39) Der Schlüssel zum Herz

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Es dauerte zwei Wochen. Zwei lange Wochen, bis alles im Schloss wieder einigermaßen normal lief. Loranne war ohne größere Umschweife in das Verlies der Burg gesperrt und mit ihr eine handvoll anderer Bediensteten. Eden war zum Glück nicht dabei. Eine angespannte Stimmung herrschte im Schloss. Die Bediensteten trauten sich unter einander nicht und der Adel war ihnen gegenüber kalt und wachsam geworden. Durch den Brand hatte es viele Tote auf beiden Seiten gegeben und der Vorfall an sich war ein Rückschlag für Adel und Bürgertum gewesen. Besonders heute war die Spannung im Schloss kaum zu ertragen. In wenigen Stunden würde das Verfahren gegen Loranne beginnen. Wie viel würde sie preis geben und wie würde das Urteil ausfallen? Was würde mit den anderen Bediensteten passieren? Überall wurde hinter vor gehaltener Hand geredet.

Passend zu der Stimmung im Schloss war draußen ein bedeckter stürmischer Tag, an dem man nur ungern ein Schritt vor die wärmenden Schlossmauern setzte. Ich zog mein Gewand enger um mich, um die Kälte fern zu halten. Der Winter war am kommen. Selbst wenn er im Süden des Königreiches nicht in voller Härte eintraf, war die Kälte ein unerwünschter Gast. Durch die von Fackeln erleuchteten Gänge lief ich Richtung Thronsaal, wo die Verhandlung statt finden würde. Anati wünschte mich an seiner Seite, wenn er Loranne verhörte. Kurz bevor ich mein Ziel erreichte fing mich jedoch kein Anderer als Anati selbst mich ab.

"Ruby, ich will dir noch was geben.", sagte er leise, als hätte er Angst uns könnte jemand hören. Er zog etwas aus seiner Tasche und blickte mich nun ernst an. In seiner Hand hielt er einen elegant verzierten und mit Rubinen besetzten Schlüssel an einer Kette. Fragend blickte ich zu Anati hoch. Er starrte mich an, anscheinend in seinen Gedanken vertieft. Mir kam es vor, als wäre er sich nicht ganz sicher ob er das richtige tat. Dann gab er sich einen Ruck, trat hinter mich und legt mir die Kette um, so dass die Kette mitsamt Anhänger durch mein Kleid verdeckt wurde. Anati küsste mich im Nacken und beugte sich leicht vor sodass sein Mund nah an meinem Ohr war. Dann flüsterte er mit leiser rauer Stimme, sodass sogar ich es kaum vernehmen konnte: "Pass gut darauf auf. Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du wissen wofür es ist. Bis dahin darfst du es auf keinen Fall verlieren. Pass so gut darauf auf, als wär es der Schlüssel zu meinem Herz." Mit großen Augen sah ich Anati an, während in mir langsam die Neugier wuchs. Diese lästige Angewohnheit von mir immer alles wissen zu wollen, hatte mich schon des öfteren in Schwierigkeiten gebracht. Anati schien genau zu wissen was in mir vor ging. Ein breites Grinsen lag jetzt auf seinem Gesicht; "Glaub gar nicht erst, dass du irgendetwas darüber raus finden kannst." Provozierend lächelte ich zurück. Wette angenommen!

Rob erschien im Flur. "Mylord, ihre Anwesenheit wird jetzt benötigt."Anati nickte, griff meine Hand und zog mich mit zum Thronsaal. Ich betrat, Anati folgend, die Erhöhung auf dem die beiden Throne standen. Kaum war Anati erschienen fielen alles Anwesenden in eine tiefe Verbeugung oder einen Knicks. Unter der Erhöhung stand ein langer Holztisch mit den Ratsmitgliedern des Lords. Ich erstarrte, als sich einer der Ratsmitglieder zu mir um drehte und mir zuzwinkerte. Kein anderer als Thorn, oder sollte ich besser sagen Baron Thormetheus, stand vor mir. Augenblicklich verspannte ich mich. Wie konnte er sich hier nur blicken lassen?

"Was machte Thormetheus hier?", fragte ich Anati neben mir leise. Er sah mich überrascht an. "Ich habe ihn zu Williams Nachfolger ernannt. Irgendjemand muss doch die Armee befehligen." "Aber warum er? Warum nicht Rob oder Daniel?" Anati zog die Augenbrauen zusammen und musterte mich. "Warum hast du so ein Problem mit Thormetheus?" "Weil er...", ich stoppte mich selbst. Was sollte ich sagen? Etwas das Thormetheus eine Rebellion gegen ihn anführte? Das er seine Schwester ermordet hat und seinen Bruder umbringen wollte? Dann würde Anati fragen woher ich davon wusste. Also schwieg ich und blieb stumm. "Ich vertraue Thormetheus und das solltest du auch." Leicht verärgert drehte Anati sich nach vorne. Dort wurde Loranne gerade reingeführt. 

Loranne Blick war starr auf Lord Anati gerichtet und das erstmal sah ich sowas wie Besessenheit in ihren Augen aufblitzen. Dann fiel auch ihr Blick auf Thorn und mit einem Schlag wurde sie weiß im Gesicht.

"Loranne Vance, hiermit beginne ich ihre Verhandlung. Sie sind angeklagt wegen Verrat an der Krone durch Aufhetzung und Rebellion gegen Lord Anati, Siebter Lord des Südens im Namen ihrer königlichen Hoheit König Nathanael.  Was haben sie zu Ihrer Verteidigung vor zu bringen?"

Kaum hatte das Ratsmitglied zu ende gesprochen zuckten Lorannes Augen zu mir hoch. Ihr kalter Blick nagelte mich auf meinem Platz fest.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt