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Vor zwei Tagen hatte ich erfahren, dass Alan wie ein Tiger vor dem Krankenhaus auf und ab ging und heute war der Tag meiner Entlassung. Doch freuen konnte ich mich darauf nicht, schließlich war ich im Krankenhaus sicher.

In Gedanken versunken saß ich auf dem Bett und starrte nach draußen. Richy war gerade dabei seine Sachen in die Tasche zu packen, denn auch er wurde heute entlassen. Er hatte mir die letzten zwei Tage immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass ich erst mal mit zu ihm kommen soll. Ich hätte auch bei Jessy oder Lilly unterkommen können, aber er bestand darauf.

Meine Tasche hatte ich bereits fertig gepackt und lag neben mir auf dem Bett. Doch was hinter mir passierte, bekam ich kaum mit. Ich hatte einfach nur Angst dieses Zimmer zu verlassen. Seit der Befragung, hatte Alan mich zwar in Ruhe gelassen, aber gänzlich aus den Augen wohl nicht.

»Kim? Bist du fertig?«

Ich zuckte leicht zusammen, als ich die Stimme von Richy vernahm. Er stand nun direkt neben mir und sah mich mit einem Lächeln auf den Lippen an. Scheinbar hatte er mich schon mehrfach angesprochen, aber ich war einfach zu tief in meinen Gedanken versunken, dass ich ihn schlichtweg überhört hatte.

»Mh? Was ist?«

»Bist du fertig? Der Arzt hat die Entlassungspapiere unterschrieben. Wir können gehen«, erwiderte er und hielt mir seine Hand hin.

Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn schief an. Ging er nun davon aus, dass ich mit ihm Händchen halten würde? Da von mir keine Reaktion auf diese Geste kam, nahm er den Arm wieder runter und lief zu seinem Bett. Er schulterte seine Tasche und wartete geduldig darauf, dass auch ich fertig wurde.

Tief seufzend stand ich auf, zog mir meine Schuhe und meine Jacke an und griff nach meiner Tasche.

»Thomas und Jessy warten unten. Sie wollen uns abholen und ach, ich soll dich noch von Dan grüßen. Es tut ihm leid, dass er dich hier nicht besucht hat, aber er will es wohl schnellstmöglich nachholen, wenn wir zu Hause sind.«

Ich nickte nur kurz und im Grunde war ich Dan nicht mal böse deswegen. Wir hatten nie den großen Kontakt. Letztendlich wusste ich nicht mal wirklich was über ihn, da er sich meistens aus allem heraushielt, doch auch das konnte ich ihm nicht verübeln.

Die ganze Zeit über war ich relativ still, obwohl Richy immer wieder versucht hatte mich aus der Reserve zu locken. Doch die Entlassung aus dem Krankenhaus hieß für mich, dass ich weiterhin eingesperrt war oder nur mit Begleitung nach draußen gehen konnte.

Obwohl die anderen in den letzten Stunden sehr viel auf mich eingeredet hatten, dass ich Alan doch endlich anzeigen sollte, lehnte ich es immer wieder ab. Alan war der Polizeichef und nicht irgendein kleiner Streifenpolizist. Er wusste, wie er mit den Leuten reden musste, damit sie ihm glaubten. Ich dagegen hatte nichts gegen ihn in der Hand, da er Jessy die Tatwaffe abgenommen hatte und auch sonst konnte keiner von ihnen Alan mit der Tat in Verbindung bringen. Gesehen hatte ihn, außer mir, nur Jake und der war auf und davon.

»Da seid ihr ja«, lächelte Jessy und sprang regelrecht von ihrem Stuhl auf.

Erst fiel sie Richy regelrecht in die Arme und dass sie ihn nicht abknutschte war auch alles. Ich fand ihre Art teilweise schon etwas übertrieben, aber vielleicht war ich davon auch nur so schnell genervt, weil ich so einer Person zuvor noch nie begegnet war. Vielleicht müsste ich mich einfach nur an ihre Art gewöhnen.

Nachdem sie auch mich kurz umarmt hatte – was weniger euphorisch vonstattenging – liefen wir gemeinsam Richtung Ausgang. Kurz vorher blieb ich allerdings stehen. Ich wusste zwar, dass mir nichts anderes übrig bleiben würde, als das Krankenhaus zu verlassen, doch die Angst war einfach so viel größer.

Duskwood - Falsche Entscheidungen ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt