14) Sir Varyon

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Der Kuss mit Anati hatte einiges verändert. Am nächsten Morgen hatte Eden mir mitgeteilt, dass ich mit dem Lord Anati, seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern frühstücken würde. Während des Frühstücks trafen sich immer wieder unsere Blicke. Gegen meinen Willen musste ich jedes Mal leicht lächelnd zur Seite gucken. William schien das ganze bemerkt zu haben und sah mich fragend an.
Nach dem Essen eilte ich zu meiner Unterrichtsstunde bei Sir Varyon. Er war ein groß gewachsener Mann, der mich über die Gläser seiner Brille hinweg skeptisch ansah. Forschend machte er einen Kreis um mich herum und musterte mich dabei genauestens. Dann nahm er meine Hände und begutachtete meine Fingernägel. Als er meine Haarspitzen inspizierte entfuhr ihm ein kleines Seufzen. Als er endlich fertig war bat er mich auf einem Stuhl Platz zu nehmen. "Du hast großes Potential eine richtige Dame zu werden - zumindest vom Äußeren." Varyon schnippte mit den Fingern und eine Magd kam rein. Er bat sie meine Spitzen zu schneiden und meine Hände zu pflegen. Während sie sich eifrig an die Arbeit machte begann Varyon mir etwas über die Rolle der Frau zu erzählen. Sie solle dem Mann eine Stütze sein, gut aus sehen und nur reden wenn sie direkt angesprochen wird. Skeptisch hörte ich ihm zu. Nach dem er mit mir dir Geschichte des Tanzes durchgekaut hatte und die Magd mit mir fertig war fragte er mich ob ich irgendein Talent hatte. "Ich kann etwas Klavierspielen.", meinte ich, da ich sonst nichts besonderes konnte. Varyon zog eine Augenbraue hoch, alles würde er mir nicht glauben und deutete mit seinem langen knochigem Finger auf ein Klavier, das in dem großen Raum stand. Selbstbewusst lief ich zum Klavier, während Varyon etwas murmelte, dass wie "Laufen kann sie auch nicht richtig." klang. Ich warf ihm einen scharfen Blick zu bevor ich begann zu spielen. Diesmal hatte Varyon nicht zu meckern. Nach dem ich einige Zeit lang gespielt hatte wurde ich von einem langsamen Klatschen unterbrochen. Als ich auf sah stand William in der Tür. "Und wie ist sie?", fragte William leise an Varyon gewandt. Dieser seufzte theatralisch: "In ihr steckt einfach kein adeliger Funken. Sie kennt sich nicht in der Tanzgeschichte aus, läuft wie ein Bauer und ihr französisch... Nun damit will ich gar nicht erst anfangen." Er sprach so laut, dass ich jedes Wort mithören konnte. Böse sah ich ihn an: "Sie haben mich doch noch gar nicht französisch sprechen hören." Entsetzt sah Varyon mich an. "Sehen Sie... Überhaupt keine Manieren das Kind. Es ist unfair, dass Gott ihr diesen wunderschönen Körper schenkte." William lachte auf. "Ich glaub das reicht für heute."
Dankbar sprang ich auf und lief zu ihm. Bevor ich ging machte ich noch einen provozierend tiefen Knicks zu Sir Varyon, der mich mit spitzen Mund betrachtete. William konnte sich kaum noch halten vor Lachen als wir draußen einen ruhigen Ort im Flur fanden. "Du wirst ihn noch zur Weißglut treiben.", meinte er. Ein schiefes Lächeln legte sich auf mein Gesicht. "Aber was läuft da eigentlich zwischen dir und Anati?" Ich war mir sicher, dass ich rot anlief. Ich verstand nicht warum mein Körper so auf Anati reagierte. Es kam mir vor als sehnte sich jede Zelle meines Körpers nach seiner Berührung, wobei zu gleich mein Gehirn lautstark protestierte. "Nichts, wieso?", sagte ich unschuldig. William glaubte mir kein Wort. Frustriert sah er mich. "Du weißt doch was ich dir von ihm erzählt habe, oder? Ruby, du bist für ihn nur Mittel zum Zweck." "Glaubst du nicht, dass in jedem was Gutes steckt?", fragte ich leise ohne über meine Worte nach zu denken. William fuhr sich hektisch durch seine Haare. "Er ist nicht gut für dich?", murmelte er. "Woher willst du das wissen?", entgegnete ich eben so leise. Bevor ich wusste wie mir geschah, drückte William mich gegen die Wand und küsste mich leidenschaftlich. Er fuhr jedoch erschrocken herum, als Anatis Gelächter hinter ihm erschallte. Wie machte Anati es nur, dass er immer aus dem Nichts auftauchte? Anati kam langsam und bedrohlich auf William zu, eine Hand auf seinem Schwertgriff ruhend.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt