27) Mauern fallen

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Ich hatte Anati meine Treue beschwört und war danach auf mein Zimmer zurück gekehrt. Ich hatte erkannt, dass ich dem Volk am Besten helfen konnte wenn ich an der Quelle der Macht saß. Erschöpft ließ ich mich auf mein weiches Bett sinken. Eine plötzliche Sehnsucht nach dem Lord überkam mich, doch ich verharrte. Im nächsten Moment landete eine weiße Taube vor meinem Fenster . Sie begann laut zu Gurren und zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Zögerlich ging ich zum Fenster und ließ die aufgeregte Taube herein. Nachdem sie einmal wüst durchs gesamte Zimmer geflogen war, ließ sie sich am Fenstersims nieder. Mit großen Augen beobachtete sie mich, wie ich einen kleinen Brief von ihrem Fuß abschnürte. Der fleckige Zettel war knitterig, dennoch konnte ich ihn lesen.

Ruby! Danke das du mein Leben gerettet hast. Mir ist erst vor kurzem aufgefallen wie viel ich dir verdanke. Doch mir bleibt nicht viel Platz für schöne Worte. Ich bin wohlauf. Ich habe einen sicheren Ort gefunden in dem man mir die Freiheit schenkte. Ich hoffe ich kann dir bald mehr von diesem wundervollen Ort erzählen... und ihn dir eines Tages zeigen. Bitte schreib mir und pass gut auf dich auf. Du kannst gewiss sein, dass ich hier von deinen Taten erzählen und über deine Schönheit singen werde. Für immer dein, William

Erschrocken knüllte ich den unerwarteten Brief in meiner Hand zusammen, als meine Tür aufschwang und ein zufrieden lächelnder Anati den Raum betrat. Ohne ein Wort zu verlieren war er auf mich zu gekommen. Ich merke, dass mich ein leichtes Kribbeln durchfuhr, als Anati seine Hand ausstreckte und sanft über meine Wange strich. Dann zog er mich näher zu sich heran, sodass sein Atem meine Haut kitzelte. Unwillkürlich lächelte ich leicht. Seine Hand strich langsam über meine Schultern hinab, in die Richtung meiner Hände. Bevor er diese erreichte machte ich ein Schritt zurück. Anati sah mich überrascht an und kniff dann seine Augen zusammen. Ich wusste, das noch immer Misstrauen in ihm schlummerte. Ich musste mir schnell was einfallen lasse.

"Was hältst du davon, wenn ich das Feuer anmache und dann legen wir uns ins Bett und du erzählst mir in Ruhe von deinem Tag?", schlug ich vor. Ich merkte wie der Gedanke mit ihm entspannt aufs Bett zu legen und seiner melodischen Stimme zuzuhören Vorfreude in mir erweckte. Anatis Gesichtsausdruck wechselte von angespannt zu einem dezenten glücklichen Lächeln. Seine Augen funkelte er, als er langsam zu meinem Bett Schritt und sich dort nieder ließ.

Ich wendete mich zum Feuer, legte einige Holzschneiden hinein und ließ auch den Brief rein fallen. Erst als ich beobachtet hatte wie es ganz verbrannt war, wendete ich mich ab. Als ich Anati auf meinem Bett erblickte, seinen Blick genau auf mich gerichtet und zum ersten Mal nach langer Zeit entspannt wirkend sprudelte ein Glücksgefühl in mir hoch. Ich war mir sicher, dass sich etwas Röte auf meine Wangen stahl. Der Blickkontakt zwischen uns war so intensiv, dass ich alles um uns herum vergaß. Langsam ging ich auf ihn zu. Als ich vor ihm zum Stehen kam, konnte ich nicht anders als beseelt zu Lächeln. Ich merkte wie sein Blick  über meinen ganzen Körper fuhr und biss mir schüchtern auf die Lippe. Anati bemerkte dies. Mit seiner Hand fuhr er leicht über meine Lippen, wodurch sie sich wie von selbst entspannten. Ich setzte mich neben ihn und wir vielen beide mit dem Rücken zurück auf die, vorher ordentlich zusammengelegte, Decke. Ohne nach zu denken fuhr ich mit meiner Hand durch seine weichen Haare. Ich fuhr die Konturen seiner Wangenknochen nach und über seinen Hals. Anati entspannte sich. Mit geschlossenen Augen lagen wir neben einander und lauschten dem Atem des anderen. Alles an ihm beruhigte mich in diesem Moment. Sein Geruch, sein ruhiger Atem, seine bloße Anwesenheit. Es war als wäre eine Mauer zwischen uns gebrochen. Ich wusste nicht wie lange wir einfach nur da lagen ohne ein Wort zu sagen, doch irgendwann war ich eingeschlafen.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt