In einem fremden Körper aufzuwachen ist alles, nur nicht lustig! Und sobald es dann darum geht, diesen Spuk wieder rückgängig zu machen, hat man den Moment erreicht, in dem es richtig spaßig wird...
Die Feelds - die düstere Seite der Los Angeler Inn...
Stille, das Schlagen zweier Autotüren, wieder Stille. Stumm liefen wir beide über den Parplatz, in Richtung der vielen Häuser des Geländes. Anscheinend steuerten wir einen der hintersten der riesigen Wohnungsblöcken an. Jedenfalls steuerte Hobi einen Punkt in jener Richtung an, ich schritt einfach nebenher. Aus welchem der Gebäude mit den grau-silbrigen künstlerischen Stützkonstruktionen wir vorhin getreten waren, hatte ich vergessen, sobald wir auch nur einen Block weiter gelaufen waren. Ich kannte diese perfekte Ordentlichkeit. Im Garingway zuhause sah es nicht sonderlich anders aus. Zwar waren es dort keine hochmodernen Wohnungsreihen, die ein Vorbeifahrender erblickte, sondern große, individuelle Grundstücke, die in der Regel durch einer kastenartigen Hecke von einander abgetrennt waren, im Endeffekt gefiel mir allerdings weder das eine, noch das andere so wirklich. Egal, wie man es drehte, am Ende wirkte diese ganze Anlage auf mich einfach nur kalt - trist und kalt. Und das trotz der wunderbaren Symmetrie, die hier herrschte. Vermutlich lag es einfach am Ort selber, dass mir kein Zentimeter der Anlage gefallen wollte.
„Hat doch eigentlich ziemlich gut funktioniert", eine kurze Pause entstand, „Also mit dem Tanzen meine ich." Es war der erste Gesprächsversuch, seit wir den Trainingsraum, dessen Horrorspiegel ich bereits am Vortag hatte kennenlernen dürfen, verlassen hatten. Womöglich lag es daran, dass wir beide, Hobi und ich, doch gut geschafft vom Sport waren. Genausogut konnte es jedoch sein, dass ich mir das ganze nur einredete, damit nicht ich diejenige war, die für die Stille die Verantwortung tragen konnte. Ich beließ es bei einem flüchtigen Nicken. Viel verstehen tat ich nicht vom Tanzen, ein eigenes Urteil über meine Fähigkeiten konnte ich mir demnach auch nur schwer bilden. „Denk nicht immer so negativ. Du warst wirklich nicht schlecht", versuchte es der Schwarzhaarige weiter. „Wer sagt, dass ich negativ denke?" Herausforderung spiegelte sich in meinem Blick wieder, als ich diesen auf Hobi lenkte. „Naja", er lachte leicht, „ich würde dich jetzt nicht als laufenden Optimismus bezeichnen." Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mich auf die Konfrontation einzulassen. Würde ich gerade mit Cady oder vielleicht Sean reden, hätte ich darüber vermutlich gar nicht erst nachgedacht, sondern direkt zum Gegenangriff angesetzt. Aber das hier war weder Cady noch Sean. Und eigentlich konnte es mir egal sein, was dieser Junge von mir dachte oder wie er mich einschätzte. „Was nicht bedeutet, dass ich alles schlecht rede." Ich konnte erkennen, wie mein Gespärchspartener zu einer Antwort ansetzte, schnitt ihm das Wort jedoch ab, bevor er anfangen konnte, seine Aktion auszuführen. „Ich bleibe bei der Realität. Ich will nichts schöner machen, als es ist, ich verschlechtere die Dinge aber auch nicht." Punkt. Fertig. Darauf wusste der Lockenkopf nichts mehr zu sagen.
Ein paar weitere Meter legten wir ohne einen erneuten Wortwechsel hinter uns und ich erwartete schon, dass auch die restliche Strecke recht schweigsam bleiben würde, als diese Theorie durch meinen Nachbar zerstört wurde. „Ich wollt mich noch entschuldigen." Nicht nur meine Gedanken stoppten für einen Augenblick, auch meine Füße gerieten für ein paar Schritte aus dem Takt. Zwar konnte Hobi meinen fragenden Schielblick nicht sehen, dass ich nicht mitgekommen war, hatte er anscheinend dennoch mitbekommen. „Wegen heute morgen. Die Frage war... also ich hätte sie auch lassen können." Es brauchte einen Moment, bis mir die Erinnerungskugel mit dem entsprechenden Bild ins Gehirn rollte und ich meine Gesichtszüge wieder entspannte. Es stimmte, in meiner morgendlichen Verfassung hatte ich auf die Frage, wie es sich in einem fremden Körper anfühlte recht bissig reagiert. Und auch wenn ich diese Reaktion auch jetzt nur in Maßen bereute, hatte ich die Sache eigentlich schon abgehakt, kaum, dass ich aus der Küche gestolpert war. „Hatte es schon längst wieder vergessen." Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern und renkte meine Schritte wieder in ihr monotones Tempo ein. „Okay, gut." Ich konnte ihn einmal tief ausatmen hören. „Darüber hast du dir aber nicht wirklich Gedanken gemacht oder?" „Ich hab nicht daran gedacht, was das alles für dich bedeuten musst und du... du wirktest verletzt, also, ja - ja, hab ich." Ich warf dem Sternchen einen schrägen Seitenblick zu, richtete meine Aufmerksamkeit dann allerdings doch wieder vor meine Füße. Die Gedanken hätte er sich ruhig sparen können, ich gab sowieso nicht viel auf derartige Kommentare.
Die restliche Zeit bis zum entsprechenden Haus und der darin liegenden Wohnung verlief dann doch schweigend. Ich kümmerte mich nicht darum und ob es meine männliche Begleitung störte, konnte ich auch nicht sagen. Die Stille wurde jedenfalls erst gebrochen, als wir beide durch die weiße Eingangstüre traten. Nicht, dass ich den Mund öffnete oder es abermals Hoseoks Stimme gewesen wäre, welche man gehört hätte. Die Stimme war höher. Viel höher. Ich kannte sie. Und gleichzeitig auch nicht.
Es war merkwürdig, die eigene Stimme zu hören, denn sie klang so anders, als wie meine eigenen Ohren sie wahrnahmen. Schon wenn ich mir Sprachnachrichten oder Videos von mir selber anschaute, verzogen sich meine Mundwinkel augenblicklich ein Stückchen. Es klang nach mir und gleichzeitig nicht. Nur, dass es dieses Mal noch viel weniger den Anschein hatte, dass ich diejenige war, die kontrollierte, was aus diesem Mund kam. Das waren nicht meine Worte. Und das lag nicht nur an der Sprache. Koreanisch hörte man so gut, wie nie aus meinem Mund. Ich hatte keine koreanischen Freunde und dass Aylin es schaffte mir zum Spaß ein paar Sätze zu entlocken kam auch eher selten vor. Aber selbst, wenn ich dieses Deatil ausblendete, zog sich jede einzelne Muskelfaser meines Körpers zusammen, sobald ich die Stimme hörte.
„Jimin!" Während ich in meinen eigenen Gedanken versunken im Schneckentempo die Schürsenkel aufknotete, hatte mein Begleiter seine Sportschuhe in Windeseile abgestreift und war in Richtung Wohnzimmer gefilzt. Nur langsam folgte ich dem Wirbelwind, wollte ich den Moment der Gegenüberstellung doch gerne noch einen Moment herauszögern.
Nach außen hin gelassen trat ich um die Ecke, wobei ich den Türrahmen für eine geeignete Anlehne hielt, die es mir zudem ermöglichte, der ganzen Veranstaltung etwas fern zu bleiben. Die Anspannung zog sich bis hin in meine Fingerspitzen, als der Schwarzhaarige diesem Mädchen mit rosa langen Haaren, bleichem Gesicht und braunen Augen um den Hals viel. Sie sah nicht aus, wie ich. Das war nicht ich. Das konnte nicht ich sein. Und doch war es ja mein Körper. Nur eben, anders. MEINE Haare lagen nicht offen über der Schulter, sondern waren zu einem wilden Zopf gebunden. MEINE Augen waren nicht braun, sondern leuchteten gefährlich unter dem Graublau einer Kontaktlinse. MEIN Gesicht wirkte nicht so schlaff und müde, sondern besaß die wunderbare Kante eines schwarz gezogenen Eyeliners, welcher der Blässe meiner Haut die Geltung gab, die sie zwar nicht verschwinden, jedoch wenigstens beabsichtig aussehen lies. Das einzige, was ansatzweise an mich erinnerte, waren die schwarzen Klamotten, die dieser Mensch trug. Doch alleine die Haltung die er an den Tag legte, zerstörte den Funken an Erkennung direkt wieder.
Ich wusste, dass das nicht ich war. Im Gegensatz dazu war es viel schwerer zu akzeptieren, dass das mein Körper seien sollte. Und dennoch konnte ich es nicht ändern. Diese Art, wie Hobi meinen Körper berührte, wie er ihn in eine feste Umarmung zog, lies in mir jegliche Abwehrposten aufbauen. Er sollte den Körper loslassen. Er sollte MICH loslassen. Ich wollte nicht, dass mein Körper von ihm umarmt wurde. Ich wollte nicht, dass mein Körper von irgendwem umarmt wurde.
Mir war bewusst, dass ich auf derartige Ansichten kein Recht besaß. Wäre dem so, dann dürften die Jungs ja auch weiterhin diesen Körper umarmen. Und bevor das passierte, ertrug ich lieber den sich mir bietenden Anblick einer halben Erwürgung an meinem Körper, mit dem Wissen, dass ich einfach wegschauen konnte.
Der Lockenkopf löste sich wieder von dem Mädchenkörper. Was er oder die anderen gesagt hatten, seitdem wir angekommen waren, war wie ein Schleier an mir vorbeigezogen. Und auch jetzt war alles, worauf ich michkonzentrieren konnte, die braunen Augen, meines Gegenübers, in welchen ich so vieles sehen konnte, was dagegen sprach, dass sie eigentlich mir gehören sollten. ‚Ob er wohl das gleiche in meinen Augen sah? Diese Fremde?' Seinem Blick nach zu urteilen: Ja. Begeistert schien er jedenfalls genau so wenig über meine Anwesenheit, wie ich über die seine.
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