Kapitel 47

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„Warte, jetzt erkläre mir das Ganze noch einmal in Ruhe, Alcina. Was soll Donna getan haben?“, unterbrach Mutter Miranda soeben Alcinas aufgebrachten Vortrag. Diese hielt mit funkensprühendem Blick inne, bevor sie tief durchatmete und sich offenbar zu beruhigen versuchte. „Donna hat versucht, sie zu töten, und sich damit deinem Befehl widersetzt!“, erklärte Alcina dann immer noch verärgert, doch dieses Mal dürfte Mutter Miranda die Anschuldigung verstanden haben. Wie zuvor angekündigt, wollte sie Donna für das, was sie mir angetan hatte, zur Rechenschaft ziehen und hatte deswegen um ein weiteres Familientreffen gebeten. Mutter Miranda hatte ihr dieses gewährt und nun saßen wir wieder alle zusammen, wobei Heisenberg und Moreau, die mit der Angelegenheit schließlich nichts zu tun hatten, der Unterhaltung interessiert folgten.

Als Hauptzeugin und Opfer von Donnas Tat war ich natürlich auch anwesend, aber vorerst überließ ich Alcina das Reden. Ich saß auf Belas Schoß, die beschützerisch die Arme um mich geschlungen hatte und Donna über die Entfernung hinweg mit ihrem vernichtenden Blick förmlich durchbohrte. Wir hatten Bela eingeschärft, bloß nicht die Fassung zu verlieren und Donna allzu aggressiv anzugehen, denn wenn wir das Geschehene sachlich darlegten, musste uns Mutter Miranda einfach rechtgeben. Bisher schien sie unparteiisch an die Angelegenheit heranzugehen. „Donna, ist das wahr? Hast du versucht, sie zu töten?“, hakte diese nun mit einem strengen Unterton, der tatsächlich an eine tadelnde Mutter erinnerte, nach.

Donna, die schwarz verhüllte Gestalt, die glücklicherweise in einiger Distanz von uns saß, richtete sich auf ihrer Bank auf. „Alcinas Vorwürfe sind reichlich übertrieben. Ich habe dem Mädchen keinen körperlichen Schaden zugefügt. Was sie behauptet ist schlichtweg nicht wahr“, widersprach Donna so seelenruhig, dass selbst ich nun vor Wut kochte. „Was für eine dreiste Lüge! Du hättest sie um ein Haar umgebracht! Nur weil die Wunden inzwischen verheilt sind, kannst du den Vorfall nicht leugnen! Schließlich steht hier das Wort von uns allen gegenüber deines allein!“, mischte sich Bela nun doch gegen ihren Vorsatz ein. Allerdings ließ sich Donna nicht aus der Ruhe bringen.

„Ich leugne hier gar nichts. Ich habe ihr diese Wunden nicht zugefügt und das ist die Wahrheit. Du warst es doch, die sie fast getötet hat, und nicht ich“, entgegnete sie schulterzuckend, wobei ich deutlich spüren konnte, wie Bela vor Wut bebte. „Das hat sie doch nur getan, weil du und deine blöde Illusion sie dazu gebracht haben! Bela würde ihrer Geliebten niemals aus freien Stücken etwas zuleide tun!“, meldete sich nun auch Daniela zu Wort und verteidigte ihre Schwester. Mutter Miranda, die dem Wortwechsel interessiert gefolgt war, wandte sich wieder Donna zu. „Stimmt das? Du hast Bela mit einer deiner Illusionen dazu gebracht, ihre Geliebte oder Schwester, oder was auch immer sie ist, zu verletzen?“, fragte sie Donna mit gerunzelter Stirn.

„Sie hat nicht nur Bela in ihren Illusionen gefangen, sondern beide! Unsere liebe Adoptivschwester hätte sich auch fast ihretwegen die Pulsandern aufgeschlitzt!“, warf Cassandra noch ein, was ihr einen verärgerten Blick von Mutter Miranda einbrachte, die immer noch auf Donnas Antwort wartete. Am Rande registrierte ich all die Begriffe, mit denen ich heute bezeichnet wurde. Adoptivschwester war jedenfalls neu und auch ein wenig seltsam, wenn man bedachte, dass ich mit Bela zusammen war.

„Na ja, ganz so drastisch würde ich das nicht ausdrücken, Mutter Miranda“, begann Donna erneut, sich herauszureden. „Ich wollte lediglich die Aufgabe erfüllen, die du mir aufgetragen hast, und habe meine Kräfte auf sie angewandt. Darum ging es doch im Grunde: Ich wollte ihr helfen, stärker zu werden, aber sind wir einmal ehrlich. Sie taugt nichts, Mutter Miranda, wenn ich so offen sprechen darf. Du verschwendest nur deine Zeit mit ihr. Sie war vollkommen hilflos und erbärmlich, als ich meine Fähigkeit auf sie angewendet habe, und war bereits nach wenigen Stunden bereit, sich das Leben zu nehmen. Ihr Körper mag sich zwar verwandelt haben, aber im Inneren ist sie immer noch ein schwacher, unbrauchbarer Mensch. Ich habe dir lediglich die Arbeit genommen, diese Feststellung selbst zu tätigen.“

Blood-red Kisses - Resident Evil Village FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt