29) Der Markttag

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Die Fahrt zum Marktplatz dauerte nicht lange. Wir stiegen aus der Kutsche auf dem großen Marktplatz in dessen Mitte ein großer, in Stein gehauener Springbrunnen war. An manchen Stellen waren die drei Gestalten, aus deren Mündern Wasser floss vergoldet. Auch wenn ich den Brunnen noch nie gesehen hatte, erkannte ich ihn aus den Erzählungen meines Vaters wieder. Anati hielt mir seinen Arm hin und ich hakte mich ein. Um uns herum war die Leibgarde des Lords und die Menschen warfen uns neugierige Blicke zu. Händler versuchten unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen und preisten laut ihre Ware an.

Gemütlich schlenderte ich mit Anati über den Markt. Er zeigte Interesse an meiner Kindheit. Ich erzählte ihm viel von Eden, mit der ich früher so eng gewesen war, doch inzwischen nur noch wenig zu Gesicht bekam und wenn dann sehr distanziert. Die Situation mit Eden hatte mich traurig gestimmt und ich wollte ihm etwas schönes aus meiner Kindheit erzählen und berichtete von den vielen Malen, die mein Vater von den Geschäftsreisen wieder gekommen war und mir immer was mit gebracht hatte. Es war schön von meinem zu Hause zu erzählen und Anati war ein aufmerksamer Zuhörer.

"Was handelt dein Vater eigentlich, Ruby?"

"Antiquitäten und Schmuck. Oft aber auch mit Arznei."

Anati erkundigte sich nach den Regionen, in welchen mein Vater handelte. Ich berichtete ihm von seinen Reisen in den Süden, aus dem er meist Gewürze noch mit brachte. Anatis Interesse an meinen Vater fand ich schmeichelhaft, es zeigte seine Anteilnahme.

Anati blieb an einem Stand stehen, der verschiedene edle Stoffe anbot und fuhr mit seiner Hand über das seidene Material.
"Suchen Sie einen neuen Stoff für ein neues Gewandt?", fragte ich interessiert? Anati lächelte und schüttelte stumm den Kopf. Dann wählte er einen warmen goldbraunen Stoff aus. Er gab dem Verkäufer einige Geldstücke und reichte den Stoff dann an einen seiner Bediensteten weiter. Fragend sah ich ihn an. Ich wartete immer noch auf eine Antwort von ihm. Er zog mich an sich heran, sodass seine Hände auf meiner Taille lagen und unsere Oberkörper sich aneinander schmiegten. Ein wohliges Gefühl durchfuhr mich, als ich seinen Geruch einatmete. Anati flüsterte mir ins Ohr: "Lass dich überraschen, Ruby. Du bist immer so schrecklich neugierig." Ich warf ihm einen gespielt beleidigten Blick zu. Er nahm glücklich meine Hand und zog mich sanft weiter. Ich erblickte einen Stand mit frischen Aprikosen. "Darf ich eine, Anati?", fragte ich und strahlte ihn dabei mit großen Augen an. "Klar.", meinte er, dabei drückte er mir etwas Geld in die Hand. Ich ging hin und kaufte, zwei. Immerhin sollte er auch in den Genuss der Aprikosen kommen. Als ich bezahlt hatte und mich umdrehte erschrak ich. Niemand anderes als Thorn stand beim Lord und unterhielt sich gelassen mit ihm. Sein Körper war in teure Gewänder gehüllt und ein Schwert hing an seinem Gürtel. Ich musste Anati warnen. Thorn blickte auf und sah mich an. Seine vertrauten warmen Augen fuhren über mein Gesicht. Sein Blick zog mich in seinen Bann. Es fühlte mich an als würde er mich förmlich durchbohren mit seiner Ernsthaftigkeit. Plötzlich lächelte Thorn. "Das muss die berühmte Dame sein, von der überall geredet wird." Ich war inzwischen wieder so nah, dass ich Thorn hören konnte. Anati drehte sich zu mir um. Seine Augen blitzten fröhlich auf, als er mich mit seiner Hand um meine Taille vorstellte: " Das ist sie: Ruby. Ruby, darf ich dir einen guten Freund von mir vorstellen? Baron Thormetheus und ich kennen uns seit Jahren. Ich freue mich so das ihr euch endlich kennenlernt." Ich sah Thorn mit zusammen gekniffenen Augen an und knickste. Er ergriff meine Hand und drückte dort bei einer Verbeugung einen Kuss drauf. „Es ist mir eine Ehre sie kennen zu lernen, Ruby." Ich nickte nur stumm. Ein Gefühl des verraten seins befiel mich. Konnte ich denn echt niemandem mehr trauen? Ich musste unbedingt mit Thorn unter vier Augen reden. Thorn schien meine Unbehaglichkeit zu spüren. Es kam mir voll als wollte er mich mit seinen warmen Augen beruhigen und sagen, dass alles gut war, doch nichts war gut. Anati rannte möglicherweise blind in sein Verderben. Und ich hatte wirklich gedacht ich hätte alles im Griff und würde das Richtige machen. Das richtige für das Volk, aber hatte ich alle nicht noch weiter rein geritten? Hatte ich nicht alles noch schlimmer gemacht? Für einen Moment verfluchte ich den Tag, an dem Anati in mein Dorf geritten war, doch als dieser unauffällig meine Hand griff und über sie strich, war das auch schon wieder vergessen.

Anati sprach die Worte, die ich in dem Moment am meisten gefürchtet hatte: „Thormetheus, willst du nicht mit uns ins Schloss zurückkehren und für einen Nacht unser Gast sein? Wir haben uns eine Ewigkeit nicht gesehen und ich bin mir sicher du wirst dich prächtig mit Ruby verstehen." Kaum merklich schüttelte ich finstert den Kopf, als Thorn mir einen Seitenblick zu warf. „Ich nehme das Angebot dankend an, Anati." Auf der Rückfahrt wappnete ich mich vor den kommenden Abend. Und tief in mir wuchs die Angst das Thorn wissen könnte, dass William noch lebte.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt