Grimassen im Spiegel

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Glücklicherweise dauerte der Heimweg nicht sehr lange. Bald gingen wir uns Zuhause auf die Nerven anstatt im Schiff. Na gut, Ben und ich gingen uns nicht gerade auf die Nerven, eher an die Wäsche. Allerdings dauerte es nicht lange, bis eine Nachricht von Bail kam. Die Rebellen auf Shili brauchten Hilfe. „Hat es etwas mit den Zwillingen zu tun?" Der blaue Hologramm-Bail schüttelte den Kopf. „Nein, hat es nicht. Tut mir Leid. Aber es sind viele Zivilisten in Gefahr, und das können wir nicht dulden." Ahsoka sprang auf. „Was? Mein Volk? Wir müssen sofort los!" Sayuna, du bleibst hier. Ich seufzte. „Ihr müsst ohne mich gehen, Leute." Ahsoka nickte, aber Ben sah mich zweifelnd an. „Kommst du ohne uns klar?" Ich lächelte ihn an. „Natürlich. Geh nur. Im Notfall habe ich ja immer noch Sapienzia." Er küsste mich leidenschaftlich. „Deswegen habe ich dich geheiratet." „Wegen Sapienzia?" Ich wusste genau,was er eigentlich meinte, verstand ihn aber absichtlich falsch. Er verdrehte die Augen. „Ganz genau. Wegen Sapienzia. Ich liebe sie, du bist nur das lästige Anhängsel." Danke. Aber ich liebe ihn nicht. Ich grinste ihn süffisant an. „Weißt du, was sie gerade gesagt hat?" „Nein, natürlich nicht." „Sie hat gesagt, sie würde dich nicht lieben." Er wich zurück, einen tief getroffenen Ausdruck auf dem Gesicht. „Oh nein... die Liebe meines Lebens - zerstört!" Ich lachte. „Los, geh packen!" Er warf mir einen Luftkuss zu und verschwand in Richtung Schlafzimmer. Ahsoka war schon lange weg. Ich beschloss, ihr meine Hilfe beim Packen anzubieten. Sie hatte den Kommunikator in ihr Zimmer mitgenommen und ließ sich gerade von Bail instruieren während sie mit fragendem Gesichtsausdruck zwei Hosen in der Hand hielt. „Die linke.", sagte ich, als ich das Zimmer betrat. „In der kannst du dich besser bewegen." Sie warf mir ein dankbares Lächeln zu und stopfte die von mir ausgewählte Hose in die kleine Tasche, die auf ihrem Bett stand. Dann nahm sie ihr Shoto, das kürzere der beiden Lichtschwerter, in die Hand und betrachtete es nachdenklich. Dann drückte sie es kurz entschlossen mir in die Hand. „Es gehört dir. Nur für den Fall. Sapienzia weiß doch bestimmt, wie man damit umgeht." Ja. Ich war überwältigt. „Dein Lichtschwert? Wirklich?" Sie nickte. „Ja, wirklich. Es ist schon nicht einfach, eins zu verbergen, geschweige denn zwei! Und wenn ich es ohnehin hier lasse, kannst du es genau so gut nutzen." Ich schloss sie in die Arme. „Danke!" Sie lachte und erwiderte meine Umarmung. „Keine Ursache. Für dich immer gerne!" Ich drückte sie noch fester, dann ließ ich sie los. „Bist du fertig?" Sie nickte. „Gut, gehen wir doch schon mal ins Oberhaus. Dort können wir auf Ben warten."Wir legten den Weg stumm zurück. Ahsoka war vollkommen in Gedanken versunken. Ich konnte das verstehen, schließlich ging es um ihren Heimatplaneten. Dann warteten wir ebenso still auf Ben, der ewig nicht auftauchte. Mein Blick ruhte auf einer der überquellenden Truhen. Wir achteten immer darauf, dass das Oberhaus möglichst bewohnt aussah, offiziell gab es das unterirdische Labyrinth gar nicht. Die Tür zur Treppe lag klischeehafterweise hinter einem Bücherregal in einer dunklen Ecke. In den oberirdischen Räumen wies nichts darauf hin, dass Ahsoka und ich auch hier lebten.

Endlich schwang das Bücherregal hervor und Ben betrat den Raum. Ich erkannte ihn zuerst gar nicht. Er rieb sich über das Kinn. „Du liebe Güte, ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, diesen Bart abzurasieren!" Ich strich über seine glatte Wange. Es war unglaublich, wie sehr der fehlende Bart sein Gesicht veränderte. Er sah so viel jünger aus. Das war wohl auch der Plan gewesen. Ein verändertes Aussehen. Ich war plötzlich froh darüber. So wurde er wohl weniger erkannt und das wiederum erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass er wohlbehalten zu mir zurückkehrte. Ich umarmte Ahsoka noch einmal zum Abschied. Dann sagte sie: „Ich - ähm - warte draußen." Ben nickte. „Ich bin gleich da." Die Tür zischte und wir waren allein. „Komm bald zu mir zurück." „Immer." „Pass auf dich auf." „Natürlich." „Auch auf Ahsoka?" „Auch auf Ahsoka." „Okay. Bis bald." Er schloss mich fest in die Arme. „Bis bald." Dann küsste er meine Stirn und ging. Ich weiß nicht, wie lange ich auf die verschlossene Tür starrte und mich auf Bens und Ahsokas Machtpräsenz konzentrierte. Dann entfernten sie sich zu weit. Sie hatten den Planeten verlassen. Und ich war allein.

Sie fehlten mir schon nach wenigen Stunden. Das Haus war zu leer. Ich brauchte unbedingt Gesellschaft. Ich sah auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Verdammt, es war wohl zu spät, um Beru zu besuchen. Ich streifte unruhig durch die Gänge und landete schließlich im Badezimmer. Wenn ich schon wach war, konnte ich genauso gut baden.

Nur wenig später war die Wanne mit heißem Wasser und dichtem Schaum gefüllt. Ich ließ mich hineingleiten und seufzte zufrieden als die Wärme mich umfing und meine Muskeln entspannte. Ich machte mir jetzt schon Sorgen. Dabei saßen sie nur in dem Schiff, das Bail für uns in Mos Eisley stationiert hatten. Shili hatten sie noch nicht mal erreicht. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich sie nicht unversehrt wiedersehen würde. Ich hätte eine Idee. Immer her damit, welche denn? Ich könnte üben, deinen Körper zu beherrschen. Wie meinst du das? Na ja, ich stelle mich ja ziemlich ungeschickt an. Und es wäre nicht schlecht, wenn ich etwas Übung bekommen würde. Na dann. Fang doch gleich mit dem Haarewaschen an. Okay. Aber pass auf, dass ich keine Seife in die Augen bekomme. Das ist nämlich ziemlich unangenehm. Ich gebe mein bestes. Und das tat sie wirklich. Sie übernahm meinen Körper und wusch mit gelegentlichen Rückfragen mein Haar. Ich spürte, wie sie konstant meine Erinnerungen durchsuchte. Vor ihr konnte ich wirklich keine Geheimnisse haben. Niemand kannte mich so gut wie sie, nicht einmal Ben. Dass ich dich kenne bedeutet nicht, dass ich dich verstehe. Mit der Zeit wirst du das. Ich hoffe es. Dann war sie vollauf damit beschäftigt, den Wasserhahn aufzudrehen. Als ich das merkte, griff ich ein. Lass mich das bitte machen. Ich möchte wirklich keine Seife in den Augen haben. Erleichtert überließ sie mir wieder die Kontrolle, beobachtete aber ganz genau, was ich tat und wie meine Muskeln, Sehnen und Knochen sich dabei bewegten. Dann stieg ich aus der Wanne, trocknete mich ab und föhnte meine Haare. Dann wandte ich mich an Sapienzia. So, du ziehst mich jetzt an. Zuerst müssen wir ins Schlafzimmer. Ich machte drei Schritte, damit sie die Bewegungsmuster sah, dann war sie an der Reihe. Mühsam bewegte sie ein Bein nach dem anderen. Meinen Oberkörper musste ich selbst stabil halten. Es dauerte eine Ewigkeit und drei Tage, bis wir unser Ziel erreichten, aber wir schafften es.

Obi-Wan

Nein!

Sayuna

Endlich standen wir vor dem Schrank. Sapienzia experimentierte jetzt mit meinen Armen, während ich das Stehen übernahm. Sie machte einige unnatürlich aussehende Verrenkungen, dann schaffte sie es, die Schranktür zu öffnen. Wir beschlossen einstimmig, die Förderung ihres Stilgefühls auf später zu verschieben und nach einigen Versuchen bekam sie endlich ein Kleid zu fassen. Hosen mit Knöpfen waren definitiv noch zu kompliziert. Die drei Fehlschläge beim Anziehen waren kaum der Rede wert. Mit einiger Kraftanstrengung schaffte sie es noch, meinen Körper aufs Bett zu setzen, dann war sie fürs Erste erschöpft. Ich lobte sie überschwänglich. Sehr gut! Für den ersten Versuch war das klasse! Ich hätte es besser machen können. Hm. Warum siehst du dir nicht meine Erinnerungen an, wie ich all diese Bewegungen gelernt habe? Genau das ist das Problem. Du hast keine Erinnerungen daran. Es ist zu lange her. Und ich habe keine Erinnerungen daran, weil ich diese Zeit verschlafen habe. Die Bewegungsmuster sind bei dir einfach einprogrammiert, aber ich komme nicht an den Quellcode heran. Siehst du das Problem? Ich glaube schon. Gibt es noch etwas anderes, was helfen würde? Ja, du solltest etwas essen. Dein Magen ist komplett leer. Wie zur Bestätigung knurrte mein Magen und mir wurde bewusst, dass ich tatsächlich Hunger hatte. Na dann pass mal auf und merke dir die Bewegungen! Ich ging in die Küche und setzte Nudelwasser auf. Während ich kochte, verfolgte Sapienzia die Befehle, die durch meine Nerven wanderten und die entsprechende Reaktion meiner Muskeln mit Adleraugen. Das Essen selbst übernahm sie. Und nachdem sie uns das erste Mal die Zunge verbrannte, lernte sie, dass man bei heißem Essen zuerst pustete.

Wir verbrachten einige Tage damit, und mit der Zeit lernte sie, wie sie meinen Körper bewegen musste. Nach einer Woche kochte sie, wusch mein Haar und putzte alles blitzblank, ohne jemals Gleichgewicht oder Kontrolle zu verlieren. Dann machten wir uns an die Authentizität. Sie musste es schaffen, sich ganz normal zu verhalten. Deshalb saßen wir auf einem Stuhl vor dem Spiegel und ich versuchte vergeblich, ihr das Lächeln beizubringen. Ihr Lächeln sah aus wie ein Zähnefeltschen. Ihr fragender Gesichtsausdruck sah so aus, als würden ihr gleich die Augen aus den Höhlen fallen. Und ihr wütendes Gesicht sah seltsam komisch aus. Ich seufzte innerlich. Wir hatten wohl noch einige Arbeit und einige Grimassen im Spiegel vor uns.

Zeiten des Imperiums: TatooineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt