6) Die Ankunft

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Das Schloss war riesig. Mit großen Augen sah ich alles an, während wir in die Burg einfuhren. Die Kutsche hielt in einem kleinen Hof. Dort standen bereits drei Personen die ich als Dienstpersonal ausmachte, sowie die zwei Gefolgsleute des Lords, die auch bei uns gegessen hatten. Ich meine mich erinnern zu können, dass ihre Namen Rob und Daniel waren. Der Kutscher half Eden und mir aus der Kutsche und wir machten einen Knicks.
"Wir freuen uns Sie in dem Schloss Lord Anatis willkommen zu halten, Miss. Ruby. Wenn sie uns bitte folgen würden.", sagte Daniel. Er sah mich mit einer Mischung aus Skepsis und Unverständnis an und ich fragte mich, was Anati ihnen wohl über mich erzählt hatte. Während wir durchs Schloss liefen erklärte Rob uns etwas zu den Umstände meines Aufenthaltes: "Leider ist der Lord im Moment auf der Jagd und wird erst morgen Zeit finden Sie hier willkommen zu heißen. Er wünscht jedoch, dass sie bei ihm im Westflügel wohnen. Das ist eine... große Ehre, wissen sie." Es klang fast schon vorwurfsvoll. Irgendwas war hier merkwürdig.
Ich lächelte höfflich und versuchte dankbar zu wirken obwohl ich mir einfach nur meine Ruhe vor ihnen wünschte.
"Ihre Magd hat natürlich direkt neben ihnen ein Zimmer. Ebenso hat Anati erzählt das er neue Kleider für sie hat machen lassen.", fuhr Rob fort.
Überrascht blickte ich ihn an: "Aber das kann ich nicht annehmen. Die Kleider müssen Unmengen gekostet haben. Ich habe meine eigenen dabei."
Daniel lachte auf: "Der Lord scheint sich seiner sicher zu sein. Sehen Sie es als eine Art Willkommensgeschenk an. Sie werden übrigens heute Abend mit der Mutter des Lords und seinem Bruder zu Abend essen. Aber richten Sie sich erstmal ein. Es war bestimmt eine anstrengende Reise." Es war das erste Mal das die beiden ihre abschätzende Distanz zu mir brachen. Sie wirkten ehrlich überrascht und ihre Lächeln waren warm und nicht mehr geprägt von Misstrauen.
Als ich mit Eden mein Zimmer betrat stockte mir der Atem. So etwas edles und schönes hatte ich selten zu Gesicht bekommen. Jedes Möbelstück in dem Zimmer war ein eigenes Kunstwerk, die Wand war geschmückt von feinen Verzierungen und der Boden von feinstem Marmor bedeckt. Alles war so groß, so prächtig. Ich traute mich kaum etwas zu berühren und konnte zeitgleich nicht widerstehen den feinen Stoff der Vorhänge durch meine Finger gleiten zu lassen. Eden zog mich mit sich und wir ließen uns in das riesige, mit Kissen überhäufte Bett fallen. Ein vergnügtes Kichern entwich uns. Rob und Daniel beobachteten das ganze kurz stirnrunzelnd bevor sie sich in die Weiten des Schlosses zurück zogen. Ich war froh, so große Fenster in meinem Zimmer zu haben. ich konnte runter auf die Ländereien blicken und das rege Treiben der Menschen beobachten. Für einen kleinen Moment vergaß ich meine Sorgen, fühlte mich nicht mehr so einsam und als wäre für einen kleinen Moment nur alles halb so schlimm. Als ich dann jedoch einen Blick in meinen Kleiderschrank warf verschlug es mir endgültig die Sprache. Eine feine Kollektion von leichten Sommerkleidern bis hin zu einer Vielzahl edler Abendgewänder aus schönstem Tüll breitete sich vor mir aus. An einem Kleid hing ein Zettel mit feiner Aufschrift, die sagte: "Für heute Abend. L.A." Allein bei dem Gedanken daran bekam ich schon schwitzige Hände. Und da war es wieder, das ungute Gefühl gepaart mit einem merkwürdigen Kribbeln und die Erkenntnis das ich jetzt wirklich hier war. Eine wirre Vermischung aus Traum und Schock. Ich starrte runter auf den feine dunkelroten Teppich krallte meine Füße hinein, schloss meine Augen und atmete tief durch. Bleib stark, Ruby! Als erstes musste ich rausfinden, was hier überhaupt gespielt wurde. Ja mehr ich erfuhr desto besser. Und wo konnte man mehr erfahren als in einer Bücherei - ich sollte dort auf jeden Fall schnell möglichst vorbeischauen, beschloss ich stumm. Aber für jtzt hieß es erstmal auspacken und vorbereiten fürs Abendessen.

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