Duskwood - Falsche Entscheidungen ✔︎

» 23 «

Obwohl mich das ungute Gefühl die ganze Zeit nicht verlassen hatte, duschte ich weiter. Dabei stand ich allerdings länger unter dem warmen Wasser, als zuvor erwartet. Weinend lehnte ich mit dem Rücken an der kalten Duschwand und hatte die Arme um meinen Bauch geschlungen. Schluchzend beugte ich mich nach vorne und rang nach Luft. Ich konnte es einfach noch immer nicht begreifen, wie ich in diese absurde Situation passte.

Die Suche um Hannah, die Rettung von Richy und ihr, meine Entführung und die unsagbaren, quälenden Stunden der Ungewissheit, ob ich all das überleben würde. Dieser kalte Blick von Alan, der nach wie vor auf mir ruhte. Ein Blick voller Rachegelüste. Was, wenn ich ihm nie entkommen könnte? Was, wenn er auf ewig frei herumlaufen könnte? Ich wäre nie wieder sicher und alles nur, weil ich ihm vor Jahren einen Korb gegeben hatte. Oder war etwa das Wort „Schwächling" der ausschlaggebende Punkt, der ihn so hat werden lassen? War ich etwa schuld an der ganzen Sache?

Als es an der Tür klopfte, schreckte ich hoch und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Seit ich unter der Dusche stand, hatte ich weder meinen Körper noch meine Haare gewaschen. Ich hatte das komplette Zeitgefühl verloren und vermutlich machte Richy sich nun erneut Sorgen um mich.

»Ist alles in Ordnung bei dir?«

Drang die sorgenvolle Stimme von ihm durch die geschlossene Tür. Ich räusperte mich, da ich nicht verheult klingen wollte und antwortete ihm dann.

»Ja. Mir war nur so kalt, dass ich das warme Wasser etwas genossen habe. Bin gleich fertig«, erwiderte ich und hoffte, er würde es mir abkaufen.

»Okay, gut. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Die Pizza ist auch gleich da«, entgegnete er und entfernte sich wohl währenddessen von der Tür, denn der letzte Satz wurde immer leiser.

Schnell wusch ich mir die Haare, seifte mich ein und wusch alles ab. Dann stellte ich das Wasser ab und wickelte mir ein Handtuch um den Körper. Ein zusätzliches, kleines Handtuch wickelte ich als Turban um meine langen, braunen Haare. Aus der Tasche holte ich ein neues großes Pflaster und zog das alte, nun durchnässte Pflaster, von meiner Haut ab.

Da die Fäden noch für ein paar Tage drin bleiben mussten, mussten Richy und ich uns zu Hause weiterhin selbst verbinden – zumindest nach dem Duschen. Als ich die Wunde freigelegt hatte, seufzte ich hörbar auf und ich merkte, wie mir erneut Tränen in die Augen schossen. Nur waren es dieses Mal Tränen meiner Wut. Der Wut auf Alan und ich wollte ihn für das büßen lassen, was er mir angetan hatte – ganz egal, ob ich dafür in den Knast gehen würde. Das kannte ich ja immerhin schon.

Ich klebte das neue Pflaster darüber und zog mich an. Das Handtuch um meine Haare ließ ich aber noch in Ruhe. Bevor ich das Badezimmer verließ, öffnete ich noch das Fenster, damit der Dampf verschwinden konnte. Dann öffnete ich die Tür, nahm meine Tasche mit und legte sie kurz ins Schlafzimmer.

Von dort aus konnte ich schon den Geruch von warmer Pizza wahrnehmen und genau darauf freute ich mich jetzt wirklich. Dan hatte vollkommen recht, was das Essen im Krankenhaus betraf und ehrlich gesagt, hatte ich sogar die ganze Zeit gehofft, dass er mit einem Kuchen bei mir auftauchen würde – aber ich konnte ihn auch verstehen, dass er das Krankenhaus so schnell nicht wieder betreten wollte. Nach wie vor ging ich ja davon aus, dass er nicht wirklich entlassen wurde, aber darüber wollte er sich bis heute nicht wirklich äußern.

»Mhh, das riecht aber gut«, meinte ich, als ich das Wohnzimmer betrat und die große Familienpizza auf dem Tisch vorfand.

Zusätzlich standen noch zwei Flaschen Bier auf diesem Tisch und sogar ein paar Kerzen. Schmunzelnd setzte ich mich auf die Couch. Ich hätte nie erwartet, dass Richy eine kleine, romantische Ader hatte – er überraschte mich immer wieder.