Kapitel 13

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Die allgemeine Anspannung schien seit dem letzten Telefonat tatsächlich noch einmal angestiegen zu sein. Da brachte auch das gleichmäßige Tuten keine Beruhigung. Im Gegenteil; desto länger das Geräusch anhielt, je unruhiger wurde die Versammlung. Erst als ein unverständliches Murmeln den mechanischen Ton ersetzte, dessen Klang ich zweifelsfrei meiner rechtmäßigen Stimme zuordnen konnte, trat die Spannungskurve den Abgang an.
„Jimin?", wollte Taehyung sich vorsichtig vergewissern, was der Angesprochene für eine deutlich unnötige Frage hielt. „Wer soll ich denn sonst sei- Moment-", ich stütze, einen Seufzer unterdrückend, meinen Kopf auf meiner linken Hand ab. ‚Lasset die Panikshow beginnen.'
„Wieso klingt meine Stimme so hoch, ich-" „Beruhig dich, Jimin, wir erklären's dir." Auf der anderen Seite wurde es still. Offensichtlich schien Blondie hier tatsächlich eine Respektsperson zu sein. Jedenfalls konnte er sich bei dem Chaotentrupp noch relativ gut durchsetzten.
„Okay, hör mir jetzt zu und flipp bitte nicht aus, ja?" Stille. Es sollte wohl als Zustimmung genügen. „Wir alle wissen nicht, wie das passieren konnte, aber wie es aussieht hast du über Nacht mit jemandem den Körper getauscht." Erneute Stille. Nun war es definitiv keine Zustimmung mehr, die den Jungen im Mädchenkörper dazu veranlasste, nicht zu antworten. Namjoon lies sich davon nicht beirren. „Du stehst jetzt auf, schaltest das Licht an und überzeugst dich selber. Und bitte verfall nicht in Panik oder sonst was, wir... wir haben hier... also jedenfalls schon einiges geregelt." Immer noch bekamen wir keine Antwort. Dennoch hörte man, wie sich etwas regte. Erst war es nur das Rascheln der Bettdecke, dann das Tapsen von Schritten, schließlich das Klicken eines Lichtschalters und dann-
„Ach du heilige Scheiße." Zunächst war es nur ein Hauchen. Kurz darauf erklang jedoch ein hektisches Atem. „Ganz ruhig-" „Ruhig? Ruhig?", ich spannte mich an, als meine Stimme aus dem Hörer immer lauter wurde, „Ich bin in dem Körper eines verdamten Mädchens, ich... ich... Nein. Das ist ein Traum! Ein Traum! Ein Traum! Ein Traum! Ich werde jetzt aus der Tür da gehen und alles wird so sein wie immer und-"
„Den Teufel wirst du tun, hörst du?!" Ich hatte eigentlich vorgehabt, mich bei dem ganzen Gespräch so gut es ging zurückzuhalten. Als ich jedoch hörte, wie dieser Jimin sich wieder bewegte und das offensichtlich in Richtung Zimmertür, schmiss ich meine Prinzipien schleunigst über Board.

Niemand sagte etwas. Weder aus dem Hörer kam ein Geräusch, noch von einem der Präsenzteinehmer.
„Du... das... das war meine Stimme, du... also... du bist ich? Ich meine..." Nun entglitt mir auch das lang aufgeschobene Seufzen. Ich konnte nicht behaupten, dass meine Stimmung besser gewesen war, als ich meine Situation verstanden hatte, aber zumindest hatte ich sie kompetenter aufgenommen, als dieser Junge. Und das ohne telefonische Hilfe von mir bekannten Personen.

Ich glaube, Namjoon wartete darauf, dass ich weitersprechen würde. Jedenfalls lag sein stummer Blick eine Zeit auf mir. Auf meine Stimmbänder hatte dies keinen Einfluss, sodass er selbst schließlich wieder das Reden übernahm. „Das ist Tay. Sie... also... Du bist in ihrem Körper und sie in deinem." „Und... dann ist das hier ihr Zimmer oder wie, also... der Raum, ich meine, also... wo ich eben bin." Kurz warf mir der Platinblonde einen Blick zu, wobei ich Jimins Frage mit einem Nicken bestätigte - jedenfalls ging ich mal schwer davon aus.
„Ja, bist du. Du bist auch nicht mehr in Korea, du bist in Los Angeles. Du-" „Was?!" Ich heftete meinen Todesblick erst auf das Handy und dann auf Namjoon, bevor ich diesem mit dem Formen meiner Lippen zu verstehen gab, dass Jimin gefälligst leise seien sollte. Noch so ein Schrei und ich, also er, mein Körper eben, würde womöglich ein familiäres Problem bekommen.
„Sei still, Jimin." Ich konnte von Glück reden, dass der Leiter des Gesprächs nicht weiter nachfragte, sondern einfach meine Anweisung weitergab. Für lange Erklärungen hatten wir jetzt wirklich keine Zeit.

„Dann... dann", fing der Junge wieder an, sobald er sich offensichtlich zusammengesammelt hatte, „Soll ich am besten raus? Also bevor mich jemand sieht? Ich meine, wie soll ich das denn erklären. Und überhaupt, ich muss doch irgendwie nach Korea. Also müsste ich doch zum Flughafen." „Genau das ist der Plan", bestätigte Namjoon seinen Freund.
Zugegebenermaßen war es bewundernswert, wie ruhig er trotz all dem bleiben konnte. Ja, wenn man vor ihm saß und das Origami auf seine Stirn und Anspannung in den Augen sehen konnte, wusste man, dass ihn das ganze nicht so kalt lies, wie es zunächst schien. Seiner Stimme merkte man davon jedoch kaum etwas an. Sie war ernst, konzentriert und definitiv nicht auf Spaß aus. Aber Panik, Angst oder Zweifel fanden sich nicht in ihr wieder.
„Also geh ich jetzt raus?", wollte mein Tauschpartner sichergehen, was ich mit einem Mörderblick auf den Redner schnellstmöglich abwürgte. „Nein, tust du nicht." „Aber-" „Nein." Auch wenn er kommentarlos in Worte fasste, was ich ihm gezeigt hatte, spürte ich Blondies fragenden Blick auf mir. Anstatt jedoch auf diesen einzugehen, lenkte ich meine Konzentration, sowie Augen lieber wieder auf das Gerät in der Mitte. „Und... und was soll ich dann tun?" Ich hatte gar nicht gewusst, dass meine Stimme so zerbrechlich klingen konnte. Gefallen tat es mir jedenfalls nicht.

SWITCHED - Gefangen in einem fremden KörperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt