die Angst um ihr Leben. Wir erkannten, dass wir sie liebten, tief und innig. Die Zeit des Zögerns war vorbei, wir mussten handeln. Ohne uns weiter mit Sorgen aufzuhalten, tauchten wir in ihren Körper ein und widerstanden dem Instinkt, vor der unglaublichen Hitze zurückzuschrecken. Niemals hätten wir gedacht, dass ein menschlicher Körper so heiß sein konnte. Zielstrebig streckten wir unsere Fühler zuerst in ihr Gehirn aus, dann in ihr Herz und dann in ihre Lunge. Wir blockierten die elektrischen und chemischen Impulse im Gehirn so gut es ging, während wir gleichzeitig den Herzschlag verlangsamten und ihre Atmung unterbrachen. Es tat uns in der Seele weh, dass wir sie praktisch töten mussten. Aber sie half uns. Nicht ein einziges Mal versuchte sie, gegen unsere Kontrolle über ihren Körper anzukämpfen. Schließlich blieb ihr Herz stehen. Das Gehirn gab keinen Mucks von sich, die Lunge war reglos. Sie war theoretisch tot. Wir minderten unsere Angst mit dem Gedanken daran, dass wir sie wieder aufwecken würden und verbannten alle Zweifel. Wir mussten uns nun konzentrieren, damit unserer Suche nichts entging. Wir begannen an ihrem Kopf, rauschten durch ihre Adern und durchkämmten jede einzelne Zelle. Die winzigen Viren hatten sich bereits auf erschreckende Weise verbreitet. Wir sogen sie alle aus ihrem stillen Körper, sodass sich wenige Zentimeter über ihrer Brust bald eine schwarze, wabernde Kugel bildete. Als wir bei ihren Hüften angelangten, war die Kugel bereits so groß wie ein Golfball. Während wir ihre Beine reinigten, schwoll sie auf die doppelte Größe an. Durch ihre Fußsohlen verließen wir ihren Körper. Nun sahen wir sie nur von außen, mit der bedrohlich wirbelnden Kugel über ihrer Brust. Glücklicherweise hatten wir bereits alles hergerichtet. Wir öffneten unsere stofflichen Augen und standen von unseren Stühlen auf. Vorsichtig bewegten wir uns durch die Gänge unseres Zuhauses, bevor wir zur Tür der Brennkammer kamen. Dort ließen wir die Kugel in die Kammer schweben und schlossen die hermetisch verriegelte Tür. Dann drückte eine unserer Hände auf den Brennknopf. Nur einen Sekundenbruchteil später ließen wir die Kugel los und spürten, wie jedes einzelne Atom darin verbrannte. Wir verspürten einen kurzen Anflug von Erleichterung, der gleich wieder von der Sorge um Sayuna getrübt wurde. Wecken war schwerer als einschlafen lassen. Und wir waren müde.

Zeiten des Imperiums: TatooineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt