Kapitel 50

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Gehetzt schoss mein Blick zur Tür, doch als ich dort nichts Ungewöhnliches fand, gelang es mir, mich wieder einigermaßen zu beruhigen. Vermutlich hatte ich mir das Geräusch nur eingebildet, denn Heisenberg war jedenfalls nicht zurückgekehrt. Dafür war es schließlich noch zu früh. Zwar musste ich mich dafür geradezu verrenken, aber ein kurzer Blick zu meiner rechten Hand genügte, um meine Hypothese zu bestätigen. Dort befanden sich zehn hässliche, blutverkrustete Fingerstümpfe, wobei das träge Kribbeln darin verkündete, dass die Regeneration noch einiges an Zeit beanspruchen würde. Ohne hinzusehen, wusste ich, dass dasselbe für die linke Hand und die beiden Füße galt.

Heisenberg bestand darauf, alle Finger und Zehen nacheinander abzuknipsen, nachdem sie nachgewachsen waren. Dementsprechend würde ich noch ein wenig Ruhe vor ihm haben. Ein hysterisches Kichern verendete in meiner Kehle, als mir bewusst wurde, dass ich mich darüber freute. Ich wollte gar nicht, dass die Finger und Zehen nachwuchsen! Wenn sie das taten, würde das nur weiteren Schmerz, unfassbare Qualen, für mich bedeuten. Seit mich Heisenberg hier in seiner Fabrik festhielt, hatte er mir bereits dreimal alle Finger und Zehen abgeschnitten. Zunächst waren die Gliedmaßen relativ schnell nachgewachsen, aber je mehr Energie mich die Regeneration kostete, desto langsamer ging sie voran. Beim dritten Mal war Heisenberg ungeduldig geworden und hatte die Finger und Zehen abgetrennt, bevor sie vollständig nachgewachsen waren.

Ich hatte ihm zwar erklärt, dass ich Fleisch bräuchte, um meine Regenerationsfähigkeit wieder in Schwung zu bringen, aber Heisenberg hielt das für einen Trick und ließ mich weiterhin hungern. Vermutlich war ihm klar, dass mit der Regenerationsfähigkeit auch die mentalen Kräfte zurückkehren würden, und er hatte keine Lust auf weitere Attacken dieser Art. Allerdings hatten meine mentalen Angriffe auch kaum etwas bewirkt. Wenn ich Heisenberg meine traumatischen Erinnerungen zeigte, konnte ich ihn für einige Sekunden aus der Fassung bringen, doch das trug noch lange nicht dazu bei, mich zu befreien. Vielleicht war es auch gut, dass meine Regenerationsfähigkeit langsam versiegte. Wenn meine Finger und Zehen nicht nachwuchsen, konnte Heisenberg sie auch nicht abschneiden.

Allerdings sollte ich diesen naiven Gedanken nur kurz darauf bitter bereuen. Als Heisenberg schließlich zurückkehrte und meine noch immer nicht nachgewachsenen Fingerstümpfe besah, verzog sich seine Miene sogleich vor Ärger. Dieses Gefühl schien jedoch nicht lange anzuhalten und machte einem viel beunruhigenderen Ausdruck Platz. „Na ja, das mit den Fingern wurde sowieso langweilig! Es wird Zeit, in größeren Dimensionen zu denken!“, verkündete Heisenberg in unheilverkündendem Tonfall, was mich augenblicklich zusammenzucken ließ. Was auch immer er vorhatte, ich wusste nicht, ob mein Körper dem noch standhalten konnte.

Wieder kramte Heisenberg zwischen seinen Werkzeugen herum, doch das, mit dem er dieses Mal zurückkam, war weitaus schlimmer als die Zange. Stolz präsentierte er die große, etwas rostige Säge und im selben Moment überkam mich Übelkeit. „Nein, tu das nicht! Ich werde sterben! Meine Fähigkeit ist zu schwach, um die Blutung zu stillen!“, flehte ich am Rande der Verzweiflung, aber natürlich ignorierte mich Heisenberg gnadenlos. Er setzte die Säge oberhalb von meinem Fuß am Bein an und begann, sie grob, aber gleichmäßig zu bewegen. Ich schrie auf, aber er ließ sich nicht beirren. Immer weiter sägte er in mein Fleisch und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er eine andere, schärfere Waffe dafür gewählt hätte.

Doch das Absägen eines Fußes war eine langsame und qualvolle Prozedur, deren Beendigung man sich förmlich herbeisehnte. So war es vor allem Erleichterung, die mich in Strömen durchflutete, als die Säge endlich den Knochen und kurz darauf auch den Rest meines Fleisches durchtrennte. Mein linker Fuß war nicht länger Teil meines Körpers, aber ich hatte schon Schlimmeres durchgestanden und zumindest war es nun vorbei. Doch dann erkannte ich mit reichlich Verspätung, dass meine Erleichterung völlig fehl am Platz war. Das Blut schoss wie eine tiefrote Flut aus dem Fußstumpf und mit Entsetzen wurde mir klar, dass ich unweigerlich verbluten würde, wenn niemand die Blutung stillte.

Blood-red Kisses - Resident Evil Village FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt