Kapitel 52

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Ich hörte meinen eigenen Atem unnatürlich laut in der alles durchdringenden Finsternis, die mich umgab. Generell hatte sich mein Gehör merklich verbessert, seit mir Heisenberg das Augenlicht geraubt hatte. Nein, genau genommen hatte er mir nicht nur das Augenlicht sondern gleich beide Augen geraubt! Er hatte sie mir mit dieser furchtbaren Zange herausgerissen, wobei allein die Erinnerung an diese grauenvolle Tat mich schaudern ließ. Das Gefühl war absolut widerlich gewesen, sodass ich tatsächlich erleichtert gewesen war, als es endlich vollbracht war. Von dieser anfänglichen Erleichterung war mir nicht viel geblieben. Nun lag ich hier in völliger Dunkelheit und wartete quasi nur darauf, dass Heisenberg zurückkehrte, um den nächsten seiner sadistischen Pläne in die Tat umzusetzen.

Dabei war die Blindheit kein Trost, wie ich zunächst angenommen hatte, sondern machte es nur noch schlimmer. Jedes Geräusch, das unnatürlich laut an meine geschärften Ohren drang, ließ mich unwillkürlich zusammenzucken. Ich rechnete direkt mit dem Schlimmsten, mit Heisenbergs Rückkehr, wobei es in dieser riesigen Fabrik jede Menge Geräusche gab, vor denen man sich erschrecken konnte. Natürlich diente die Schärfung meines Gehörs dazu, die wegfallenden visuellen Sinneseindrücke auszugleichen, aber in meiner momentanen Lage machte mich die Geräuschsensibilität nur noch nervöser. So zuckte ich erneut zusammen, als sich plötzlich gänzlich neue Geräusche unter die der Fabrik mischten.

Was war denn jetzt los? Mir war schon bewusst gewesen, dass in dieser Fabrik einige Dinge vor sich gingen, die ich gar nicht im Detail wissen wollte, doch nun klang es fast so, als würde ein wütender Bienenschwarm darin seine Runden drehen. Das penetrante Summen wurde immer lauter und noch hatte mein betäubter, geschundenen Verstand nicht die eigentlich offensichtliche Schlussfolgerung gezogen. Erst als ein entsetztes Aufkeuchen folgte und eine schmerzlich vertraute Stimme erklang, traf mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag. „Baby! Was hat dieses Arschloch dir nun angetan!“, rief Bela entsetzt und im nächsten Moment spürte ich weiche Hände, die mein Gesicht umfassten.

Meine erste reflexartige Reaktion auf die unerwartete Berührung war es, erschrocken zusammenzuzucken, doch dann gelang es mir endlich, den Sachverhalt zu verstehen. Sie waren gekommen! Bela, Cassandra und Daniela waren gekommen, um mich zu retten. „Bela…ich bin so froh…“, hauchte ich kraftlos, wobei ich meine Stimme in letzter Zeit nur selten benutzt hatte. „Alles wird gut! Ich befreie dich erst einmal von diesen Fesseln und dann hauen wir hier schnellstens ab!“, verkündete Bela sanft und machte sich gleich darauf an meinen Fesseln zu schaffen. Am Rande meiner Wahrnehmung registrierte ich, dass Daniela und Cassandra neben uns standen und sich flüsternd unterhielten.

„Was ist mit ihr? Warum macht sie nicht die Augen auf?“, fragte Daniela verwirrt. „Schau doch einmal genau hin! Dieser Bastard hat ihr die Augen entfernt! Sie sind da drüben in dem Glas mit der komischen Flüssigkeit“, antwortete Cassandra ebenso flüsternd, doch ich hörte jedes Wort. In dieser Sekunde war ich wirklich froh, dass ich das Glas, in dem angeblich meine Augen schwammen nicht selbst sehen konnte. Bela hatte soeben die letzte meiner Fesseln gelöst und nahm mich behutsam auf die Arme, als eine neue Stimme erklang, die nichts als grenzenlose Furcht in mir auslöste.

„Was denkt ihr, was ihr hier macht? Einfach in meine Fabrik einbrechen und mein Versuchsobjekt stehlen?“, fragte Heisenberg sarkastisch, aber der drohende Unterton in seiner Stimme war kaum zu überhören. „Sie ist nicht dein Versuchsobjekt, sondern meine Freundin!“, giftete Bela ungerührt zurück. „Wir werden sie nach Hause bringen und an deiner Stelle würde ich mich uns nicht in dem Weg stellen!“ Heisenberg stieß ein spöttisches Lachen aus und ließ sich von Belas Drohung offensichtlich nicht einschüchtern. Beunruhigt kuschelte ich mich an Bela, als plötzlich etwas Unerwartetes geschah.

Ein lautes Kreischen ertönte, das klang, als ob man mit einer scharfen Klinge über Metall fuhr, und ich hörte, wie Heisenberg überrascht keuchte. „Was soll das, du kolossales Miststück?! Wolltest du mich mit deinen tollen Krallen aufspießen? Du weißt, was Mutter Miranda von gegenseitigem Töten hält!“, entgegnete er wütend. Ich atmete erleichtert auf, als ich Alcinas Stimme vernahm. „Das sollte ich eigentlich machen nach dem, was du meiner Tochter angetan hast! Aber nein, wir werden uns an Mutter Mirandas Anweisung halten. Solltest du uns nicht aber sofort gehen lassen, werde ich deine gesamte Fabrik in Schutt und Asche legen!“, drohte sie mit tiefer, furchteinflößender Stimme.

Blood-red Kisses - Resident Evil Village FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt