Kapitel 41

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Die Mathematik war vergessen. Und mit ihr schob sich unsere gesamte Unterhaltung in den Hintergrund, bis sie sich als Schatten in irgendeiner Ecke auflöste.
Der Spannungspegel im Raum stieg. Die Nervosität meines Gegenübers färbte auf jedes noch so kleine Teilchen im Raum ab. Mit einem nun ernsten Gesicht stieß er sich vom Schreibtisch ab und setzte sich auf das Bett.

„Es... es geht um deine Familie." War es vor wenigen Minuten noch mein Plan gewesen lediglich dieses Gespräch zu beenden, so bekam ich jetzt den Drang, wie unsere Unterhaltung im Nichts zu verschwinden. Die letzten Gespräche mit den Jungs hatten schon alles notwendige offenbart, was diese über mein Leben wissen mussten und ich sah keinen Grund dieses Thema noch in irgendeiner Form zu vertiefen.
„Falls es um die Tatsache geht, dass ich hier bin, dann kann ich dich beruhigen, das ist noch immer kein Problem." Mein Gegenüber seufzte. „Das hätte ich zwar auch gefragt, ist aber nicht das eigentliche, weshalb ich hier bin. Ich....", der sonst so selbstsichere Leader stockte. Und auch wenn ich bezweifelte, dass er sich vorher nicht ungefähr Gedanken gemacht hatte, was er sagen wollte, schien er keinen wirklichen Plan zu haben, wie er geschickt fortfahren sollte.
„Du hast gesagt, du lebst mit deiner Mutter und deinem Stiefvater, richtig." Augenblicklich spannten sich meine Muskeln an. Dennoch blieb ich zunächst bei einem wortlosen Nicken. „Und dein Vater, also dein richtiger... ich meine... also... was ist mit dem?" Die Partien um meine Augen straften sich spürbar. „Was soll mit ihm sein?" Ich versuchte wirklich, mein gewohntes Zischen zu unterlassen, wusste allerdings schon bei der ersten Silbe, dass ich kläglich gescheitert war. „Naja, also... kennst du ihn oder... also habt ihr Kontakt irgendwie oder weiß er... weißt du, wer er ist?" Nun ballten sich auch meine Hände zu Fäusten. Ich hatte das Gefühl, mein gesamter Körper stehe unter Strom. „Ich wüsste weder, was dich das angeht, noch, was das mit der Situation hier zu tun hat." „Bitte, Tay, kannst du mir einfach die Frage beantworten? Es... es wäre wichtig. Ich erklär's dir auch gleich, versprochen." Unkontrolliert zuckte meine Augenlider zu und auf. Alles in mir verabscheute den Gedanken, sich auch nur eine weitere Sekunde mit diesem Thema zu beschäftigen.
„Nein, ich kenne ihn nicht. Und ich will es auch nicht", schaffte ich es nach einer elektrisierenden Stille herauszupressen. „Also weißt du gar nichts über ihn? Oder sein jetziges Leben-" „Komm zum Punkt." Immer mehr staute sich diese Anspannung in mir auf und drohte jeden Moment zu platzen.

Namjoon schien zu merken, dass ich keine Lust auf eine große Einführung hatte und gab sich mit einem tiefen Seufzer geschlagen. „Hoseok und ich, wir... wir glauben, wir wissen, wieso du hier bist."
Es war wie ein hohler Gong, der durch mein Gehirn hallte auf seinem Weg alles aus diesem vertrieb. Die Anspannung, die bis gerade eben noch jeden Winkel meines Körpers beherrscht hatte, schien mit einem Mal, wie eine einzige Fantasie.
Irritiert richtete ich meine nun wieder entspannteren Augen auf den Platinblonden, welcher von Sekunde zu Sekunde noch unruhiger zu werden schien. Was hatte er? Was hatte diese Fragerei gesollt? Und was hatte das eine mit dem anderen zu tun?

Ich kam nicht dazu, den Koreaner erneut dazu aufzufordern, mich endlich aufzuklären. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, öffnete Namjoon seine dunkelrote Jacke und fischte aus einer Innentasche ein weißes Papier hervor, welches er kurz mit zusammengepressten Lippen betrachtete, bevor er es mir hinhielt.
Bett und Schreibtisch standen nicht nah genug aneinander, als das ich mich einfach hätte nach vorne lehnen können. Stattdessen fand ich mich wenig später ebenfalls auf der Bettkannte wieder, wobei nun ich diejenige war, die das Blatt in den Händen hielt.

Angesicht der Nervosität, die sich noch immer in seinem Gesicht wiederfand, wandte auch ich meinen Blick nur recht zögerlich nach unten.
„Versprich mir, dass du mir gleich erst einmal zuhörst, bevor du", erneut unterbrach Namjoon sich selbst, „also... bitte bleib einfach ruhig, okay. Ich... ich kann dir das erklären."
Je länger er sprach, je unguter wurde das Gefühl, welches sich in mir ausbreitete. Da mein Nebenmann jedoch nicht so wirkte, als würde er noch groß etwas sagen, bis ich mir was auch immer angeschaut hatte, wandte ich mich schließlich dem Papier zu.

SWITCHED - Gefangen in einem fremden KörperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt