Kapitel 23

141 9 6
                                    

„Ich denke, noch ein, zwei Mal zusammen, dann könnten wir versuchen, als gesamte Gruppe zu üben." Auch wenn ich dem Vorschlag meines privaten Tanzlehrers nur mäßig zustimmte, stellte ich seine Aussage nicht laut in Frage. Was diese ganze Choreografie-Lern-Sache anging, war er der Chef hier und ich hatte nicht vor über etwas zu diskutieren, wovon ich keine Ahnung hatte.

„Glaub mir, das macht dann auch mehr Spaß." Hoseok schenkte mir ein kleines Lächeln, welches ich lediglich mit einem Schulterzucken erwiderte.
Nichts an diesem Sport machte mir Spaß. Und das lag nicht an der Tatsache, dass es Sport an sich war. Mir fehlte einfach der Sinn, seinen Körper zur Musik zu verrenken und dabei zu versuchen noch einigermaßen ansprechend auszusehen.

„Okay, also Tanzen ist nicht so deins. Aber irgendeinen Sport musst du doch machen. Oder woher willst du diese gute Ausdauer haben?" Wie Hobi lief auch ich zu der Tasche, in welcher sich Wasser und ein Handtuch befanden. „Joggen, workouts - so etwas." Ein Lachen schallte durch den Raum, was meine Aufmerksamkeit auf das Sternchen richtete. „Wenn das alles wäre, hättest du spätestens gestern nach einem Tag Pause verlangt." „Wie kommst du darauf?" Fragend zog ich meine Augenbrauen zusammen. Zwar hatte Hoseok recht und neben wenigen Momenten meines Lebens, in denen ich mich zum Joggen gehen aufraffen konnte, war es viel mehr das Klettern, welches meine Begeisterung geschenkt bekam, woher er das wusste, interessierte mich dennoch.
„Du kannst so viel Joggen gehen, wie du willst, bei dem hier", er zeichnete einen Kreis in die Luft, „werden doch nochmal ein, zwei andere Muskeln benötigt. Der Muskelkater ist da in der Regel vorprogrammiert."
Für einen Moment sagte ich gar nichts. Auf der einen Seite hatte ich keine Lust, ihm von meinen Nachtaktivitäten zu erzählen, auf der anderen Seite wusste ich auch nicht, was ich sonst so wirklich sagen sollte.

„Du weißt aber schon, dass ich ja nicht in meinem Körper stecke und dieser hier sehrwohl entsprechend trainiert ist", wandte ich schließlich ein. Das brachte auch den Lockenkopf zum Nachdenken. „Stimmt ja", murmelte er dann.

Ich hatte nicht vor, hier Aufgrund von unnötigem Rumsitzen Zeit zu verschwenden, weshalb ich unsere beiden Taschen aufhob, dem Größeren seine in die Hand drückte und in Richtung Tür lief.
„Aber ich meine", began er dann wieder, was mich innerlich zum Aufsefzen brachte. Jeder Satz, der auch nur mit „Aber" anfing endete in der Regel nicht gut für meine Nerven. „Gedanklich bist du ja du. Und ich bezweifel irgendwie, dass du so durchhalten könntest, wenn du so etwas in der Art nicht schonmal gemacht hast."
Mit Schwung drehte ich mich zu meinem Gesprächspartner. „Ich habe aber noch nie getanzt." Und das war ausnahmsweise nicht einmal gelogen. Das Tanzen in einem Club zählte für mich jedenfalls in keinster Weise zu dem, was wir hier machten.
„Jaja, ne. Ich mein ja nicht tanzen an sich, sondern irgendetwas, bei dem man eben auch ein gewisses Durchhaltevermögen benötigt."

Meine Gedanken schweiften zu dem Moment, als ich mich das erste Mal am Klettern versucht hatte. Mit meinen damals beinahe fünfzehn Jahren war es wahrscheinlich riskant gewesen, mit der deutlich älteren Jungsgruppe mitzugehen. Schlussendlich hatten sie allerdings meine Begeisterung für die von uns praktizierte illegale Seite des Sports geweckt. Und auch wenn meine erste Tour lediglich ein alter, verrosteter aber nicht wirklich hoher Metallturm außerhalb der Stadt gewesen war, so erinnerte ich mich noch heute an das atemberaubende Gefühl, als wir schlussendlich die Spitze erreicht hatten.
Damals dachte ich, die knappen 20 Fuß wären viel gewesen. Mittlerweile waren es eher um die 300 bis 350 Fuß, die multipliziert mit 0,3 so um die 100 Meter ergeben müssten, bei welchen wir uns irgendwo aus eingeschlagenen Fenstern schwangen, um die Höhepunkte zu erklimmen. Und alleine durch die Tatsache, dass ich an diesem Abend meiner Make-Up-Freundin-Aylin das erste Mal begegnet war, würde ich diesen Tag niemals missen können.

„Also?" Der Koreaner war bei mir und somit auch der Tür angelangt und sah mich erwartungsvoll an. Schnell schüttelte ich den Kopf, um die Bilder aus meinen Gehirn zu katapultieren. „Sorry, war in Gedanken. Was hast du gesagt?" Ich konnte mich noch gut an die Frage erinnern, hoffte allerdings, mein Gegenüber würde sie nicht wiederholen.
„Woher du dein Durchhaltevermögen hast." Meinen Hoffnungen beraubt, drehte ich mich von ihm weg und wandte mich stattdessen zur Tür. „Ich jogge ziemlich lange." Dann zog ich die schwere Tür auf, trat durch den Durchgang und hielt diesen noch für Hoseok frei, welcher mir mit einem skeptischen Blick folgte.

SWITCHED - Gefangen in einem fremden KörperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt