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»Soll ich mitkommen?«, fragte Jessy, als wir am Krankenhaus angekommen waren und sie das Auto geparkt hatte.

»Nein. Musst du nicht. Ich schaffe das schon«, entgegnete ich und öffnete die Tür, doch gerade als ich aussteigen wollte, hielt sie mich am Arm fest.

»Ich weiß, aber das musst du nicht alleine durchstehen. Lass mich dir helfen .. Dafür sind Freunde doch da«, sprach sie mit fester Stimme und in ihren Worten lag kein bitten oder flehen, sie hatte es bereits beschlossen.

»Hör auf, Jessy! Du erzählst mir hier was von Freundschaft, bist aber die ganze Zeit nicht für mich dagewesen, weil du beleidigt warst. Du warst beleidigt, weil ich was mit Richy hatte und es dir nicht gesagt habe!! Ich hätte dich gebraucht, stattdessen bist du bockig abgezischt«, fuhr ich sie harsch an, stieg aus und knallte die Tür hinter mir zu.

Beinahe schnaufend, betrat ich das Krankenhaus, blieb dann aber erst mal kurz stehen und atmete mehrmals durch. Ich musste mich nun beruhigen, denn mit so viel Wut im Bauch, könnte ich nicht zu einer Untersuchung gehen.

Langsam lief ich zur gynäkologischen Station und suchte dort die Anmeldung auf. Hinter der Theke saßen zwei Schwestern, die mich direkt freundlich ansahen und mich begrüßten.

»Hallo.. Ich müsste bitte einmal zum Arzt rein. Er muss einen Vaginalabstrich machen ... Ich ... Ähm ... Ich komme direkt von der Polizei, weil ich ...«, stotterte ich herum, doch als das Wort „Polizei" fiel, wussten die Schwestern schon direkt, was los war, weshalb sie den Rest gar nicht so genau wissen wollten.

»Warten Sie kurz hier, ich werde dem Arzt Bescheid sagen«, meinte dann die etwas Ältere und stand auf.

Ich nickte nur, lehnte mich an der Theke an und sah ihr hinterher, bis sie in einem Zimmer verschwand. Keine 5 Minuten später kam sie raus und winkte mich zu sich.

Langsam – beinahe im Schneckentempo – bewegte ich mich vorwärts. Nun kam die Angst in mir hoch, dass der Arzt wirklich etwas finden und feststellen würde. Hatte Alan mich verletzt? Wenn ja, warum merkte ich da nichts von? Oder verdrängte ich das einfach nur alles?

Als ich das Zimmer betrat, merkte ich, wie meine Hände schweißnass wurden. Mein Puls raste und ich hatte das Gefühl, als würde mir mein Herz gleich aus der Brust springen. Meine Atmung wurde schneller und unkontrollierter, sodass ich wieder kurz vor dem Hyperventilieren stand. Ich wusste nicht mal, warum ich jetzt .. genau in diesem Moment, so durchdrehte.

»Beruhigen Sie sich, Miss Hoover. Setzen Sie sich erst mal hin und atmen in Ruhe ein und aus«, sprach der Arzt beruhigend auf mich ein und bot mir den Stuhl vor seinem Schreibtisch an.

Schon fast stolpernd erreichte ich den Stuhl und setzte mich hin. Mein Rücken schmerzte mittlerweile so stark, dass ich kaum gerade sitzen konnte – doch die zu schnelle Atmung verursachte diese Schmerzen und diese bekam ich gerade nicht in den Griff.

»Hier, atmen Sie da rein. Immer schön tief Ein- und Ausatmen«, erklärte er mir und hielt mir eine Tüte vor die Nase.

Mit der linken Hand griff ich nach dieser und hielt sie mir über die Nase und den Mund. Dann konzentrierte ich mich auf meine Atmung und schloss dabei die Augen. Die Tüte zog sich zusammen, um sich nur einen Augenblick danach wieder zu entfalten. Ich merkte, wie sich mein Puls langsam wieder dem normalen Bereich näherte und auch das Schwitzen mehr und mehr abnahm.

»Geht es wieder?«, hakte der Arzt nach und ich nickte leicht.

Dann nahm ich die Tüte runter und sah dem Arzt direkt in seine strahlend, blauen Augen. Erst da bemerkte ich, wie jung er eigentlich noch war. Ich räusperte mich und dachte ernsthaft darüber nach, ob ich mich von ihm überhaupt untersuchen lassen wollte. Er war vielleicht Mitte dreißig oder ging gerade auf die vierzig zu – doch die Tatsache, dass ich bisher nur ältere Frauenärzte kennengelernt hatte, machte mich nervös.

Duskwood - Falsche Entscheidungen ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt