Meine Kleine

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„Sara.", flüsterte ich und berührte mit einem Finger ihre winzige Hand. „Hallo, meine Kleine." „Sara ist ein schöner Name." Ich registrierte nur am Rand, wie heiser und benommen Bens Stimmt klang. Meine gesamte Aufmerksamkeit war auf meine Tochter gerichtet. Sie war wunderschön. Um mich herum blieb die Welt stehen.

Irgendwann rüttelte Beru leicht an meiner Schulter. „Sayuna, der Arzt muss sich kurz um sie kümmern! Danach bekommst du sie gleich wieder, versprochen." Widerstrebend riss ich mich von ihren Augen los und erlaubte dem Arzt, sie zu nehmen. Während er Sara versorgte, beobachtete ich ihn ganz genau, um zu sehen, wie er sie hielt. Dann legte er sie wieder in meine Arme und befreite mich von dem Durcheinander an Tüchern und Schläuchen um mich herum. Beru und Kuhn nahmen es auf sich, mein Bett aus dem OP-Saal zu fahren. Meine Umgebung verschwamm. Das kleine Mädchen in meinen Armen war mein einziger Fixpunkt in dieser Galaxis. Inzwischen war sie eingeschlafen und ich bewunderte ihre entspannten Züge. Babys mit ihren runden Wangen und kleinen Näschen sahen sich ja alle ziemlich ähnlich, aber ich glaubte, Ben in ihrem Gesicht zu erkennen. Man sollte meinen, dass ich von dem Stress der Geburt – sonderlich hektisch war es ja nicht, aber auch die Betäubung fordert so einiges vom Körper – todmüde wäre, aber das war ich nicht. Ich war hellwach, das Adrenalin pumpte durch meine Adern. Mir war völlig klar, dass ich jetzt nicht schlafen durfte. In den ersten Stunden nach der Geburt brauchte meine Tochter mich am meisten. Ich konnte sie nicht alleine lassen.

Bald kam eine der Dienerinnen des Palastes und zeigte mir, wie genau man mit einem Baby umging. Natürlich hatte ich viel darüber gelesen, aber Sara war so klein, dass ich Angst hatte, sie zu zerbrechen. Deswegen war ich sehr dankbar für diese Hilfe. Nach dieser Lektion zogen sich die Dienerin, Kuhn und Breha taktvoll zurück. Meine Tochter hielt mich gefangen, und obwohl sie gerade erst geboren war, konnte ich nicht aufhören, sie zu bewundern. Ich liebte sie. Mehr als mein Leben. Mehr als Ben. Ich würde alles für sie tun. Da traf mich die Erkenntnis. Die Verantwortung war erdrückend. In meinen Armen lag dieses wunderbare Wesen und schlief vertrauensvoll. Vertrauensvoll. Sie zählte auf mich. Sie rechnete damit, dass ich mich um sie kümmerte. Dass ich dafür sorgte, dass sie gut durchs Leben kam. Dass ich ihr beibrachte, selbstständig zu werden. Dass ich ihr half, ihren Weg zu gehen. Ich hatte keine Bestimmungsgewalt mehr über mein eigenes Leben. Ab jetzt musste ich mich immer, in jeder Hinsicht, nach meiner Tochter richten. Und dieses Gefühl machte mir Angst.

Die Tür flog auf und gegen die Wand. Sara, die ich gerade stillte, ließ meine Brustwarze los und weinte vor Schreck. Ich strich über ihren Kopf und machte beruhigende Laute. „Schhh, meine Kleine, alles gut. Dir passiert nichts. Mama ist ja da. Keine Angst, ich passe auf dich auf." Langsam wurde sie wieder ruhiger. Den Neuankömmling bemerkte ich erst gar nicht. Dann sah ich vom Gesicht meiner Tochter auf und bemerkte Ben. Er war hier. Er war hier! Staunend sank er neben meinem Bett auf die Knie. Ihm schienen die Worte zu fehlen. Sein Blick wechselte zwischen fragend in meine Richtung und bewundernd zu meiner – seiner – unserer Tochter. „Wow.", hauchte er schließlich. „Das ist unsere?" Ich nickte. „Sie ist ... unglaublich. Danke, dass du sie in mein Leben gebracht hast." Er küsste mich auf die Stirn. „Darf ich?" Sie hatte offenbar fertig getrunken, deshalb gab ich sie ihm mit einem Lächeln. Dieses Bild würde ich nie vergessen: Ben, der Sara unbeholfen hielt und mit dem liebevollen Blick, der bis jetzt für mich reserviert gewesen war, auf sie herunterblickte.

Wir verbrachten noch etwa eine Woche auf Alderaan, bis sowohl Sara als auch ich uns genug erholt hatten, um die Reise antreten zu können. Nach dem anfänglichen Freudentaumel fragte ich Ben, warum er Tatooine plötzlich doch verlassen hatte. Ohne den Blick von Sara abzuwenden, antwortete er, dass der Zeitraum, in dem er weg sein würde, nach der Geburt absehbar war. Die Zeit verging wie im Flug. Nachts schlief ich so schlecht, dass ich beim kleinsten Geräusch von Sara aufwachte, selbst, wenn sie nur anfing, leise zu schnarchen. Bei unserer Abreise gab Ben mir unbekannte Koordinaten in den Navcomputer ein, mit der Erklärung, wir müssten einen alten Freund besuchen. Schließlich landeten wir auf Dagobah und wanderten quasi endlos durch die Sümpfe.

„Ich grüße Euch, Meister." Ben verbeugte sich. Yoda konnte ich nicht sehen, weil er im Eingang seiner Hütte stand und aus meinem Blickwinkel von den Wänden verdeckt wurde. „Willkommen. Was mir verschafft die Freude deines Besuches?", fragte Yodas kratzige Stimme. Sara regte sich in meinem Arm und ich wiegte sie sanft, damit sie ruhig blieb. „Mit Verlaub, ich möchte Euch mit jemandem bekannt machen. Ich hoffe, Ihr werdet sie mögen." Er winkte uns zu sich. Ich trat neben ihn und konnte den kleinen grünen Jedi-Meister jetzt auch sehen. Ben legte einen Arm um uns. „Meister, dies sind Sayuna und Sara.", stellte er uns vor. „Meine Ehefrau und meine Tochter." Beklommen warteten wir auf das Yodas Urteil. Er sah uns einige Sekunden ausdruckslos an. Sein faltiges Gesicht verriet nichts. Dann sprach er. „Eine Frau und eine Tochter du hast." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ben nickte. „Gegen den Kodex das ist.", fuhr Yoda fort. Mein Mann senkte den Kopf. „Ich weiß, Meister." „Du es bereust?" Yodas grüne Augen musterten Ben prüfend. Der schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Sie sind das Beste, was mir je passiert ist." Yoda nickte bedächtig. „Dann wohl Glückwünsche angebracht sind, zu eurer Heirat und zur Geburt eurer Tochter." Ein Stirnrunzeln überzog das Gesicht des Meisters, als er sich mir zu wandte. „Sayuna, die Kleine sehen ich darf?" Ich ging in die Knie, damit er einen Blick auf Sara werfen konnte. Meine Tochter giggelte. Jetzt verzogen sich Yodas Gesichtszüge zu einem Lächeln. „Wunderschön sie ist." Er fuhr mit einem krummen Finger vorsichtig über ihre Wange. Dann wandte er sich abrupt wieder an Ben. „Deine Pflichten du darüber nicht vergessen wirst, ich hoffe." „Nein, Meister. Ich weiß, warum ich auf Tatooine lebe." „Gut, gut. Wer von euch Hunger hat?"

Das Essen bei Yoda war, sagen wir mal, interessant. Während der alte Jedi-Meister mit sichtbarem Genuss aß und Ben und ich das Zeug widerstrebend hinunterwürgten, erzählten wir alles, was bisher geschehen war. Als Yoda von Ahsokas Tod hörte, senkte er traurig den Kopf. Dann erzählte ich von Sapienzia und er war Feuer und Flamme. „Mit ihr sprechen ich kann?" Da bemerkte ich etwas, was ich eigentlich schon früher hätte merken sollen. Sapienzia war nicht bei mir. Sie war nicht weg, ich spürte noch immer unsere Verbindung, aber sie war ... nicht erreichbar. Seltsam. „Vielleicht erneut sie wecken wir müssen. Sie sich hat zurückgezogen, um zu schützen deine Tochter. Genau wie sie getan hat in deiner Kindheit, Sayuna." „Stimmt.", sagte Ben. „Diese Parallelen sind mir noch nicht aufgefallen!" Ich seufzte tief und legte Sara in Yodas Bett, bevor ich mich vor der Hütte hinsetzte. Yoda und Ben setzten sich im Schneidersitz mir gegenüber. Dann drangen sie in meinen Geist vor.

Es war nicht so überwältigend wie beim letzten Mal. Einerseits wusste ich, was mich erwartete und andererseits fehlten Sapienzia nicht die Erinnerungen des letzten Jahrtausends, sondern nur die der letzten sechs Monate. Ich begrüßte sie. Hallo, Sapienzia. Schön, dass du wieder da bist. Hallo, Sayuna. Herzlichen Glückwunsch zur Geburt der kleinen Sara! Ich lächelte. Danke! Und nachdem sie sich ausführlich mit Yoda unterhalten hatte, verließen wir Dagobah, um endlich nach Hause zurückzukehren.

Zeiten des Imperiums: TatooineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt