Benommen versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch sie waren so schwer, dass ich das Gefühl hatte, die Augenlider würden zusammenkleben. Ein starker Schmerz zog sich durch meinen gesamten Körper. Mir war kalt und schwindelig, was aber wohl von dem Blutverlust kam. Ich hatte wirklich damit gerechnet in diesem Raum zu sterben, doch nun lag ich wieder auf diesem kalten Betonboden.
Blinzelnd sah ich mich im Raum um. Es war hell, doch komplett still. Man konnte nicht mal die Vögel zwitschern hören. Es kam mir vor wie in einem Traum, doch ich war wirklich noch hier. Meine Wunden an den Armen waren mit Verbänden versehen und über der Wunde an meiner Seite lag ein Druckverband. Warum folterte er mich so? Warum brachte er mich nicht einfach um?
Neben mir standen mehrere Konserven und eine Flasche Wasser. All das erinnerte mich an das Bild, was Jessy von diesem Raum geschossen hatte. Doch anders als erwartet, war ich nicht gefesselt. Allerdings war ich so entkräftet, dass ich nicht die Chance hatte aufzustehen. Vor meinen Augen drehte sich alles und hätte ich etwas im Magen, hätte ich es schon längst auf dem Boden verteilt.
Alan hatte noch immer nicht aufgegeben. Er wollte noch immer wissen, wo Jake sich befand und genau aus diesem Grund, war ich jetzt noch am Leben. Mehr oder weniger. Ich versuchte mich mit aller Kraft etwas aufzurichten. Wenigstens auf die Knie, damit ich zur Tür krabbeln konnte, doch immer wieder kippte ich zur Seite weg.
Nur einen Moment später wurde die Tür aufgestoßen, doch ich konnte meinen Kopf nicht heben, um zu sehen, wer da vor mir stand. Ich sah nur schwarze Schuhe, die eindeutig einem Mann gehörten. Es musste Alan sein, da war ich mir sicher.
»Na, na, na. Wo willst du denn hin?«, brummte er, packte mich an den Haaren und zog mich auf die Knie. Obwohl es an meiner Kopfhaut ganz schön zwirbelte, konnte ich keinen Ton über meine Lippen bringen.
Er legte seine Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf an. Ein fieses Lächeln lag auf seinen Lippen und seine Augen waren dunkel, beinahe so als wäre er von irgendetwas besessen. Seufzend versuchte ich meinen Kopf wieder zu senken, doch er hielt dagegen. Dann kniete er sich hin und hob mich über seine Schultern.
»Uh«, war das einzige, was ich herausbrachte. Kraftlos hing ich über seiner rechten Schulter, während eine Hand von ihm auf meinem Hintern lag und die andere meine Beine festhielt.
Wäre ich bei Kräften, wäre es mir nun ein leichtes gewesen, ihn irgendwie zu überwältigen. Doch er hatte alles ganz genau durchdacht. Tränen liefen mir aus den Augen und tropften auf den staubigen Betonboden. Ich wusste nicht, wo er mich nun hinbrachte oder was er mit mir vorhatte, doch ich merkte, dass mein Körper nicht mehr lange mitmachen würde.
Unsanft ließ er mich auf einen Stuhl nieder und legte ein Seil um meinen Brustkorb. Damit band er mich schließlich am Stuhl fest und so verhinderte er auch, dass ich von diesem herunterrutschen konnte. Ich würde ihn so gerne anschreien. Ihm alles Mögliche an den Kopf werfen. Auf mich aufmerksam machen, sofern draußen irgendwer vorbeilaufen würde. Doch ich konnte nicht. Mein Verstand war so sehr benebelt, dass die Bilder in meinem Kopf immer mehr verschwammen.
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➪ 𝐉𝐄𝐒𝐒𝐘𝐒 𝐒𝐈𝐂𝐇𝐓
»Wo sollen wir denn noch suchen? Wir haben alles abgesucht«, seufzte ich und ließ mich auf meinen Bürostuhl fallen. Seit Stunden waren wir unterwegs und hatten noch keine einzige Spur von Kim.
»Ich weiß es auch nicht«, erwiderte Cleo und setzte sich auf die Couch, die im Büro stand.
Jake lehnte mit dem Rücken am Türrahmen und war komplett in Gedanken versunken. Thomas lief in der Werkstatt auf und ab, während Lilly unterwegs war und für uns alle etwas zu essen holte.
»Sollten wir das Handy von Kim vielleicht mal ans Ladegerät anschließen?«, fragte ich vorsichtig nach, woraufhin Jake mich von der Seite ansah und leicht nickte.
Er zog das Handy aus seiner Tasche und legte es auf den Schreibtisch. Ich stöpselte mein Ladegerät an und hoffte wirklich darauf, dass es noch funktionierte. Gott sei Dank zeigte es schließlich auch an, dass es am Aufladen war, weshalb ich direkt den Powerknopf betätigte. Jake nahm das Handy in die Hand und durchsuchte die kompletten Chats, doch nach seinem tiefen Seufzer zu urteilen, hatte er nichts Aufschlussreiches gefunden.
»Was zum?« Ich zog meine Augenbraue fragend nach oben, als mein Handy plötzlich klingelte und mir eine unbekannte Nummer angezeigt wurde. Es war ein Videoanruf.
»Geh ran. Das könnte der Entführer sein«, befahl mir Jake schon beinahe und machte einen Schritt auf mich zu. Erschrocken machte ich daraufhin einen Schritt zurück, weshalb er stehenblieb und entschuldigend die Hände hob.
Ich atmete einmal tief durch und drückte dann schließlich auf den grünen Hörer. Doch was dann zum Vorschein kam, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. Es war Kim und sie sah alles andere als gut aus. Dann zeigte sich der Mann ohne Gesicht – ganz typisch mit seiner Maske und der verstellten Stimme.
»Das passiert, wenn ihr euch in Sachen einmischt, die euch nichts angehen. Ich habe euch mehrmals gewarnt. Jetzt könnt ihr eurer Freundin auf Wiedersehen sagen, denn nach Amy wird sie nun die nächste sein, die ich mit Freude umbringen werde!«
Dann war der Anruf beendet. Geschockt hielt ich meine Hand vor den Mund. Cleo setzte sich wieder hin, da ihr schwindelig wurde und Jake schmiss sämtliche Sachen vom Schreibtisch. Er war wütend, aber er wirkte nicht, als sei er davon überrascht oder geschockt.
»Jake .. sie ...« Er schüttelte den Kopf und stützte sich mit den Händen auf dem Schreibtisch ab. »Er wird sie nicht umbringen. Er will mich damit aus der Reserve locken. Es geht ihm nur um mich.« Verwirrt sah ich ihn an, denn ich verstand nun gar nichts mehr.
»Du weißt, wer das ist?« Stumm nickte er, dann sah er mich direkt an. »Während ihr nur auf ihn geachtet habt, habe ich auf Kim geachtet. Auch wenn sie nicht reden konnte, hat sie dennoch ihre Lippen bewegt. Es ist Alan Bloomgate, der Polizeichef.« Entsetzt hielt ich die Luft an. Ich konnte nicht glauben, was er da eben gesagt hatte.
»Dann ist das alles nur deinetwegen passiert? Alles?« »Nein. Michael Hanson war für das verantwortlich, was mit Hannah und Richy passiert ist. Doch das mit Kim...« Er brach seinen Satz ab und verschwand aus dem Büro. Kopfschüttelnd konnten Cleo und ich ihm nur noch hinterhersehen.
»Was machen wir denn jetzt? Glaubst du ihm das?«, fragte ich Cleo, die nur die Schultern zuckte und eine Hand auf ihre Stirn legte. »Aber mir ist da etwas aufgefallen. Lass mich kurz was nachsehen«, meinte ich und öffnete den Ordner mit den Bildern vom Hanson Anwesen.
»Wonach suchst du denn?«, hakte Cleo nach, die sich nun neben mich gestellt hatte und gespannt auf den Monitor sah.
»Ich habe auf diesem Video etwas gesehen und jetzt will ich nachsehen, ob ich recht habe«, erwiderte ich und schon kurz darauf stoppte ich bei einem Bild und konnte es selbst nicht fassen. »Das ist es! Ich weiß, wo sie ist«, rief ich, woraufhin Cleo kurz zusammenzuckte.
Thomas kam ins Büro gerannt und sah mich erwartungsvoll an. »Wo ist sie? Und woher weißt du, wo sie ist?«
»Der Entführer hat uns gerade angerufen und ... na ist ja jetzt auch egal. Auf jeden Fall ist mir dabei etwas ins Auge gesprungen, was ich beim Bearbeiten der Bilder schon mal gesehen habe. Sie ist auf dem Hanson Anwesen«, erklärte ich und stand auf.
Ich wollte Jake die Nachricht überbringen, doch dazu kam ich nicht mehr, denn ich hörte nur noch wie ein Auto vom Hof fuhr – es war mein Auto. Er hatte tatsächlich meine Autoschlüssel vom Schreibtisch mitgenommen und wahrscheinlich hatte er auch mitgehört, als ich sagte, wo sich Kim befand. Doch konnten wir ihn das wirklich alleine machen lassen? Oder sollten wir ihm folgen und ihm helfen?
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Duskwood - Falsche Entscheidungen ✔︎
Fanfiction☽︎ Basierend auf dem Handyspiel 'Duskwood' ☾︎ Die Geschichte knüpft direkt an Episode 8 an, wird aber immer mal kleinere Rückblenden enthalten! ༄༄༄༄༄༄༄༄༄༄༄༄ Hannah Donfort. Ein vermisstes, junges Mädchen aus der Kleinstadt Duskwood. Doch was steckt...