Im ersten Moment verstand ich nicht, was um mich herum geschah, doch es konnte mir im Grunde egal sein. Ich hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen und nahm an, dass Lady Dimitrescu es nun zu Ende bringen würde. Ich befand mich im Maul ihrer Monstergestalt und nun würde sie mich fressen. Bei lebendigen Leibe gefressen zu werden, klang nach einer fruchtbaren Art zu sterben. In wenigen Sekunden würde ich am eigenen Leib erfahren, wie furchtbar es wirklich war. Allerdings kam es anders als erwartet. Die Schleimhäute um mich herum kamen plötzlich in Bewegung und ehe ich mich versah, gaben sie mich frei.
Geblendet vom gleißenden Licht der Außenwelt, spürte ich den harten Steinboden, bevor ich ihn sah. Meine gebrochenen Rippen schrien auf vor Schmerz, während ich gierig die frische Luft in meine Lunge sog. Ich hatte immer noch nicht verstanden, was gerade passiert war, als plötzlich eine vertraute Stimme an meine Ohren drang. „Es tut mir so leid! Ich habe die Kontrolle verloren und war nicht ich selbst! Geht es dir gut?“, entschuldigte sich Lady Dimitrescu überschwänglich, wobei die bloße Frage nach meiner Befindlichkeit wie Hohn in meinen Ohren klang. Nur am Rande nahm ich wahr, dass sich ihre Stimme wieder normalisiert hatte, denn nach dem ersten Schock stieg nun auch Wut in mir auf.
Sie hätte mich beinahe gefressen! Sie hatte mir mehrere Rippen gebrochen, meine Haut an verschiedenen Stellen aufgeschlitzt und mich, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, um ein Haar gefressen! Wie sollte es mir da schon gehen? Doch bevor ich ihr irgendetwas davon mitteilen konnte, erschien Lady Dimitrescu in meinem Blickfeld und beugte sich über mich. Wenngleich sie sich offensichtlich zurückverwandelt hatte, existierte das Bild des furchteinflößenden Monsters noch allzu lebhaft in meinem Geist, sodass ich unwillkürlich zurückzuckte. Außerdem war Lady Dimitrescu auch in ihrer menschlichen Gestalt noch doppelt so groß wie ich, weshalb sie geradezu bedrohlich über mir aufragte. Ängstlich versuchte ich, vor ihr zurückzuweichen, doch mein geschundenen Körper verweigerte seinen Dienst.
„Nicht doch! Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Darling! Ich bin wieder ich selbst und werde dir ganz bestimmt nichts tun“, versicherte sie mir sanft und musterte mich schuldbewusst. So ganz konnte ich ihr das nicht glauben, jetzt wo ich wusste, dass sie sich jede Sekunde in ein unkontrolliertes Monster verwandeln konnte. Dann jedoch tat ich eine falsche Bewegung, die mein Körper mit einem plötzlichen Schwall von Schmerzen bestrafte. Mir entfuhr ein gequälter Aufschrei und bevor ich protestieren konnte, hatte Lady Dimitrescu sanft ihre Hände unter mich geschoben und nahm mich mit äußerster Vorsicht in die Arme.
„Alles wird gut! Ich bringe dich ins Schloss und dort können deine Wunden dann in aller Ruhe heilen“, beschwichtigte sie mich, bevor ihr Blick plötzlich an meinem Körper herabglitt und sich vor Entsetzen weitete. „Oh nein, dein Fuß! Es tut mir so unglaublich leid, Darling!“ Irritiert folgte ich ihrem Blick und erstarrte im nächsten Moment selbst vor Schreck. Dort, wo zuvor noch mein linker Fuß gewesen war, befand sich jetzt nur noch ein Stumpf aus dem stetig das Blut floss. Bei all den Schmerzen, die ich momentan hatte, war mir der fehlende Fuß bisher tatsächlich entgangen. Nun starrte ich voller Entsetzen auf die Stelle.
Ein unbehagliches Kribbeln ging durch meinen Körper, als ich daran dachte, wie ich mit den Füßen voraus in den Schlund des Monsters gezogen worden war. Was wäre gewesen, wenn Lady Dimitrescu nur wenige Sekunden später zu sich gekommen wäre? Ich wollte es mir gar nicht vorstellen. „Es tut mir so leid! Ich wollte das nicht! Glaub mir, ich wollte dir nicht wehtun!“, schluchzte Lady Dimitrescu und mit einem irritierten Blick nach oben sah ich, dass sie tatsächlich weinte. Erstaunt nahm ich diesen Fakt auf, während mich bereits der Schwindel erfasste.
Nur ein kurzer Blick zu meinem abgetrennten Fuß zeigte, dass ich bereits zu viel Blut verloren hatte, und jetzt, da das vorherige Adrenalin allmählich meinen Körper verließ, holte mich die Erschöpfung ein. Schwärze drängte sich an die Ränder meines Sichtfelds, während mein Körper in Lady Dimitrescus Armen erschlaffte. „Nein, du darfst jetzt bloß nicht sterben! Was soll ich Bela erzählen? Bitte, bleib bei mir!“, flehte mich Lady Dimitrescu an, doch dafür war es schon zu spät. Im nächsten Moment glitt ich in die Bewusstlosigkeit.
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Blood-red Kisses - Resident Evil Village FF
FanfictionIn einem kleinen rumänischen Dorf wird ein achtzehnjähriges Waisenmädchen als Opfergabe zum Schloss Dimitrescu geschickt. Sie weiß nicht, was dort mit ihr geschehen soll, geht aber vom Schlimmsten aus. Dennoch ahnt sie noch nicht einmal, was sie dor...