42) Böses erwachen

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Ich erwachte in meinem Zimmer. Das Schloss war totenstill und mein Zimmer stockdunkel, wenn man von dem fahlen Mondschein absah. Ich setzte mich auf und lauschte. Das Fest musste seit langem vorbei sein. Irgendwas beunruhigte mich. Es war eine Innere Unruhe, die ich mir nicht erklären konnte. Rastlos lief ich auf den Gang hinaus und streifte durch das Schloss. Wie von selbst lief ich zu Anatis Gemächern. In seinem Arbeitszimmer brannte noch Licht, doch keine Stimmen waren zu hören. Vorsichtig stieß ich die Tür auf und erstarrte. Vor mir auf dem Boden lag unverkennbar mein Vater. Die Augen merkwürdige verdreht, das Gesicht regungslos und aus seine Kehle floss frisches rotes Blut. In meinem Kopf pochte das Wort "Tot", ohne das ich die Bedeutung dessen zu verstehen schien. Das durfte einfach nicht wahr sein. Ein Schluchzen drang aus meiner Kehle. Ich stürzte nach vorne, zu dem leblosen Korpus meines Vaters, schlang meine Arme um ihn und schüttelte ihn, darauf wartend das er sich regte. Irgendwas was mir zeigte, dass das hier alles nur ein schlechter Traum war. Doch der Körper meines Vaters bleib reglos, während der feine Stoff meine Kleides das Blut aufsog. Das Gefühl in mir war unbeschreiblich, als würde jemand mein Lunge raus reißen und mein Herz gleich mit. Panisch rang ich um Luft, während mir Tränen die Wange runter rollten. Wie in Trance wog ich vor und zurück, der Schock in meinen Gliedern sitzend. Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Ich war wie gelähmt von dem Ereignis. Paralysiert und unfähig klare Gedanken zu fassen.

Irgendwann kam ich wieder zu Besinnung. Fand mich selbst wieder mit getrockneten Tränen auf meiner Wange und meine Hände voller Blut. Mein Vater war genau so tot wie vorher und ich genauso geschockt. Jegliche Lebensfreude und Lebenssinn war von mir gewichen. Mein Haut war weiß und meine Augenringe tief. Was für eine kranke Welt. Ich musste ein verstörendes Bild abgeben, als einige Bedienstete bei Sonnenanbruch in das Zimmer kamen und mich so versteinert vorfanden. Ich nahm sie nicht wahr, als sie mich vorsichtig ansprachen und auch nicht, als sie mich schüttelten. Ich nahm  auch nicht wahr, wie sie vorsichtig die Leiche meines Vater aus meine Umarmung befreiten. Ich fühlte mich, als wäre etwas in mir mit ihm gestorben und die Tränen begannen wieder zu fließen. Die ganze Zeit schien die Zeit still zu stehen, als würde sie nicht existieren, doch als ich den leichten Geruch nach frischer Seife und Lavendel wahr nahm wusste ich, dass Anati den Raum betreten hatte. In dem Moment brach mein Herz. Leise, so dass niemand außer mir es hören konnte, aber umso schmerzhafter. Mit leerem Blick hob ich meinen Kopf als Anati zu mir stürzte und auf mich einredete. Doch es war mir egal was er sagte. Eine Welle des Hasses überrollte mich und ich hob meine kraftlosen Arme mit neuer fremder Energie und begann mit meinen Fäusten auf Anati einzuschlagen, den dies jedoch nicht im mindesten zu verletzen schien, was mich noch wütender machte. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich nicht mehr. Erschöpft sank ich auf den Boden zurück. Immer wieder flüsterte ich leise "Wieso?" ohne für die Antwort bereit zu sein. Anati wollte mich in seine Arme schließen, doch ich stieß ihn von mir. Dieses Monster. Ich wusste genau, das er es gewesen war der mein Vater ermordet hatte. Ich wusste es einfach. Welches Spiel er auch immer spielte, ich war raus.

Acht Tage verschloss ich mich in meinem Zimmer. Ließ niemanden zu mir außer Eden, rührte kaum Essen an und antwortete auf keine Fragen. Ich saß Tag und Nacht vor dem großen Fenster und starrte stumm an den Himmel. Ich wusste nicht genau worauf ich wartete. Vielleicht irgend ein Zeichen. Vielleicht das ich aufwachte und alles würde wieder normal sein. Aber es kam nichts.

Am neunten Tag, hatte ich meine Gedanken wieder einigermaßen zusammen. Der Wunsch hatte sich in mir breit gemacht, dieses schrecklichen Ort mit diesen schrecklichen Menschen zu verlassen. Entschlossen zog ich mich an und verließ mein Zimmer mit einem merkwürdigen Gefühl. Zum ersten Mal seit dem ich die Leiche meines Vaters gefunden hatte überlagerte der Hass meinen Schmerz des Verlustes und mein Stolz mein gebrochenes Herz. So verließ ich mein Gemach um in der Kirche für meinen Vater zu beten.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt