47. Mehr...

246 15 3
                                    


Ich hasse es jm zu vermissen. Das tut so  unglaublich weh!  Vor allem, wenn man keine Chance auf ein Widersehen hat... :'( 

Viel Spaß Fee

Veröffentlichungsdatum/Überarbeitungsdatum: 06.08.2021/24.08.2021

Personen: Richard Z. Kruspe, Paul Landers, Till Lindemann, Christoph Schneider

Sicht: Richard

Weiter und weiter, tiefer und tiefer, lief ich in den dunklen Wald hinein. Er war noch dunkler, als sonst. Kein Wunder. Es ist auch nachts. Was hätte ich denn anderes erwartet, als das ich nichts sehen würde. Ich riss die Augen weit auf, in der Hoffnung, dass ich doch noch etwas erkennen könnte. Nach einer Weile tat sich auch was: Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, sodass ich die Umrisse von Bäumen und Pflanzen wahrnahm.
Den Weg konnte ich nicht so einfach erkennen. Auch wusste ich nicht, wohin ich lief. Aus meiner Jackentasche kramte ich mein Handy und drückte auf den Homebotton. Nichts regte sich. Meine Akku war leer.
„Scheiße!", zischte ich. Es blieb wohl nichts anderes übrig, als mich zu erinnern. Viele Jahre hatte ich die Erlebnisse mit Paul, aus unseren Kindertagen, verdrängt, weil mir immer noch so viel an ihm gelegen hatte. Er hatte mich aus dem Wald gerettet, als ich ihn an seinem Lieblingsort zum ersten Mal traf. Schrecklich vermisst hatte ich ihn. Schrecklich war die Zeit ohne ihn. Schrecklich die Zeit mit ihm, weil ich wusste, dass sie schon bald wieder enden würde. Durch Till fanden wir wieder zusammen, gründeten eine Band. So verbrachten wir so viel Zeit zusammen. Verzichten wollte ich nie wieder auf ihn. Jetzt führen wir eine glückliche Beziehung. Das ist mehr, als ich mir je erträumt hatte. Wenn er wieder weg sein würde, vielleicht auch für immer, könnte ich nicht mehr leben, ich würde es einfach nicht verarbeiten können.
Er fehlt mir, selbst, wenn wir nur einen Tag getrennt verbrachten, freute ich mich darauf, dass wir uns wiedersehen. Das war eine gute Taktik, um das Vermissen zu unterdrücken. Natürlich tat ich das dann trotzdem, aber es fühlte sich dann viel auszuhaltender an.

Wie von selbst führte mich mein Körper an den Rande des Feldes. Des Maisfeldes mit dem Hochsitz. Ich lauschte. Nichts, keine Musik oder ähnliches. Trotzdem kletterte ich die Leiter empor. Ich kniff die Augen zusammen. Hier oben war es dunkler, als im Wald und auf dem Feld. Durch das Fenster fielen kleine Mondstrahlen herein. Direkt auf einen glänzenden Gegenstand. Eine Gitarre.
„Pauls Gitarre!", schrie ich mir im Kopf zu. Mein Herz hüpfte aufgeregt, als ich lauschte. Ein leises Atmen. Paul. Da lag sein Körper in der Ecke des Raumes. Zusammengerollt auf dem Boden schien er zu schlafen. Vorsichtig näherte ich mich, strich mit meinem Daumen über seine kalte verkrustete Wange. Salz. Tränen. Trauer? Meine Sorgen kamen zurück. Wieso hatte er geweint?
Der Anblick, der sich mir bot, war zu schön um wahr zu sein. Ich setzte mich an die gegenüberliegende Seite des kleinen Häuschens und betrachtete ihn. Behutsam nahm ich mir die Gitarre und zupfte leise und ruhige Melodien, bis ich ein wohliges Lächeln in seinem Gesicht ausmachen konnte. Musik half immer. Überall, selbst, wenn man schlief.

Mein Zeitgefühl hatte ich längst verloren, als ich ein Lied nach dem anderen spielte. Ich wachte auf. Aus meiner Trance. Aus meiner Verliebtheit. Aus dem schönen Moment der Einsamkeit mit ihm im Raum. Ich legte die Gitarre beiseite und nahm auf seiner Seite platz. Langsam zog ich ihn in meine Arme und hauchte ihm Küsse auf den Haaransatz.
„Paulchen?", flüsterte ich ab und an.

Er streckte sich und gähnte. Dann sah er mich verschlafen an und lächelte: „Ich wünschte, du wärst hier... Dann würde ich dir sagen, dass ich dich liebe und achten werde, bis dass er Tod uns scheiden möge..."
Ich stahl mir einen liebevollen Kuss von seinen kalten Lippen. Er zitterte, was mir in diesem Moment bewusst wurde. Paul war unterkühlt.
Ich half dem halbschlafendem Paul, sich aufzusetzen und zog ich in meine Arme. Ich schluchzte. Zu viel auf einmal durchlief meinen Kopf. Pauls liebe Worte, Pauls Problem, weshalb er geweint hatte. Der Fakt, dass ich ihn wiedergefunden hatte und der Fakt, dass er wahrscheinlich dasselbe, wie ich, wollte. Mehr.

„Du bist wirklich hier...", hauchte er in mein Ohr, als wir in einer innigen Umarmung lagen.
„Ja", sagte ich eben so sanft.
„Ich liebe dich Reeshy."
Ich löste mich und sah ihm lange in die leeren Augen, bis ich ihn küsste. Lang hielt ich es nicht auf seinen kalten Lippen aus, denn es tat mir weh, dass er litt. Kurzerhand zog ich den Pullover über meinen Kopf und gab diesen meinem Freund. Als er sich ihn übergestreift hatte, half ich ihm vom Hochsitz hinunter.
Langsam liefen wir zu den anderen zurück. Ich mit der Gitarre in der einen und mit der anderen Hand Pauls fest umklammert.
„Warum bist du hier?", fragte mein Freund mich schwach.
Ich drückte kurz seine Hand: „Weil dich alle suchen. Du wurdest vermisst..."
„Ich?"
Ich nickte und erzählte ihm alles, was ich gewusst hatte.

Die grellen Lichter der anderen Leute schienen so hell, dass wir unsere Augen zusammenkniffen.
Wir traten aus dem Wald heraus. Als die anderen uns entdeckt hatten, stürzten sie auf uns zu und drückten Paul fest an sich.

Es wurde noch ein langer Abend mit den Polizisten und Sanitätern. Alles war in Ordnung mit Pauls Gesundheit. Alles war in Ordnung mit uns. Doch mich ließ der Gedanke einfach nicht los, dass meinen Liebsten etwas so sehr bedrückte, dass er sich in den Schlaf geweint hatte.

Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt