In einem letzten, verzweifelten Reflex schloss ich die Augen. Vielleicht war es besser, wenn ich es nicht kommen sah. Schier unendlich zogen sich meine letzten Sekunden in die Länge. Diese elendige Warterei! Warum brachte sie es nicht endlich zu Ende? Was hielt Bela davon ab, mir nun den Gnadenstoß zu versetzen? Weinend und wimmernd lag ich am Boden und musste soeben einen wahrlich erbärmlichen Anblick abgeben. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als ich eine Bewegung seitens Bela vernahm. Das Rascheln von Stoff war zu hören und plötzlich ertönte ihre Stimme erschreckend nahe.
„Meinst du das ernst? Also, dass du mich liebst, oder sagst du das nur, damit ich dich nicht töte?“, fragte Bela seltsam tonlos. Von ihrer vorherigen Wut war nichts mehr zu hören und vorsichtig öffnete ich die verweinten Augen. Sie kniete auf dem Boden, über mich gebeugt, während ein fragender Ausdruck ihr schönes Gesicht zierte. Meine Angst hatte sich längst noch nicht gelegt und mir war bewusst, dass ich meine Worte mit Bedacht wählen musste. Ich benötigte erst einige Sekunden, um überhaupt einen Ton herauszubringen, während ich ihrem stechend gelben Blick akribisch auswich.
„Es ist die Wahrheit, Bela. Ich muss den Verstand verloren haben, aber ich habe mich tatsächlich in dich verliebt. Glaub mir oder nicht, doch wenn es nicht so wäre, müsste ich mir den Tod doch herbeisehnen! Wer sonst würde an diesem Leben, das ich hier führe, hängen abgesehen von einem dummen Menschen, der sich in das Monster, das ihn festhält, verliebt hat?“, entgegnete ich so energisch, wie es mir meine momentane Todesangst erlaubte. Zunächst schwieg Bela, wobei ich ihren Gesichtsausdruck nicht recht zu deuten wusste. Panisch fragte ich mich, ob ich etwas Falsches gesagt hatte, ob meine Worte zu provokant oder beleidigend gewesen waren.
Dann nach einigen qualvollen Sekunden des Wartens erlöste mich Bela endlich von meiner Ungewissheit. Plötzlich zeigte ihr Gesicht eine Sanftheit, die ich noch nie in diesem Maße darin gesehen hatte. Es war fast so, als fiel all das Zornige und Furchteinflößende darin plötzlich in sich zusammen und machte einer schier grenzenlosen Reue Platz. „Es tut mir so leid! Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist! Bitte, kannst du mir diesen Ausbruch verzeihen?“, entschuldigte sich Bela und ehe ich auch nur über eine Antwort nachdenken konnte, hatte sie mich vom Boden gehoben. Wieder nahm sie mich auf die Arme, als wöge ich nicht mehr als eine Puppe.
Mein Protest ging in einem ängstlichen Wimmern unter, als Bela mich sanft auf dem Bett ablegte. Den vorherigen Schrecken noch lange nicht überwunden, verkrampfte ich mich unwillkürlich und bedachte Bela mit wachsamem Blick. Ihr Sinneswandel war ebenso schnell gekommen, wie das Vorhaben, mich umzubringen. Ganz vertrauen konnte ihr deswegen noch lange nicht, wenngleich sie mich noch so schuldbewusst ansah. Es war einfach alles zu schnell gegangen. Was wäre wenn sie wieder ihre Meinung änderte und mich doch noch umbrachte?
„Ich habe nicht ganz verstanden. Du willst mich jetzt doch nicht töten? Nur weil ich dir meine Liebe gestanden habe?“, hakte ich reichlich skeptisch nach.
„Das ist doch ein guter Grund“, antwortete Bela bemüht freundlich, während in ihren Augen noch immer die Schuldgefühle glänzten. „Ich habe dich nicht getötet, weil ich dir geglaubt habe, dass du nicht vorhattest, mich durch das offene Fenster zu töten. Das konntest du schließlich gar nicht wissen. Im Grunde war es nur ein riesiges Missverständnis.“ Beschämt schüttelte Bela ihren Kopf, während ich meinen Ohren kaum traute.
„Nur ein Missverständnis?! Wegen diesem Missverständnis wäre ich fast gestorben! Wie könnte ich dir jemals vertrauen oder mich bei dir sicher fühlen, wenn du jederzeit die Beherrschung verlieren kannst und mich dann in deiner Wut umbringst?!“, erwiderte ich gereizt und für diesen Moment war es mir egal, dass mich mein Gegenüber mit Leichtigkeit töten konnte. Nachdem der erste Schock überstanden war, regte sich nun Wut in mir. „Ich dachte, du wolltest mich behalten und nicht nach wenigen Tagen aufgrund eines Missverständnisses töten?“, fragte ich provokant.
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Blood-red Kisses - Resident Evil Village FF
FanfictionIn einem kleinen rumänischen Dorf wird ein achtzehnjähriges Waisenmädchen als Opfergabe zum Schloss Dimitrescu geschickt. Sie weiß nicht, was dort mit ihr geschehen soll, geht aber vom Schlimmsten aus. Dennoch ahnt sie noch nicht einmal, was sie dor...