10) Der blutige Ball (1)

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Ich betrachtete mich mit großen Augen im Spiegel. Noch nie hatte ich etwas so kostbares an meinem Leib getragen. Die blaue Seide war so dunkel wie die Nacht und die aufgestickten Diamanten funkelten darauf wie Sterne. Um meinen Hals schmiegte sie eine teure Kette und meine Lippen waren dunkel wie die Farbe von Blut. Behutsam ging ich zur Tür, als es klopfte. Ich öffnete die Tür mit einem beschämten Lächeln. Mir war klar geworden, egal was hier vor sich ging ich musste vorsichtiger sein. Ich musste die Rolle des naiven Mädchens spielen, dass keinen blassen Schimmer hatte was passierte. Ich musste in der Gunst des Lords bleiben oder vielleicht auch erst einmal richtig gewinnen. Vielleicht würde er unachtsam werden und mir seine Pläne verraten. Wie erwartet stand Lord Anati vor der Tür und ließ seinen Blick über mich streifen. Ihm schien zu gefallen was er sah, denn er zog eine Seite seines Mundes hoch. "Ruby.", sagte er und bot mir seinen Arm zum einhaken an. Ich schlang meinen Arm um den seinen und lief mit ihm zum Ballsaal. Bevor wir die Treppe hinab steigen würde bleib er stehen. Er hatte bemerkt wie nervös ich war, immerhin war dies ein ganzer Ball nur zu meinen Ehren. "Bei mir bist du sicher.", flüsterte mir der Lord zu, als wir zur Treppe gingen. Ich war mir ziemlich sicher Ironie in seiner Stimme zu hören aber vielleicht bildete ich sie mir auch ein. Als Lord Anati und ich an der Treppe angekommen waren wurde es still und jeder sah zu uns herauf. Langsam begannen wir die Treppe hinunter zu gehen. Ich spürte die skeptischen und eifersüchtigen Blicken anderer Damen abschätzig auf meiner Haut. Neugierig Blicke von Männern. Das Mädchen vom Land - genau das las ich in ihren Gesichtern. Ich war froh als ich heile unten angekommen war. Allmählich begannen die Leute wieder zu reden. An der Seite des Lords wurde ich unterschiedlichen Leuten vorgestellt, deren Namen ich mir jedoch nicht behalten konnte. Ich lächelte immer höflich und versuchte im Hintergrund zu bleiben. Die Damen denen ich vorgestellt wurde sahen mich allesamt kalt an und ich war erleichtert, als ich William in der Menge erblickte.
Ich entschuldigte mich kurz beim Lord und eilte zu ihm herüber. "Endlich jemand den ich kenne.", meinte ich nervös. Will sah mich mitleidig an. "Falls es dich tröstet - du siehst heute wunderschön aus." Beschämt sah ich zur Seite. Nachdem ich mich prüfend umgesehen hatte nahm ich Will an die Hand und zog ihn in eine ungestörte Ecke. "Was genau treibt dein Bruder? Ich bekomme das Gefühl nicht los, dass er irgendwelche dunklen Pläne hat." Williams Miene wurde sofort ernst. Er musterte mich genau bevor er sprach. "Keiner weiß genau was er macht. Ich weiß nur, dass er Macht will und dafür sind ihm alle Mittel recht. Mein Vater wurde angeblich auf der Jagd von einem Rebell mit einem Pfeil erschossen. Mein Bruder war der einzige der mit auf der Jagd war und er brachte zwei Leichen mit. Einmal die unseres Vaters und dann noch die des Rebellen. Aber wenn du mich fragst - ist der vermeintliche Rebell unschuldig gestorben." Erschrocken blickte ich William an. Wenn das wahr war Sprachen wir hier von weit schlimmeren als Hochverrat. William sprach weiter: "Da ist noch mehr, was du wissen solltest. Isabelle ist vor meinem Bruder Anati geboren. Unser Vater hatte sie gelehrt, was die Aufgaben eines Lords waren. Er wollte, dass sie über unsere Ländereien regierte. Komischerweise hatte sie einen schweren Unfall kurz bevor sie in einem Alter war um im Falle des Todes meines Vaters zu regieren. Damit war mein Bruder also der Nachfolger, denn wer will schon eine Regierende, die im Rollstuhl sitzt und wirres Zeug faselt, richtig?" Ich brauchte einen Augenblick um Williams Worte zu verdauen. Der Schrecken schien mir ins Gesicht geschrieben, denn William legte beruhigend eine Hand auf meine Schulter. "Ich werde nicht zulassen, dass er dir etwas antut. Das verspreche ich dir." "William, ich glaube wohl kaum, dass du in der Lage bist diese Dame zu verteidigen im Fall des Falles.", erklang eine belustigte Stimme hinter meinem Rücken. "Darf ich fragen, was du mit meiner Ballbegleitung in dieser abgelegenen Ecke machst?" Lord Anati sah mit seinen intensiven Augen William an der dessen Blick auswich. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis Anati sich mir zuwandte. "Darf ich um den nächsten Tanz bitten?" Ich nickte mit einem Gefühl von Panik und machte einen leichten Knicks, bevor ich mich bei ihm einhakte. Er führt mich auf die Tanzfläche auf der gerade ein neues Lied einsetzte. Lord Anati zog mich nah an sich heran und legte einen Arm auf meine Taille und mir der anderen nahm er meine Hand. Wir tanzten eine Weile, dann murmelte er mir leise ins Ohr: "Mein Bruder scheint gefallen an dir zu finden." "Er ist mir ein guter Freund und hilft mir bloß mich hier ein zu leben.", entgegnete ich scharf. Ein leises Lachen drang in mein Ohr. "Selbst ein Blinder kann sehen wie er dir hinter her schmachtet." Ich schüttelte den Kopf. Durch eine Drehung sah ich kurz William, an eine Säule gelehnt und zu uns starrend. Doch ich blieb trotzig. "Ihr bildet euch da etwas ein, Mylord." "Es wäre besser für ihn wenn es so wäre wie du sagst - ich teile nicht gerne." Zum Glück kam es zu einem kurzzeitigen Partnerwechsel im Tanz, denn mir war die Situation unangenehm und ich hatte nicht den blassesten Schimmer was ich antworten sollte.
Als der Partnerwechsel zu Ende war wechselte ich wieder zum Lord zurück, dessen Partnerin nur widerwillig abzog. "Ich nehme an mein Bruder hat dir Geschichten über mich erzählt." Anati kling überraschend ernst. Ich nickte stumm. "Du glaubst sie oder?" Ich verharrte, blickte zu Anati auf und versucht vergebens etwas in seinen großen karamell-goldene Augen zu finden "Ich... Ich weiß es nicht.", antwortete ich wahrheitsgemäß und wollte weiter tanzen, doch Anati hielt mich fest. "Ruby, sieh mich an.", verlangte der Lord. Widerwillig sah ich erneut zu ihm hoch. "Ich bin kein Monster. Das Wohl der Menschen liegt mir am Herzen. Ich sorge dafür das die Armen essen haben, die Kranken versorgt werden und Gesetzesbrecher bestraft." Anati legte beide Hände sanft um mein Gesicht. "Und die Personen die ich zu meiner Familie zählen sind für mich das wichtigste auf dieser Welt. Für sie würde ich alles machen! Klingt das wirklich nach einem Monster? Ehre, Loyalität, Gerechtigkeit - das ist es was mich vorantreibt. Ich will diese Welt zu einem besseren Ort machen. Zu einer Welt in der alle sicher sind und keine Familie auseinander gerissen wird. Wo Liebe uns im Innersten zusammenhält." Mit großen Augen beobachtete ich wie Anatis Gesicht sich näherte. Meine Gedanken waren wirr und ich merkte, dass obwohl sich alles in mir weigerte ihm zu Vertrauen, ein Funken in mir drin Anati in mein Herz geschlossen hatte. Sein Geruch umspielte mich, verwirrte mich, betörte mich. Die Lippen des Lords berührten fast die meinen, als die Wachem Alarm schlugen "Rebellen!", riefen sie aus, als auch schon die ersten Pfeile durch die Luft sirrten.

MylordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt