10. Gleichgültigkeit

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Я понимаю, как смешно, искать в глазах ответ, в глазах которым всё равно, я рядом или нет. – Владимир Высоцкий

Ich verstehe, wie lächerlich es ist, in Augen nach Antworten zu suchen, denen es egal ist, ob ich in der Nähe bin oder nicht. – Vladimir Wissotzky

Am nächsten Morgen rettete uns Mirandas Alptraum vor dem Verschlafen. Nachdem ich sie mühevoll zurück in die Realität geholt hatte, liefen wir gemeinsam zum Essenssaal. Bevor wir ihn betreten konnten, riss mich eine Hand aus dem Strom von Soldaten. Überrascht drehte ich mich um. Jean hielt mich an meiner Hand fest und starrte mich mit einer ernsten Miene an.

»Ich muss mit dir etwas bereden, kommt mit.«, raunte er mir leise zu. Ich nickte. Daraufhin zog er mich in die Taverne zu einem Tisch, der abseits von den anderen stand. Wir setzten uns gegenüber von einander hin.

»Also…«, setzte Jean an, während er ein Bissen von seinem Brot nahm, »wegen gestern, das mit dem Putzen… Könnte das unter uns bleiben? Ich will nicht die Lachnummer werden.«
Erwartungsvoll überreichte er mir den Brotkorb, aus dem ich mir ein Stück herausnahm.

»Natürlich. Ich habe und werde es niemanden erzählen.«, merkte ich gähnend an. Erleichtert atmete er aus.

»Ich dachte du hättest es nach euren gestrigen Trinkgelage bereits verplappert.«, scherzte Jean breit lächelnd. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch.

»Woher…?«

»Ach komm.«, unterbrach er mich kurzerhand, »man konnte euch nicht überhören. Die Wände hier sind dünn.«

Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf.

»Es tut mir leid. Ich hoffe, du konntest wieder einschlafen.«, entgegnete ich beschämt.

»Kein Grund so betreten zu sein.«, lachte Jean mit einer Hand zur Beruhigung wedelnd auf, »wenn ihr mich aber nächstes Mal nicht einlädt, erzähle ich alles dem Kommandanten.«

Mit geballter Kraft hinderte ich mich daran, zu Erwin hinüber zu schielen.

»Oh, ich glaube die anderen sollten doch lieber die Wahrheit darüber erfahren, was wir den gestrigen Nachmittag getrieben haben.«, erwiderte ich eilig. Er warf mir einen verdutzten Blick zu.

»Ich mach doch nur Witze, kein Grund schwere Geschütze aufzufahren…«, murmelte Jean gekränkt vor sich hin und strich ein paar Brotkrumen vom Tisch.

»Wenn das der Hauptgefreite sehen würde, dann würdest du diesen Nachmittag wieder mit Putzen verbringen.«, neckte ich ihn auf die Brotkrümel hindeutend.

»Du meinst wohl wir.«

Jean lehnte sich verspielt vor und schoss mit seinen Fingern einen Brotkrumen in meine Richtung. Dieser prallte an meinem Bauch ab und landete auf meinem Schoß. Unbeeindruckt wischte ich ihn ab und wand mich wieder Jeans grinsender Grimasse zu.

»Nein, ich mach das nie wieder, kein Gefallen der Welt kann das aufwiegen.«

»So viel ist dir also unsere Freundschaft wert.«, seufzte er entrüstet.

»Richtig erfasst, sie ist mir keine schmerzenden Knochen wert.«, entgegnete ich emotionslos.

Sein zuvor noch verspieltes Grinsen, nahm an schelmischer Natur zu.

»Na warte, beim Training heute werde ich mich nicht zurückhalten, du Alkoholikerin.«

Schulterzuckend musterte ich seine erglühten Augen. Obwohl er sehr begabt und in vielen Aspekten weit aus besser war als ich, nahm ich seine Herausforderung gelassen. Im Nahkampf und bei der Schnittgenauigkeit war er vorne, aber beim Umgang mit den 3D-Manövern konnten mir nur die Wenigsten das Wasser reichen – zumindest aus den Reihen der Rekruten.

Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedankengängen. Erwin stand wieder in der Mitte des Raumes mit seiner üblichen strengen Miene.

»Nächste Woche brechen wir ein weiteres Mal hinter die Mauern auf. Trainiert daher verstärkt an euren Schwächen und verinnerlicht eure Position in der Formation.«, erklärte er in einem kühlen Ton. Als Antwort salutierten wir ihm. Daraufhin verließ er den Raum.

Schnell beendeten alle das Frühstück und stürmten zum Trainingsplatz hinaus. Da ich am heutigen Tag zum Küchendienst eingeteilt wurde, blieb ich länger, um Essensreste wegzuräumen. Aus Schadenfreude heraus verzog Jean sein Gesicht zu einer neckenden Grimasse bevor er aus dem Türrahmen verschwand. Mit ein paar anderen säuberte ich den mittelgroßen Raum von Flecken, Krumen und Staub.

Als die Taverne aussah, wie wir sie betreten hatten, lief ich hinaus, um mich dem bevorstehenden Training zu widmen. Da ich in letzter Zeit nur mit dem ausspähen beschäftigt war, freute ich mich wieder den Übungen widmen zu können.

Freudig stolzierte ich zum Waldstück, legte den Apparat an und startete an meiner Technik zu feilen. Durch die dichten Bäume schwingend hielt ich nach Jean Ausschau. Wahrscheinlich lauerte er mir hinter einen großen Stamm auf, um mich zu überwältigen. Wenn er jemanden herausforderte, handelte es sich nie um leere Worte, weshalb ich mich auf einen hinterhältigen Angriff gefasst machte.

Aufmerksam manövrierte ich mich durch die Laubkronen, doch es blieb ruhig. Ich traf lediglich auf ein paar andere Truppenmitglieder. Als ich kurz verwirrt in Gedanken schwelgte, schoss plötzlich Jean rapide auf mich zu. Knapp entkam ich seinen Angriff, indem ich nach oben auswich. Er ließ sich jedoch davon nicht beirren. Zielstrebig rannte er mithilfe seiner Haken vertikal den Stamm zu mir entlang. Am Ende der Baumkrone angekommen, seilte ich mich schnell zurück in die Tiefe des Waldes. Unbeeindruckt folgte er mir durch das Waldstück. Wir schossen parallel voneinander durch die Bäume. Er war mir stets dicht auf den Fersen, was meine Chance ihn abzuhängen, zu Nichte machte.

»Hör auf wegzurennen, du Feigling. Gleich hab ich dich sowieso eingeholt und dann bist du dran.«, rief er mir unbeirrt entgegen.

Angestrengt presste ich meine Zähne zusammen, während ich beobachtete, wie er mir stetig näher kam. Da er darauf fixiert war, mich endlich einzuholen, rechnete er sicherlich nicht damit, dass ich den Angriff starten würde. Das war meine einmalige Möglichkeit zu gewinnen. Rasant steuerte ich mit dem Rücken auf einen Baumstamm zu. Als ich an ihn lehnte, sah ich, wie Jean mir entgegen schoss.

Ohne Weiteres stützte ich mich mit meinen Füßen ab, um den nötigen Schwung zu bekommen. Konzentriert jagte ich die Haken des Manövers in die untere Rinde des gegenüberliegenden Stammes. Mithilfe dieser Beschleunigung müsste ich ihn überwältigen können. Im nächsten Augenblick prallte ich gegen seine Brust und zog ihn zu Boden. Überwältigt stand er am Fuße des Baumes mit dem Rücken zur Rinde, solange ich etwas über ihn der Luft hing. Stolz rammte ich jeweils ein Bein neben eine Seite seines Torsos, damit er nicht entkommen konnte.

»Denk lieber darüber nach, um was du bittest.«, lächelte ich ihn selbstsicher an. Sein erstaunter Gesichtsausdruck ließ mein triumphierendes Lächeln breiter werden. Es war unbeschreiblich, die Erwartungen anderer zu übertreffen.

Verloren starrte er noch einige Zeit in meine Augen bis er mit einem Mal seine Sprachlosigkeit hinunterschluckte und sein altbekanntes schelmisches Grinsen aufzog.

»Schön bodenständig bleiben.«, erwiderte er süffisant und packte mich im nächsten Moment an der Taille. Bevor ich reagieren konnte, zog er mich zu sich auf den Boden. Beleidigt verzog ich meine Augenbrauen. Er gönnte es mir nicht meinen Triumph auskosten zu lassen.

»So gefällt es mir doch gleich viel besser.«, scherzte er vergnügt. Seine Hände ruhten immer noch auf meiner Taille.

»Könnt ihr kleinen Kotzbrocken auch Mal trainieren anstatt dauernd rumzumachen?«, erschallte schlagartig die Stimme des Hauptgefreiten. Jean nahm sofort seine Hände von mir und versteckte sie erwischt hinter seinem Rücken, während ich einen großen Schritt rückwärts machte. Levi stand mit verschränkten Armen vor uns und beäugte uns herablassend.

»Wir sind kein Paar…«, murmelte ich leise.

»Na sicher doch.«, erwiderte er sarkastisch, »wenn einer von euch bei der Expedition drauf geht, weil ihr anstatt zu trainieren, euch mit diesem Unsinn beschäftigt habt, dann will ich kein Geheule hören.«

Nach diesem Worten machte der kleine Mann auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder. Wir blickten ihm, selbst als er außer Sichtweite war, hinterher.

»Was ist denn nur mit allen los? Warum haben die sich ans uns alle festgebissen?«, wollte Jean genervt wissen. Ich zuckte lediglich mit den Schultern.

»Vielleicht verbreitet jemand Gerüchte.«, entgegnete ich gelassen.

»Und ich habe schon eine Ahnung wer…«, zischte Jean aufgebracht auf, »sie macht mich noch verrückt.«

»Entspann dich, es ist nur eine Vermutung.«, beschwichtigte ich ihn ruhig.

In Gegensatz zu ihm störte mich das Missverständnis, in das wir hineingelangt sind, nicht. Mit unserem scheinbaren Verhältnis wollte ich mich an Erwin rächen.
Für ihn war es nichts gewesen? Für mich auch – und nur allzu gerne, würde ich ihm das beweisen. Dennoch wollte ich Jean nicht für meine egoistischen Absichten in Verlegenheit bringen, weshalb ich mich beim Abendessen neben Mikasa setzte. Er war in dieser kurzen Zeit ein treuer Freund geworden, den ich keineswegs benutzen wollte.

Auch heute wurde nach dem Essen Tee serviert, den unter anderem ich herrichten musste. Vom Abendessen völlig ermattet trottete ich demotiviert in die Küche, um die Teekannen mit den zahlreichen Tassen abzuholen. Es war bloß ein Tablett übrig geblieben, was bedeutete, dass die Anderen die restlichen bereits angerichtet hatten. Als ich aus der Küche trat, schaute ich mich nach den noch ausstehenden Tisch um. Mein Blick streifte flüchtig die Umgebung bis er an dem leeren Holztisch der führenden Persönlichkeiten hängen blieb. Schockiert verharrte ich im Türrahmen.

Das konnte doch nicht wahr sein, warum wurde dieser Tisch nicht als erstes bedient? Nun wank mir Hanji freudig zu, um zu signalisieren, welcher Tisch ausgelassen wurde. Keineswegs durfte ich mein Unwohlsein vor Erwin anmerken lassen.

Gefasst schritt ich zu ihnen und servierte gekonnt den Tee. Zuerst lehnte ich mich vorsichtig vor, stellte die Tasse seitlich ab und schenkte anschließend ohne etwas zu verschütten den schwarzen Tee hinein. Diesen Vorgang wiederholte ich bis ich jeden bedient hatte. Anschließend platzierte ich die Kanne in der Tischmitte.

»Was für ein fantastischer Service.«, lobte Hanji genussvoll am Tee riechend, »du bist echt sonderbar, ich habe noch nie jemanden gesehen, der hier so vornehm Tee serviert.« Meine Wangen erröteten.

»Ich bin froh, dass es dir gefällt.«, erwiderte ich schüchtern. Da ich unmittelbar hinter Erwin stand, der gerade desinteressiert an seiner Tasse nippte, wollte ich verschwinden. Bevor ich gehen konnte, hielt mich Hanji zurück.

»Hey, bleib doch hier, ich will unbedingt wissen, wie man es richtig macht. Bei dir sieht es wirklich einfach aus.«, bat sie mich mit großen, vor Neugier funkelnden Augen.

»Da ist nichts besonderes dran.«, entgegnete ich, während ich das Tablett aufgewühlt unter meinen Oberarm klemmte.

Bitte lass mich gehen, bitte, bitte, bitte.

»Das ist nur eine Frage der Perspektive. Ich erzähle dir auch im Gegenzug alles über die Titanen. Setz dich einfach dort auf den freien Platz hin.«, erwiderte sie feierlich.

Verdammt.

Unbeholfen starrte ich auf die leere Bank neben Erwin. Eigentlich wollte ich ihm aus dem Weg gehen, doch nun saß ich neben ihm am selben Tisch. Zudem gab es nicht sonderlich viel Raum neben ihn, weswegen ich mich zusammenzog, um ihn nicht zu berühren.

»Ich bin ganz Ohr.«, grinste Hanji, während sie ihr Kinn auf ihren Handflächen abstützte.
Erfreulicherweise waren die meisten am Tisch in ihre eigenen Gespräche vertieft, sodass mir nur Hanji zuhören würde. Bloß Erwin trank weiter, still in Gedanken schwelgend, seinen Tee.

»Eigentlich ist es ganz simpel.«, meinte ich auf ihre Tasse deutend, »Man muss den Tee von hinten servieren. Mit einer leichten Beugung lehnt man sich hinter dem Gast vor und stellt die Tasse zur Seite ab. Dann füllt man vorsichtig den Tee hinein, indem man den Deckel der Kanne festhält. Es ist wichtig, dass man den Tee nicht erst einschenkt und dann die Tasse abstellt, weil man sonst das Ganze verschütten kann.«

Ich lächelte sanft als ich ihre staunenden Augen betrachtete. Meine Bewunderung für ihre leicht zu begeisternde Art war hoch. Sie konnte selbst dafür Interesse finden.

»Und warum macht man das von hinten?«, wollte sie verständnislos wissen.

»Damit man unscheinbar bleibt.«, erwiderte ich und legte angespannt meine Hände auf die Oberschenkel, »als Kellner sollte man keineswegs die Aufmerksamkeit auf sich lenken, um die laufenden Gespräche nicht zu unterbrechen. Aber der Gast sollte trotzdem die Anwesenheit spüren, damit er sich nicht abrupt umdreht und kein Missgeschick passiert.«

»Also muss man wie eine leichte Windbriese sein?«

Mein Lächeln wurde breiter.

»Ja genau, mir gefällt der Vergleich.«
Überfordert ließ sie ihr Gesicht in ihre Handflächen gleiten.

»Oh man, ich bin viel zu tollpatschig dazu. Ist es denn so wichtig, wie man richtig Tee anrichtet?«, fragte sie resigniert.

»Nein, es ist im Grunde doch vollkommen gleich.«, unterbrach Erwin unser Gespräch. Verwundert drehte ich mich zu ihm um, doch er schaute weiterhin nach vorne, solange er einen weiteren Schluck nahm. Mein Augenmerk fiel daher auf den Hauptgefreiten, der unmerklich hinüberschielte und wahrscheinlich mit einem Ohr zuhörte. Obwohl seine Aussage abschätzig war, nahm ich sie ihm nicht böse.

»Ich fürchte, dass ich Ihnen widersprechen muss, Kommandant.«

Auf einmal wurde es still am Tisch.

»Sie wissen besser als ich, dass es immer auf die Details ankommt – ob beim Planen einer Expedition oder dem Servieren von Tee. Unscheinbare Einzelkomponenten könnten am Ende über den Ausgang entscheiden, weshalb man sie nicht vernachlässigen sollte. Ich hätte auch plump den Tee anrichten können, aber dann hätte der eine, wegen der Ablenkung, den roten Faden im Gespräch verloren, der andere einen Fleck im Hemd bekommen oder der Tisch nass werden können. Selbst wenn ich nur Hanji damit eine Freude gemacht hatte, dann war der Aufwand es mir wert. Es ist nur ein kleines Detail, aber es beeinflusst die Atmosphäre ausschlaggebend.«

Erwin wand sich mir nun zu und schaute gespannt in meine Augen. Er betrachtete mich aufmerksam wie ein Buch, dass er dabei war zu durchforsten. Er las jede einzelne Zeile auf meinem Gesicht.

»Ich fass es nicht, die Kleine hat doch nicht ernsthaft Tee mit Expeditionen verglichen«, prustete Mike lauthals los. Einige stimmten mit ein. Erwins Gesichtsausdruck hingegen wurde zunehmend grübelnd.

»Sie hat Recht.«, erwiderte er sich Mike zuwendend. Es wurde wieder still. Unruhig zog ich an einem Faden, der sich aus meinen weißen Hosen löste.

Mich überraschte seine Antwort, obwohl ich wusste, dass Erwin ohne gute Argumente nie auf einer Aussage beharren würde. Die nächtlichen Gespräche bewiesen mir seine Offenheit für Einwende und sein kritisches Denken. Trotz seiner Zustimmung ließ ich meinen Kopf niedergeschlagen hängen. Eigentlich hätte er aus Eigensinn an seiner Sichtweise festhalten sollen, weil ich ihn die letzten Tage dauernd ignorierte und mit Jean provozierte. Dem Anschein nach schien es ihn jedoch nicht zu kümmern, ungeachtet meiner Interesselosigkeit behielt er einen kühlen Kopf.

Er mochte mich nicht, doch er hasste mich ebenso wenig. Ich war ihm tatsächlich egal.

Es verletzte mich, weil er mir nicht gleichgültig war, sondern im Gegenteil, mir mehr bedeutete, als ich zugeben wollte.

Aber er hatte es ernst gemeint. Für ihn war es bloß eine unbedeutende Lappalie gewesen. Erwin war für einen Moment schwach geworden und ließ sich von seinen Trieben überwältigen. Wenn jemand anderes an meiner Stelle gewesen wäre, hätte er denjenigen geküsst. Ich war bloß eine willkommene Begebenheit.

»Was ist los, ist etwas passiert? Ist es wegen Mikes Bemerkung gewesen?«, erkundigte sich Hanji flüsternd. Ich richtete zögerlich meinen Blick auf.

»Alles gut, ich war nur kurz in Gedanken.«, entgegnete ich schwach lächelnd. Auf der Stelle wurde Hanjis Grinsen breiter.

»An was denkst du denn, oder sollte ich besser fragen an wen?«, hakte sie mit den Augenbrauen wackelnd nach. Sofort wand ich meinen Blick wieder auf meine weiße Stoffhose.

»Du bist rot geworden, also ist es doch ein jemand.«, lachte sie amüsiert auf, solange sie zufrieden ihre Hände rieb. Gebannt klatschte sie im nächsten Moment mit ihren Handinnenseiten auf den Tisch und lehnte sich langsam zu mir vor.

»Wer ist es?«
Unsicher strich ich mir über den Oberarm.

»Das ist ein Missverständnis. Es gibt niemanden.«, beteuerte ich verlegen. In welche Situation bin ich da nur hineingeraten?

»Es ist Jean. Die beiden haben heute anstatt zu trainieren im Wald rumgemacht.«, mischte sich nun Levi ein. Augenblicklich verkrampfte sich mein gesamter Körper. Warum konnte dieser Knirps nicht weiter still seinen Tee trinken?

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie sich Erwins Kiefer anspannte.

War er… eifersüchtig?

Neugierig lehnte sich Hanji weiter zu mir vor.

»Oh, stimmt! Ihr beide habt heute morgen auch abseits von allen anderen gefrühstückt, um eure gemeinsame Zeit zu genießen. Ihr seid so ein süßer Paar. Ihr passt perfekt.«, meinte sie erfreut.
Nein, tuen wir nicht.

»Da ist nichts. Wir sind nur Freunde«, versicherte ich überfordert.

»Natürlich.«, antwortete sie ironisch. Das Ganze wurde mir zu viel, sodass ich bloß verschwinden wollte.

»Die ersten Tische sind leer geworden, ich bringe das Geschirr in die Küche, also wenn ihr mich entschuldigt…«

Langsam stand ich wieder auf, doch ehe ich mich vollständig erheben konnte, zerrte mich Erwin an meinem Handgelenk zurück auf meinen Platz. Da von Anfang an wenig Platz zwischen uns war, stürzte ich gegen seinen Oberarm. Peinlich berührt, sorgte ich umgehend für Platz zwischen uns.

»Diese lapidare Einstellung dem Training gegenüber dulde ich nicht. Ab heute untersage ich es euch gemeinsam zu trainieren und außerdem räumst du als Strafe alle Tische alleine ab.«, kommandierte Erwin in einem einschüchternden Tonfall, sodass ich bloß ein unterwürfiges Nicken entgegen konnte.

Als er endlich mein Handgelenk aus seinem schmerzhaft festen Griff befreite, stand ich schnell von meinem Platz auf. Hanji lächelte zum Abschied, während der Kommandant bloß streng nickte. Natürlich war er nicht eifersüchtig, sondern bloß mit meiner Arbeitsmoral unzufrieden. Was bildete ich mir eigentlich ein?

»Musst du in allen Punkten den Kommandanten herauslassen? Lass doch die jungen Liebenden, wer weiß, wie viel Zeit sie noch gemeinsam verbringen können.«, beschwerte sich Hanji lautstark. Was Erwin erwiderte, konnte ich nicht mehr hören, da das Gelächter des Tisches, an dem Miranda, Jean und die anderen saßen, alles übertönte.

»Seht, seht, wer uns mit seiner Anwesenheit beehrt. Wir dachten schon, dass du uns gegen die hohen Tiere da drüben getauscht hast.«, meinte Miranda auf den Tisch am anderen Ende des Saales deutend.
Geschafft lehnte ich mich gegen die quadratische Holzsäule.

»Willst du dich nicht zu uns setzen?«, fragte Eren nach, woraufhin ich lediglich den Kopf schüttelte.

»Ich muss noch alleine das dreckige Geschirr abräumen, als Strafe, dass ich anscheinend heute nicht trainiert hatte.«, erklärte ich frustriert.

»Was? Wieso das? Wir haben doch gemeinsam heute geübt.«, entgegnete Jean verständnislos.

»Die denken, dass wir irgendein Verhältnis haben und als der Hauptgefreite meinte, dass wir heute im Wald herumgemacht haben, anstatt zu trainieren, war es für uns bereits gelaufen.«, schilderte ich energisch aufseufzend. Es war anstrengend.

»Ihr habt was?«, hakte Miranda entgeistert nach.

»Nein, haben wir nicht. Das ist völliger Unsinn.«, erwiderte Jean sofortig.

»Erkläre es denen da drüben.«, schnitt ich nun mit dem Kopf auf den Tisch gegenüber von uns deutend ein, »ab heute dürfen wir nicht mehr gemeinsam trainieren.«

»Was?« Jeans Gesichtsausdruck war vollkommen entgeistert

»Das können sie nicht machen.«

»Du hast nur Angst mit mir zu trainieren, weil ich dich jederzeit fertig machen könnte.«, neckte ihn Eren daraufhin heroisch grinsend.

»Pass auf, was du sagst, morgen werde ich deine hässliche Titanenfratze polieren.«, meinte Jean herausfordernd.

»Die Pferdefresse droht mir. Jetzt hab ich aber Angst.«, erwiderte Eren mit einem übertrieben verängstigten Gesicht. Jeans Augenbraue zuckte vor Wut. Bevor es in eine ihrer täglichen Schlägereien ausarten konnte, hielt Mikasa die beiden zurück.

»Und was willst du jetzt tun, Adaina?«, fragte Armin mich freundlich. Ich zuckte mit den Schultern.

»Nichts. Es steht mein Wort gegen das des Hauptgefreiten… Was denkst du, wem sie mehr Glauben schenken. Deswegen werde ich die Strafe einfach hinnehmen.«, entgegnete ich erschöpft.

»Das meinst du doch nicht ernst.«, schnitt Jean kurzerhand ein, während er sich von seinem Platz erhob, »wenn wir bestraft werden, dann für etwas, was wir auch gemacht haben.«

Nach diesen Worten stand er bereits vor mir und stemmte seinen rechten Arm neben meine Kopfseite. Mit einem schelmischen Lächeln lehnte er sich zu meinem Ohr vor. Verwirrt umklammerte ich mit meinen beiden Händen das Tablett.

»Leute, schauen die zu?«, flüsterte Jean fragend.

»Also Hanji starrt vollkommen begeistert hinüber und deutet auf euch.«, erwiderte Armin leise.

»Gut.«

Daraufhin kämmte er sorgfältig einige meiner schwarzen Haarsträhnen hinter mein Ohr, solange seine Hände zu meinen Hüften glitten. Mit einem Ruck zog er mich in eine heiße Umarmung. Seine Lippen schwebten unmittelbar vor mir. Nur wenige Zentimeter und sie würden mich berühren.

»Ich werde dich gleich hochheben. Also lege deine Arme um meinen Hals und kichere, verstanden?«

Ich nickte als Antwort. Ohne weiter zu Zögern, packte Jean mich an meinen Beinen, während ich behutsam meine Hände um seinen Hals legte und verliebt kicherte. Dann drehte er mich begeistert, sodass mein Lachen lauter wurde. Nachdem die gesamte Aufmerksamkeit des Saales auf uns lag, trug er mich, ohne den Blick von mir abzuwenden, hinaus. Im Flur ließ er mich endlich los. Schnell brachte ich ein wenig Distanz zwischen uns.

»Jetzt können sie uns gerne bestrafen.«, meinte Jean ermüdet.

»Ich weiß nicht, ob das im Nachhinein eine gute Idee war.«, gab ich unsicher zurück, woraufhin Jean genervt seine Stirn runzelte.

»Das war eine fantastische Idee, weil es meine war.«, konterte er entschlossen. Ermattet lehnte ich mich gegen die Wand. Ich hatte keine Lust den Saal wieder betreten zu müssen.

»Jean, ich löse meinen Gefallen ein.«
Verwundert zog er eine Augenbraue hoch.

»Du räumst für mich die Tassen weg.«, bestimmte ich kurz, solange ich ihm das Tablett überreichte.

»Ina, das kannst du doch nicht machen.«, beschwerte er sich sofort, doch ich hatte mich bereits umgedreht und den Rückweg zu meinem Zimmer angetreten.

»Und wie ich das kann. Du schuldest es mir.«

Daraufhin stöhnte er gequält auf und verschwand wieder im großen Essensaal.

Till Forever Falls Apart (Erwin X OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt