Kapitel 40

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Alcina hielt mich noch immer in den Armen, als Bela, Cassandra und Daniela schließlich den Raum betraten. Die Schlossherrin hatte ein Dienstmädchen angewiesen, ihre Töchter herzuholen, und diese hatten sich das offensichtlich nicht zweimal sagen lassen. „Was ist passiert? Geht es euch gut?“, fragte Bela, kaum dass sie durch die Tür getreten war. Dann fand ihr besorgter Blick mich, die sich erschöpft in die Arme ihrer Mutter schmiegte, und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Baby, was ist mit dir?“, fragte sie ängstlich und eilte zu mir. Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, um einen Blick in den Spiegel zu werfen, aber konnte mir vorstellen, dass ich soeben furchtbar aussah.

Mein Kleid war an mehreren Stellen zerrissen und blutverkrustet, meine Haare wirr und verklebt. Generell fühlte sich mein ganzer Körper widerlich klebrig an, ein Umstand, der sich nur durch Speichel erklären ließ, doch diesen unangenehmen Gedanken schob ich eilig beiseite. Ich brauchte ein heißes Bad und frische Kleidung, das stand fest. Allerdings war es weniger der optische Aspekt, der Bela in höchste Beunruhigung versetzt hatte. „Du siehst so verstört aus! Sagt mir doch endlich, was vorgefallen ist!“, verlangte Bela mit einer kaum zu überhörenden Dringlichkeit und musterte mich besorgt. Ich hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gedanken um meinen derzeitigen Gesichtsausdruck gemacht, doch vermutlich hatte Bela recht und ich sah gerade dezent verstört aus.

Dazu hatte ich schließlich auch jeden Grund, wenn man bedachte, was heute bereits passiert war. Alcina hatte die Kontrolle verloren und mich um ein Haar gefressen, aber so schwer es mir immer noch fiel, diesen Fakt zu verarbeiten, bestand doch die wahre Schwierigkeit darin, genau das nun Bela mitzuteilen. Alcina hatte mir bereits gestanden, dass sie sich vor der Wut ihrer ältesten Tochter fürchtete, was ich auch verstehen konnte. Bela reagierte überaus empfindlich, wenn es um mein Wohlergehen ging, aber wir mussten ihr schonend beibringen, dass ihre Mutter genauso wenig Schuld an diesem Vorfall trug wie ich. Es war einfach eine schreckliche Verkettung von Ereignissen gewesen, bei der keiner so wirklich der Schuldige war, am ehesten noch die Eindringlinge, die den Dolch hatten stehlen wollen, wenn ich es richtig bedachte.

„Bela, ich weiß gar nicht, wie ich dir das am besten beibringen soll…“, setzte Alcina zögerlich an, doch ich fiel ihr reichlich unhöflich ins Wort. „Es ist überhaupt keine große Sache! Kein Grund, dir Sorgen zu machen, denn, wie du siehst, bin ich wohlauf! Im Grunde war das nur ein kleiner Zwischenfall, ein unglücklicher Zufall, aber am Ende ist alles noch einmal gut ausgegangen!“, betonte ich möglichst unbeschwert, was mir nur behelfsmäßig gelingen wollte. Bela konnte ich mit diesem schlechten Schauspiel nicht täuschen, das sah ich bereits an ihrer skeptisch gerunzelten Stirn.

„Es ist wirklich süß von dir, wie du mich in Schutz nehmen willst, Darling, aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt“, entgegnete Alcina niedergeschlagen und streichelte mir über das zerzauste Haar. „Das war keine Kleinigkeit und es tut mir wahnsinnig leid, Bela. Ich hätte nie erlauben dürfen, dass sie mich begleitet, doch ich war dermaßen in Eile, dass ich alle möglichen Gefahren gekonnt ignoriert habe.“ Wenngleich Alcinas Entschuldigung primär an Bela gerichtet war, mischten sich nun auch Daniela und Cassandra in die Unterhaltung ein. „Was war denn jetzt eigentlich mit den Eindringlingen? Sie haben doch nicht wirklich den Dolch in die Finger bekommen?“, fragte Cassandra besorgt und musterte die Blutflecken auf Alcinas weißem Kleid.

„Hast du die Typen alle erwischt und noch wichtiger, gibt es sie heute zum Abendessen?“, wollte Daniela derweil eifrig wissen, wobei ihr Enthusiasmus irgendwie deplatziert wirkte in der angespannten Stimmung. Alcina ließ ein tiefes Seufzen verlauten, bevor sie auf die Fragen ihrer Töchter antwortete. „Ich habe die Gefahr, die von den Eindringlingen ausging, eindeutig unterschätzt und damit meine ich nicht einmal unbedingt die Gefahr für mich…Sie haben tatsächlich den Dolch in die Hände bekommen und dann ist die Situation viel zu schnell eskaliert“, erklärte sie und warf mir einen schuldbewussten Blick zu. „Keine Sorge, ich konnte sie alle töten und der Dolch ist wieder an seinem Platz, aber leider ist es einem von ihnen zuvor gelungen, mich damit zu verwunden. Ihr werdet euch sicher noch erinnern, dass ich die Kontrolle über meinen Körper verliere und mich unwillkürlich verwandle, wenn ich mit dem Dolch verletzt werde und genau das ist passiert.“

Blood-red Kisses - Resident Evil Village FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt