Kapitel 63

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Das Gefühl, mein gesamter Magen würde Achterbahn fahren, riss mich am kommenden Morgen aus dem Hauch an Schlaf, in welchen ich erschöpf weggedriftet war. Reflexartig sprang ich aus dem Bett und schwankte dann hinüber zur Tür, an welcher ich mich, am Türgriff abstürzend aus dem Raum zog. Mein Plan: schnellstmöglich ins nahegelegenen Bad flüchten, in welchem die Toilette mein einziges Ziel darstellte, auf welches ich mich konzentrieren konnte.
Ich musste mich nicht übergeben. Da war nichts mehr in mir, was ich hätte aus meinem Mage hochwürgen können.

Mein Magen und Rachen brannten, während mein Körper dennoch seinen Reflexen nachging und versuchte, auch den letzten Rest an Magenflüssigkeit auszuspucken. Erst, als mich auch noch ein Hustenanfall erzittern lies, hörten Bauch und Mund auf, sich zu verkrampfen und bis auf das leise Schniefen meiner Nase war nichts mehr im hallenden Bad zu hören.
Erschöpft lehnte ich mich an die kalten Fliesen rechts von mir. Die Augen wieder zur Hälfte geschlossen und die Gedanken darauf konzentriert, mich gleich nicht schon wieder über die Toilettenschüssel beugen zu müssen, atmete ich tief ein und aus.

Erst nach ein paar langen, krampfhaften Minuten schaffte ich es, mich am Waschbecken abstützend hochzuziehen, die Spülung zu betätigen und mich dem breiten Spiegel zuzuwenden. Vielleicht wäre ich bei meinem Anblick erschrocken, hätte ich mich nicht schon in der Nacht des öfteren so gesehen. Nur, dass ich jetzt nicht wieder im Bett verschwinden konnte, in der Hoffnung, die tiefen Augenringe und der noch blassere Hautton, als sonst, würden sich von alleine wieder legen.
In weniger als fünf Stunden würde mein Flug gehen, wie mir der kurze Blick auf die Digitaluhr verriet. Und da ich schwer davon ausging, dass ich nicht kurz vor knapp am Flughafen auftauchen sollte, hatte sich jegliche mögliche Ruhe in der Durchsichtigkeit der Luft aufgelöst.

Mit der Hoffnung, ein Schwall kaltes Wasser würde mich etwas wacher stimmen, formte ich meine Hände zu einer Schale und lies das kühle Nass in mein Gesicht klatschen.
Helfen, tat es wenig. Noch immer sah ich aus, wie ein Leiche und auch diese zerquetschte Grundasoziation, die man bei meinem Anblick bekam, blieb erhalten.
Kurz schwenkten meine Gedanken zu der Dusche hinter mir, schnell verwarf ich diese Idee jedoch wieder. Danach lies ich meinem Blick über meine Make-Up-Tasche streifen, doch auch bei dem Gedanken daran, mir dieses stinkende Zeug ins Gesichts zu klatschen, wurde mir nur noch schlechter. Und viel helfen würde es bei dem Ausmaß der Schrecklichkeit vermutlich auch wenig.

An schlechten Tagen half es mir meistens, einen selbstbewussten Blick in den Spiegel zu werfen und mir dann einfach einzureden, es sei alles in bester Ordnung. Heute bewirkte dies jedoch lediglich, dass ich es irgendwie zurück in mein Zimmer schaffte, wo ich mich mit Pulli und Jogginghose bewaffnet auf mein Bett sinken lies.
Es war das letzte Mal, dass ich hier geschlafen hatte und auch wenn ich nach dem DNA-Test nicht mehr daran geglaubt hatte, war es die mit Abstand beschissenste gewesen.

Die Haare unter der aufgesetzten Kapuze des schwarzen Pullis versteckt, welcher half, meinen Mitmenschen den totenähnlichen Anblick zu ersparen, startete ich wenig später abermals den Versuch, mich in Richtung Tür zu bewegen.
Die nächsten fünf Stunden würde ich so Wohl oder Übel - was ein Wortwitz - irgendwie durchkommen müssen. Was dann im Flugzeug passierte, war mir relativ gleich. Wobei ich bei meiner Verfassung vermutete, dass es eine recht schläfrige Reise werden würde.
Der einzige Lichtblick am Ende des dunklen Tunnels waren meine Freunde und der bevorstehende, traditionelle Sonntag-Mädelsabend. Einfach das Ende der Woche bei einem Drink unserer Lieblingsbar ausklingen lassen und über all den Mist reden, der in den letzten sieben Tagen passiert war. Gut, bei mir würde sich das ganze auf sieben-mal-fünf-Tage ausweiten. Und trotzdem konnte ich es gar nicht erwarten, endlich wieder meinen gewohnten Traditionen nachzugehen.

Anders wie sonst, traf ich an diesem Morgen auf niemandem, als ich in die Küche trat. Vermutlich lag dies an der doch recht frühen Uhrzeit. War ich die letzte Zeit meist ab acht oder spätestens halb neun ansprechbar gewesen, zeigte die Uhr in der Küche gerade Mal sieben Uhr an.
Das Licht war ebenfalls noch ausgeschaltet, die Vorhänge zugezogen. Jedoch bezweifelte ich stark, dass ich, sollte ich es wieder nach oben schaffen, noch einmal aus dem Bett kommen würde, was diese Variante ohne Diskussion ausschloss. Zudem wartete in meinem Zimmer noch eine schwarze Reisetasche darauf, wieder mit seinen Sache befällt zu werden, was ich aus Demotivation des letzten Abends auf heute Morgen geschoben hatte. Da hatte ich noch gehofft, der Schlaf würde die Schlappheit des vergangenen Abends ein wenig vertreiben. Dass es sich stattdessen ins Negative entwickeln würde, damit hatte ich nicht gerechnet.

Kaum hatten meine Gedanken angefangen, um den gestrigen Tag zu kreisen, wollte auch Seans Bild oder viel mehr seine Stimme und das, was sie gesagt hatte, nicht aus meinem Kopf verschwinden. „Und ich dachte, ich hätte über die Jahre wenigsten ein bisschen mal was in deiner Einstellung ändern können."
Ein Teil von mir wünschte sich, einfach wie ein kleines Kind in die Arme des Älteren zu rennen. Der Rest von mir hatte beinahe schon Angst vor den kommenden Begegnung.
Wie würde er reagieren? War er noch immer sauer? Was würde passieren, wenn er auch noch die ganze restliche Geschichte erfuhr? Die Sache mit Jungkook zum Beispiel. Nach seiner Reaktion auf mein Verhalten gegenüber Namjoon zweifelte ich stark daran, dass ihm dieses Szenario groß gefallen würde.

Während ich meine Gedanken mal wieder nicht davon stoppen konnte, sich zu drehen, in meinem Kopf herumzuschwirren und mir keine Ruhe zu lassen, hatte ich mich nicht von der Stelle bewegt. Noch immer leicht schwankend, stand ich verloren zwischen Theke und eigentlichem Küchenbereich und konnte von Glück sprechen, dass ich noch immer die einzige war, die sich bereits - wenn auch unfreiwillig - aus dem Bett gequält hatte.

Etwas leuchtend Oranges in eine plastischen Verpackung geriet in mein Blickfeld. Doch noch bevor mir bei dem Gedanken daran, etwas in diesen Körper einzufüllen, noch schlechter werden konnte, wurde ich in meiner völligen Einsamkeit gestört.
„Oh, Tay? Du bist also auch schon wach?" Ohne mich auch nur umzudrehen, stimmte ich der Aussage mit einem gerade so hörbaren Brummen zu. Bei wem es sich um den Neuankömmling hinter mir handelte, darauf hatte ich dabei ebenso wenig Wert gelegt, wie die Idee, mich langsam Mal vom Fleck zu bewegen.
„Wenn wir gerade schon alleine sind...", ich nutze die Pause den Frühaufstehers, um die Worte als welche zu identifizieren, „Denkst du, wir können noch einmal kurz reden? Also bevor du... ich meine du gehst ja dann heute." Erneut kam von mir nur ein zustimmender Laut. Und das auch früher, als das ich überhaupt verstanden hatte, was der Junge von mir wollte.
Kaum, dass ich das Gesagte und die Kernaussagen allerdings analysiert hatte, forderte eine funktionierende Gehirnzelle mich dazu auf, mich vielleicht mal zu wem auch immer umzudrehen. Was eine beschissene Idee....!

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SWITCHED - Gefangen in einem fremden KörperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt