36) Das Turnier

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Langsam schlug ich meine Augen auf mit einem wohligen Gefühl in meinem Bauch. Ich war vollkommen entspannt, ausgeschlafen und ausgelassen. Nichts beschäftigte mich, keine Sorgen, kein Heimweh, nichts. Mit diesem seligen Gefühl lief ich, nur in die Decke gehüllt zur Frisierkommode und nahm platz. Ich starrte mich paar Sekunden an. Irgendwas schien anders. Es war als würde ich strahlen. Als könnte man das Glücksgefühl, das ich in mir trug von hundert Metern Entfernung bereits sehen. Mein Blick fiel auf meinen Hals. Ein großer Bluterguss zierte meinen Hals. Instinktiv fuhr ich mit meiner Hand über ihn. Im gleichen Moment fiel mir der gestrige Abend wieder ein. Es war als könnte ich allein durch die Erinnerung, Anatis Hände auf meiner Haut spüren, wie sie mich berührt hatten, die Gänsehaut, die sich über meinen Körper erstreckt hatte, die heißen Küsse, die sich in meine Haut gebrannt hatten,des feste Druck seines Körpers auf meinem, meine Hand die sich in sein weiches Haar geschlungen hatte. All das sah ich in meinen Erinnerungen vor mir. Wie ich alles um mich vergessen hatte und nur noch ihn gespürt hatte.

Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Das musste Anati sein! Freudig erhob ich mich und lief zur Tür. Ich konnte es kaum erwarten, wieder den angenehmen Druck seiner Hände auf meine Hüfte zu spüren, wenn er sich vorbeugte um mich zu küssen. Ich riss die Tür auf, gepackt von einer plötzlichen Sehnsucht

Ein überraschter Laut entfuhr mir als ich den Besucher sah. Es war nicht Anati der vor meiner Tür stand sondern kein anderer als Lord Isaac. Dieser schien nicht weniger überrascht, als er mich ansah. Jetzt fiel es auch mir auf. Ich musste ein merkwürdiges Bild abgeben, wie ich da in der Tür stand, in nichts weiter, als der weißen Leinendecke gehüllt, mit zerzausten Haaren, die wild in alle Richtungen ab standen und geröteten Wangen.

"Entschuldigt, Madam, ich wollte sie zum Turnier abholen.", begann Lord Isaac. Sein Gesichtsausdruck wechselte von überrascht zu belustigt. "Ich warte dann wohl besser unten in der Eingangshalle, bis sie so weit sind." Ich nickte stumm, während mein Gehirn begriff, das es schon längst Nachmittag war und ich total verschlafen hatte. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, machte ich mich so schnell es ging fertig.

Wenige Minuten später stand ich in einem feinen Ausgehkleid und hochgesteckten Haaren vor Lord Isaac, der mir seinen Arm zum einhaken anbot. Er schwieg auf dem Weg zum Turnier, was mir nur Recht war. Wir hatten fast die ersten Zelte erreicht, als er mich plötzlich ansprach: "War es schön gestern Abend?" Schockiert blickte ich Lord Isaac an. Wieder blickte er mich belustigt an, als wäre es das lustigste auf der Welt zu beobachten, wie sich meine Wangen rot färbten. "Woher..?", begann ich doch brach meine Frage ab, als seine eisblauen Augen meinen Hals begutachteten. Der Bluterguss! Ich fluchte. Wie hatte ich nur vergessen können, ihn abzudecken. Lord Isaac wartete einige Minuten in den ich mich ärgerte, dann holter er aus seiner Tasche ein Halsschmuck, den er mir umlegte. Der feine Stoff, auf dem Vorne ein Edelstein befestigt war, verdeckte den Bluterguss ausreichend, das man ihn nicht mehr so deutlich erkannte. Als ich ihn fragend an sah erwiderte schon fast wieder gelangweilt: "Ich wusste, du würdest es vergessen." Wir setzten unseren Weg fort. Auf der Tribüne waren  drei Plätze neben Lord Ismael frei. Wir grüßten ihn und ließen uns dann zu seiner linken Seite nieder. Ich beobachtete das Treiben. Mein Vater hatte mich nur einmal zu einem Turnier mitgenommen. Damals hatte ich an dem Zaun im Matsch gestanden, der die einfachen Zuschauer von der Kampffläche trennte, und mich kaum getraut zu zuschauen. Jetzt saß ich hier oben, neben den Lords und noch über den Sitzplätzen der Adeligen und kam mir merkwürdig verloren vor.

Dieses Gefühl verschwand schlagartig, als Lord Anati die Tribüne betrat und ohne mich eines Blickes auch nur zu würdigen auf der rechten Seite Lord Ismaels nieder ließ. Isaac musterte meine Reaktion auf Anatis Verhalten. Ich saß nur da, unfähig eine Regung zu zeigen, während die Gedanken in meinem Kopf für totales Chaos sorgten. Stumm starrte ich gerade aus, während das Turnier in vollen Zügen in Gange war. Ich nahm nicht war, wie viel Blut vergossen wurde, wie Ritter verletzt oder gar tot, das Feld verließen oder welche Treffer gelandet wurden. Erst als er das blutige Turnier zu Ende war erwachte ich aus der Starre, klatschte höflich. Isaac und ich verließen die Tribüne, als eine Hand meine fest hielt. Ich war nicht überrascht, das es Anati war. Ich versuchte meine Enttäuschung über sein Verhalten nicht zu zeigen. Ausdruckslos schaute ich in seine goldenen Augen. "Du kommst mit mir.", sagte er mehr an Lord Isaac gerichtet als an mich und zog mich mit sich in Richtung Burg. Mein Schmerz wurde überlagert von einer plötzlichen Wut. Was bildete er sich ein - mich erst so zu ignorieren, als wäre gestern nichts passiert und dann so zu tun als wär alles gut. Ich zog meine Hand zurück. Überrascht sah er mich an. Dann lachte er bei meinem trotzigen Gesicht. Ich wusste, kaum das ich sein heiteres raues Lachen vernommen hatte, dass ich ihm schon längst wieder verziehen hatte. Bei diesem Lachen hätte ich mich jedes Mal neu verlieben können. Jetzt war ich auch noch auf mich selbst sauer, für diese Gedanken. Doch ich musste mir eingestehen, das Lord Anati in meine Augen nicht mehr der war, der damals in mein Dorf gekommen war, mit der gleichen Arroganz aller Adeliger. Abseits des Treibens, drückte er mich ohne Vorwarnung gegen eine der Zeltwände und es schon verschmolzen unsere Lippen wieder. Anati stoppte nur kurz um mir etwas ins Ohr zu flüstern: "Ich geb dich nie wieder her, Ruby, nie wieder." Ein glückliches Lachen folgte dem und weitere fordernde Küsse. Eine neue Welle von Glücksgefühlen ergriff mich und riss mich mit.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt