Seufzend drehte ich mich von der Tür weg und wollte einfach nur noch gehen, als ich eine Hand an meinem Unterarm spürte, die mich zurückhielt.
»Warte, Kim«, bat mich Richy und die warme, ruhige Stimme brachte mich dazu, mich etwas zu beruhigen.
Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite, um über meine Schulter sehen zu können. Richy zog einen Mundwinkel leicht nach oben und sah mich mit schief gelegtem Kopf an. Er ließ meinen Arm los und trat schließlich vor mich, wohl weil er Angst hatte, ich könnte es mir doch noch anders überlegen und weglaufen.
»Es tut mir leid. Also, dass ich gerade nicht reagiert habe, aber ich stand ehrlich gesagt ein bisschen unter Schock«, versuchte er mir dann zu erklären und dabei ging ich davon aus, dass er die Tatsache meinte, dass ich im Gefängnis war.
Seufzend senkte ich meinen Kopf und außer einem leisen „Mh" kam nichts von mir. Sachte legte er eine Hand an mein Kinn und hob es an, doch ich versuchte seinem Blick auszuweichen. Ich wusste nicht, wieso ich ihn nicht ansehen konnte, aber vielleicht war es einfach nur dieses schlechte Gewissen, was ich nun ihm gegenüber hatte.
»Weißt du. So etwas über Hannah zu erfahren, ist nicht einfach für uns. Wir haben wirklich gedacht, wir würden sie kennen, aber so wie es aussieht, hat sie uns weitaus mehr verheimlicht, als wir dachten. Ihr kennt euch also von früher?«
Bestätigend sah ich ihm schließlich direkt in die Augen und ein erneutes Seufzen verließ meinen Mund. Richy schüttelte minimal den Kopf und zog mich an sich heran. Behutsam legte er eine Hand an meinen Hinterkopf, während die andere auf meinem Rücken hoch und runterfuhr.
In dem Moment konnte ich einfach nicht mehr anders und ließ alles heraus. Die aufgestaute Wut, die sich gleichzeitig in Schmerz und Trauer verwandelte und als Tränen meinen Körper verließ.
Ich schob meine Arme unter seinen hindurch und krallte mich dann an seinen Schultern fest. Erst jetzt merkte ich, wie lange ich all das überhaupt zurückgehalten hatte. Ich hatte alles hinuntergeschluckt, nur um niemanden damit zu nerven.
Die Bilder, die mir durch den Kopf schossen, brachten meinen Körper zum Beben. Ich zitterte, aber nicht, weil mir kalt war. Die Zeit im Gefängnis war der blanke Horror, auch wenn das sicher jeder Insasse sagen würde – doch es gab dort auch viele Grüppchen, die sich zusammenschlossen, nur um andere zu verletzen.
Eingeschüchtert und niedergeschlagen wie ich damals war, war ich im Gefängnis ein gefundenes Fressen für die stärkeren, brutaleren Frauen. Was alles mit einer dummen Pöbelei anfing – was sicher auch einige Mädchen und Jungen aus der Schule kannten – endete mit einer schweren Körperverletzung.
Ich spürte noch jetzt die Fäuste der Frauen in meinem Gesicht. Die Schuhe in meinem Bauch oder die angespitzte Zahnbürste auf meiner Haut. Und all das hätte für mich anders ausgehen können, wenn sich meine damalige Clique nicht gegen mich gestellt hätte und wenn Hannah nicht abgehauen wäre.
»Komm ... Wir gehen nach Hause. Ich mach uns eine heiße Schokolade und du erzählst mir alles, mh?«
Ich hob meinen Kopf und sah ihm in seine braunen Augen. Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen, denn ich hätte ihn nie für den Typ Mann gehalten, der mit seiner Freundin eine heiße Schokolade trinken würde, um zu reden.
»Was ist denn?«, fragte er mich und legte seine Stirn in Falten.
»Nichts. Alles gut. Lass uns gehen«, erwiderte ich, trat einen Schritt zurück und nahm seine Hand.
Das war das erste Mal, dass ich mich mit ihm – als Paar – in der Öffentlichkeit zeigte, doch es war ein schönes Gefühl. Jetzt verstand ich auch, was Jake meinte, auch wenn ich es lange nicht wahrhaben wollte. Ich mochte Jake noch immer, doch seinetwegen hatte ich in den letzten Wochen auch einiges durchgemacht und das würde er wohl nie wieder gutmachen können.
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Duskwood - Falsche Entscheidungen ✔︎
Fanfiction☽︎ Basierend auf dem Handyspiel 'Duskwood' ☾︎ Die Geschichte knüpft direkt an Episode 8 an, wird aber immer mal kleinere Rückblenden enthalten! ༄༄༄༄༄༄༄༄༄༄༄༄ Hannah Donfort. Ein vermisstes, junges Mädchen aus der Kleinstadt Duskwood. Doch was steckt...