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Noch immer saß ich wie erstarrt mit dem Rücken an der Wand. Das konnte doch alles nicht wahr sein, oder? Im Kopf ging ich so viele Szenarien durch, doch ich kam einfach auf keinen gemeinsamen Nenner. Noch vor zehn Jahren ging Alan selbst davon aus, dass Michael seine eigene Tochter umgebracht hatte und jetzt? Jetzt half er ihm dabei Rache zu nehmen und das sogar an unschuldigen Menschen.

Wie lange ich mittlerweile in diesem Loch saß, wusste ich nicht, denn jegliches Zeitgefühl war verschwunden. Es war noch immer dunkel draußen, was die Suche nach mir erheblich erschwerte. Ich hatte zudem keine Möglichkeit selbst hier herauszukommen – dafür hatte Alan schon gesorgt.

Ich ging davon aus, dass er das Gebäude verlassen hatte, wodurch mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Ich kannte das Gebäude schließlich von den Bildern die Jessy geschossen hatte und von dem Video von Thomas. Es war ein Gebäude, was einen in Angst und Schrecken versetzte.

Schreien würde hier ebenfalls nichts bringen, denn rund herum war nur Wald und sonst nichts. Der nächste Nachbar war wahrscheinlich Kilometer weit entfernt und Fußgänger kamen um diese Zeit sicher auch nicht hier vorbei. Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die kalte Betonwand. Meine Hände waren bereits eiskalt und es fühlte sich an, als würden sie jeden Moment absterben. Das Seil schnürte regelrecht die Blutzufuhr ab und mit jeder kleinen Bewegung schmerzten die Handgelenke nur noch mehr.

Völlig übermüdet und entkräftet, fing ich am ganzen Körper an zu zittern. Immer wieder fielen mir die Augen zu, doch immer wieder kämpfte ich dagegen an. Ich versuchte meine Gedanken auf Jake zu lenken, doch auch das gelang mir nur sehr schwer. Wieder einmal hatte ich mich falsch entschieden. Warum konnte ich nicht aus meinen Fehlern lernen? Warum hatte ich nicht einfach dieses verdammte Auto von Jessy genommen? Meine Sturheit stand mir erneut im Weg, wie schon so oft in meinem Leben.

Obwohl ich mich die ganze Zeit dagegen gewehrt hatte, fiel ich schließlich zur Seite. Die Kraft hatte mich verlassen – selbst das Zittern hatte aufgehört. Die Augen fielen mir zu und es fühlte sich an, als würde ich bewusstlos werden – aber dem war nicht so. Mein kompletter Körper entspannte sich und zog mich in die Traumwelt. Allerdings waren es auch dieses Mal nur Albträume. Albträume die dieses Mal überhaupt keinen Sinn ergaben, oder doch?

»Dornröschen! Aufwachen!«, ertönte die dunkle Stimme eines Mannes und ich wusste, dass diese Stimme zu keiner Person in meinem Traum passte. Erschrocken riss ich die Augen auf und sah meinen Peiniger völlig benommen an.

Er trug keine Maske, stattdessen grinste er mich eklig an und kniete sich vor mich hin. Er griff mit einer Hand hinter mich und kam mir mit seinem Gesicht bedrohlich nahe – genauso wie auf dem Revier. Sein Atem auf meiner Haut bescherte mir auf dem ganzen Körper eine Gänsehaut, was aber alles andere als toll war. Er löste das Seil von meinen Handgelenken und zog meinen linken Arm nach vorne. Unsanft griff er nach meinem Handgelenk, was extrem geschwollen und rot war und zog mich hoch.

»Du verdammtes Arschloch! Was willst du von mir?«, brüllte ich ihn an, während ich versuchte mich aus seinem Griff zu lösen.

Sein gehässiges und tiefes Lachen drehte mir den Magen um. Da er sehr viel stärker war als ich, hatte ich überhaupt keine Chance zu entkommen. Er schleifte mich regelrecht hinter sich her. Die Treppe hinunter, bis hin zu dem Raum neben der Eingangstür. Der Raum war auch dieses Mal mit Kerzen ausgeleuchtet. Das Fenster war mit einer Plastikfolie verdeckt und in der Mitte stand ein langer Tisch. Die Wände waren kahl und kalt und ehe ich mich versah, lag ich rücklings auf dem Tisch. Ich versuchte mich mit aller Kraft zu wehren. Schlug um mich, kratzte ihn und trat nach ihm – doch all das machte ihm überhaupt nichts aus. Alan fesselte mich an den Handgelenken und an den Knöcheln mit breiten Gurten.

Duskwood - Falsche Entscheidungen ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt