Kapitel 22

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-Bela-

Seufzend schloss Bela die Tür hinter sich, wobei sie bereits erwartet wurde. „Wie geht es ihr?", fragte ihre Mutter besorgt, kaum dass sie ihr Zimmer verlassen hatte. „Sie wurde vergewaltigt! Wie soll es ihr schon gehen?", antwortete Bela vielleicht eine Spur zu heftig, doch wenn ihrer Mutter der Tonfall ihrer Tochter missfiel, so ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Tiefe Sorgenfalten zerfurchten das Gesicht ihrer Mutter und mit aufsteigender Verwirrung fragte sich Bela, um wen sich ihre Mutter dermaßen sorgte, um sie oder ihren kleinen Menschen? „Ich weiß, Daniela hat mir schon davon berichtet. Armes Ding...Das muss wirklich furchtbar für sie gewesen sein!", erwiderte Lady Dimitrescu, worauf Bela zunächst zweifelnd dreinblickte.

Es war schon fast ein wenig heuchlerisch, dass ihre Mutter die Vergewaltigung als furchtbar betitelte, während sie selbst Belas Menschlein doch gefangen gehalten und beinahe ihren Tod verschuldet hatte. Tat sie ihr nun wirklich leid oder war das nur geheuchelte Anteilnahme? Es überraschte Bela zumindest, dass sie sich ausgerechnet jetzt um das Befinden des neusten Familienmitglieds kümmerte, aber sie wollte ihrer Mutter auch nichts unterstellen. Vielleicht hatte sie auch gar nicht so unrecht, wenn sie andeutete, dass dieser Vorfall schlimmer als die vorherigen war. Sowohl ihre Schwestern als auch ihre Mutter hätten Belas Geliebte beinahe umgebracht, doch in solch einem Zustand wie dem jetzigen hatte sie sich noch nie befunden.

Sie war nach wie vor nicht ansprechbar, lag nur wimmernd und mit zusammengekniffenen Augen in ihrem Bett. Zu gerne hätte Bela sie in den Arm genommen, hätte sie sanft geküsst und ihr versichert, dass alles wieder gut werden würde, dass sie jetzt in Sicherheit war. Allerdings zuckte sie vor den kleinsten Berührungen zurück, als fürchtete sie, dass die nächste Hand, die sie berührte, sie erneut gewaltsam misshandeln könnte. Bela nahm ihr diese Reaktion gar nicht übel. Es musste ein traumatisches Erlebnis gewesen sein, das sich nicht einfach nach wenigen Stunden vergessen ließ, doch sie wusste schlichtweg nicht, was sie tun konnte. Bela wollte ihr irgendwie helfen, wollte, dass es ihr besser ging, doch momentan wusste sie nicht, wie sie das anstellen sollte.

Nach einem langen, inneren Kampf hatte sie beschlossen, ihrer Geliebten ein wenig Ruhe zu gönnen. Sie hoffte, dass es sicher war, sie allein zu lassen, aber nach ihrer bisherigen, sehr passiven Reaktion hielt Bela es für unwahrscheinlich, dass sie sich etwas antat. Bela hatte die quälende Hilfslosigkeit einfach nicht mehr ausgehalten, hatte es nicht länger ertragen, mit ihrer leidenden Geliebten in einem Raum zu sein, ohne etwas für sie tun zu können. Dennoch war ihr auch irgendwie klar, dass sie das Problem nur aufschob. Bela glaubte gewiss nicht daran, dass es ihrem Menschlein wieder blendend gehen würde, wenn sie später erneut nach ihr sah. Ein menschliches Sprichwort besagte zwar, dass die Zeit alle Wunden heile, doch dieser spezielle Fall würde wohl noch etwas mehr brauchen.

„Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll!", klagte Bela geradezu verzweifelt, als sie sich nahezu theatralisch auf das Sofa sinken ließ. Ihre Mutter und ihre Schwestern warfen ihr mitleidige Blicke zu, schienen jedoch genauso ratlos wie sie selbst zu sein. Sie hatten gerade gemeinsam zu Abend gegessen, wie sie es eigentlich immer taten, doch die Stimmung war ungewöhnlich bedrückend gewesen. Bela wusste nicht, wie es dem Rest ihrer Familie ging, aber für sie war die Lücke, die der freie Stuhl am Esstisch repräsentierte, nur allzu deutlich zu spüren gewesen. Auch wenn ihre Geliebte noch nicht sonderlich lange am gemeinsamen Abendessen teilnahm, hatte sich Bela bereits an ihre dortige Anwesenheit gewöhnt. Es machte sie traurig, dass sie heute nicht mit ihnen essen konnte, doch Bela war es selbstverständlich nicht gelungen, sie dazu zu bewegen.

Sie seufzte tief und ließ sich kraftlos gegen die Lehne des Sofas sinken. Hatte sie ihrer armen Geliebten genug Ruhezeit eingeräumt? Lohnte es sich, erneut ihr Glück zu versuchen? Vielleicht war sie inzwischen sogar ansprechbar. Während Bela noch über ihr weiteres Vorgehen grübelte, schien Daniela schon einen Schritt weiter zu sein. „Vielleicht solltest du noch einmal vorbeischauen, wie es ihr jetzt geht. Kann ja sein, dass es schon besser geworden ist", schlug Daniela leichtfertig vor, doch Bela hatte noch Zweifel. „Ich glaube kaum, dass sich ihr Zustand in dieser kurzen Zeitspanne gebessert hat und außerdem sieht es nicht so aus, als ob ich ihr auf irgendeine Weise helfen könnte", erklärte Bela niedergeschlagen und fühlte sich in diesem Moment vollkommen hoffnungslos.

Blood-red Kisses - Resident Evil Village FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt