43. Immer, wenn ihr traurig seid... (6/6)

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Das ist der letzte Teil von meinem 6-Teiler...
Viel Spaß Fee

Veröffentlichungsdatum/Überarbeitungsdatum: 15.07.2021/14.07.2021

Personen: Heiko Hiersche/Paul Landers, Zven Kruspe/Richard Z. Kruspe

Sicht: Paul

Ich war sichtlich unruhig. Sehnsuchtsvoll wartete ich mit meiner, auf Zven mit seiner Mutter. Wir befanden uns am Bahnhof, als die Uhr halb sechs schlug. Die war an der Decke der Überdachung des Steigs angebracht. Das wusste ich, weil ich meinen Blick nicht davon abwenden konnte.
Was wäre, wenn er gar nicht mehr kommen würde? Hatte er mich vergessen? Nein, so war er nicht gestrickt. Lange hatte ich ihn zwar nicht gekannt, aber dennoch wusste ich im Groben, wie er tickte. Er war zwar traurig und einsam, aber dennoch konnte man sich auf ihn verlassen. Ich wusste, dass das eine mit den anderen rein gar nichts zu tun hatte. Aber für andere war er immer da.
Zven könnte es in seinem Leben so weit bringen, wenn er von seiner Mutter nur die Chance dazu bekommen würde. Sie hatte meiner Mutter und mir versprochen, dass sie mit ihren Mann reden würde. Ob sie es tun wird, werden wir wahrscheinlich niemals erfahren.

Wieder verweilte mein Blick auf der Uhr. Ungeduldig zog ich am Ärmel meiner Mutter: „Wo bleibt er denn nur?"
Sie lächelte mich liebevoll an und strich über meine Schulter: „Zeige Geduld, mein Sohn. Er wird dich sicher nicht vergessen haben."
Ich zwang mich und zog meine Mundwinkel etwas nach oben. Vielleicht hatte sie recht. Zven würde uns sicher nicht vergessen.
In die Zeit des Wartens zu überbrücken beobachtete ich die Menschen, die am Gleis standen. Familien mit Kindern. Ältere Menschen. Welche mit Koffern und eine Frau mit einem Stoffbeutel in der Hand. Sie erschien mir interessant, weswegen ich sie genauer betrachtete. Sie trug eine blau weiße Bluse mit Blumen und einen langen schwarzen Rock. Bessere Styles hatte ich auf jeden Fall schon gesehen, doch es sagt nichts über jemanden aus, wie man sich kleidet. Bevor man über jemanden urteilt sollte man ihn besser kennenlernen. Die Welt wird immer oberflächlicher, wie ich, auch manchmal an mir, schmerzlichst feststellen musste. Doch meistens tut man gar aus versehen. Dennoch hatte ich vor daran zu arbeiten!

Wieder sah ich zur Uhr  und wieder sah ich mich um. Ich kniff die Augen zusammen, als in naher Ferne eine Junge grinsend auf mich zu lief. War das Zven? Ja.
Schnell deutete ich es meiner Mutter, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Sie schaute mir verwirrt drein, als ich sie in ihren Gedankengang unterbrach.
„Paul!", rief Zven. 
Ich lächelte glücklich zurück. Er hatte mich nicht vergessen!
Er hüpfte auf mich zu und schlang kurz seine Arme um mich. Überrascht von dieser Geste, erwiderte ich sie. Schon war dieser Moment sich wieder vorbei und wir beobachteten unsere Mutter, die sich wieder in ein Gespräch vertieften.

„Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen", meldete Zven. Ich nickte.
Eine Ansage ertönte, die den Zug angekündigt hatte. Mein Blick schoss wieder zur Uhr.
Ich sah wieder zu Zven, als er meine Hand nahm: „Viel Glück in der Stadt. Höre niemals auf Gitarre zu spielen, hörst du!"
Ich lächelte und drückte seine Hand: „Geht klar, Kleiner."
Ich grinste und umarmte ihn wieder fest. Am liebsten wollte ich ihn nie wieder loslassen. Ihn immer bei mir halten. Ihn beschützen. Sein bester Freund sein.
In seinen Augen lagen Tränen. Tränen, die erst an den Wangen hinab und dann nach unten auf den Boden des Bahnhofes tröpfelten.
„Wein' doch nicht!", sagte ich und legte meine Hand auf seine Schulter.
„Wieso nicht. Du gehst doch. Wie nehmen Abschied, Paul. Ich habe das gute Recht traurig zu sein", erklärte er.
Recht hatte er schon, aber für immer würde es nicht sein. Das wusste ich tief in mir. Wir würden uns wiedertreffen.

Ein ohrenbetäubender Krach stieß mit vor den Kopf. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein.
„Wir müssen nun Abschied nehmen, Zven. Aber nicht für immer, hörst du!"
Er nickte traurig. Dennoch schöpfte er Hoffnung. Aufmunternd lächelte ich ihn an. Er war ein guter Freund gewesen. Wir hatten Spaß zusammen gehabt.
Meine Mutter nahm meine Hand und zog mich zu einem Zugwagon. Ich schaute Zven nach, der an seinen zarten Schultern von seiner Mutter festgehalten wurde.
Ich vermisste ihn schon schrecklich. Aber niemals würden wir uns für immer verlassen!


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Sicht: Paul

Ich ging durch den Wald. So viele Dinge hatte ich in meiner Kindheit hier erlebt. So viele Schöne und Unschöne.
Ich lächelte vor mich hin. Reesh war ein süßes Kind gewesen. Ein lustiger Bursche. Er hatte sich dennoch verändert. Er war ernster und reifer. Sensibel war er immer noch. Das ist okay. Es ist ein Teil von ihm, den ich genauso liebe, wie alles andere an ihm.
Ich überblicke den Wald und das Feld. Alles war ruhig, bis auf Vögel, die ihrer Bestimmung nachgingen.

Das Feld, der Hochsitz. Obwohl es mir höchst unwahrscheinlich erschien, dass Richard dieses Mal kommen würde, wusste ich, dass ich schon bald wiedersehen würde. Diese Gedanken zauberte mir immer wieder ein Lächeln auf die Lippen und ließ die Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen. Das war genauso, wie beim ersten Mal, als ich ihn küsste oder er mich auch nur ansah.
Ich kletterte empor, setzte mich auf den Holzboden und spielte gedankenverloren ein paar Lieder auf meiner Gitarre. Das machten meine Finger anscheinend von ganz allein, denn Nachdenken konnte ich parallel auch noch. Ich fühle mich bereit. Bereit weiter zu gehen. Zusammenziehen, heiraten. Vielleicht wollte er es auch. Vielleicht auch nichts. Wenn nicht, wäre es auch nicht schlimm. Ich liebe ihn trotzdem weiter. Egal, was kommen mag...

Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt