Ich beginne mit ein paar leichten Fragen zum Aufwärmen, frage Narcisse nach seiner Familiensituation (in zweiter Ehe verheiratet, keine Kinder), nach seinen Eltern (beide schon vor Jahren verstorben), nach finanziellen Sorgen (ich mache mir nichts aus Geld) und gesundheitlichen Problemen (ein leichter Hang zum cholerischen Temperament, damit einhergehend ein erhöhter Blutdruck und gelegentliche Magenbeschwerden).
Anschließend stelle ich Narcisse ein paar Standardfragen zu seinem Schlaf und den Bedingungen in seinem Schlafzimmer. Ich will wissen, wo und wie lange er schläft, wie der Raum eingerichtet ist, ob er vor dem Zubettgehen lüftet oder irgendwelche Rituale vollzieht, seit wann seine Beschwerden auftreten und worin sie genau bestehen.
Vieles davon frage ich, weil es mir helfen wird, in sein Haus zu gelangen und ihn zu drücken. Dank meines gestrigen Ausflugs weiß ich, dass es nicht leicht wird, hier einzudringen. Zwar habe ich keine Schutzzeichen gesehen, aber auch keine geöffneten Fenster. Das bedeutet, ich bin auf Narcisse' Mithilfe angewiesen. Erfreulicherweise erfahre ich, dass er derzeit alleine wohnt. Seine Frau hat sich aufs Festland zurückgezogen, um dem Trubel um seine Person zu entgehen.
»Dieser Faucon hat sie verjagt«, murmelt Narcisse, lehnt sich zurück und späht aus dem Fenster, das in den gepflegten Garten hinauszeigt. Die Berberitzenhecken erstrahlen in leuchtenden Herbstfarben. »Mit seinem Gerede von Todesdrohungen.« Seufzend ergänzt er: »Nicht, dass es mir so Unrecht wäre.«
»Tut mir leid, wenn ich das fragen muss, aber Sie und Ihre Frau ... wie würden Sie ihre Ehe beschreiben?«
Narcisse' Mundwinkel zucken spöttisch. »Mademoiselle Pommier, ich liebe meine Frau, aber verstanden habe ich sie noch nie. Und sie mich ebenfalls nicht. Ich denke, das ist der Grund, aus dem unsere Ehe funktioniert.«
»Gegenseitiges Unverständnis?«
»Wenn Sie verheiratet wären, könnten Sie mich vermutlich besser verstehen.«
Ich bin nicht davon überzeugt, dass gegenseitiges Unverständnis der Schlüssel zu einer funktionierenden Ehe ist, aber ich lasse mir nichts anmerken und wechsele das Thema. »Sie halten Faucons Bemühungen für übertrieben?«
Narcisse umfasst die Armlehnen seines Stuhls mit den Händen und lässt seinen Blick durch den Raum schweifen. »Die Contres haben schon immer versucht, mir Steine in den Weg zu legen, sind aber stets an ihrer eigenen Engstirnigkeit gescheitert. Das sind keine politischen oder kriminellen Genies, Mademoiselle Pommier, nur ein unorganisierter und ziemlich hinterwäldlerischer Haufen von Staatsfeinden und Elfenhassern. Alles, was über das Hinterlassen unflätiger Schmierereien an Hauswänden hinausgeht, übersteigt ihren Horizont.«
»Und wenn hinter den Todesdrohungen noch etwas Anderes steckt?«
Narcisse' Blick landet auf mir. Seine flinken, hellgrauen Augen sprechen für einen wachen Geist. Außerdem bilden sie einen deutlichen Kontrast zu seiner sonnengebräunten Haut, die wiederum davon zeugt, dass er in seinem Leben schon viel herumgereist ist, vorzugsweise in wärmere Gegenden. »Faucon hat Ihnen das Märchen von den Blauen Disteln erzählt«, stellt er fest.
»Märchen?«, hake ich nach.
»Die Blauen Disteln sind nichts als ein Mythos.«
»Dann existiert dieses Bündnis nicht?«
»Eine unabhängige Kommission hat die Vorwürfe gegen die angeblich beteiligten Personen untersucht, aber nie Ergebnisse vorlegen können.« Narcisse setzt sich auf und legt die Hände flach auf die Tischplatte. »Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass sich Mitglieder des Oberhauses mit der Eisenkreuzbewegung eingelassen haben. Das ist nichts als politisches Geplänkel.«
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Drudenkuss
FantasyElisabeth Pommier leidet unter einem Drudenfluch. Das bedeutet, sie muss jede Nacht ein schlafendes Opfer heimsuchen, um es zu drücken. Sie macht das Beste aus ihrer Beeinträchtigung und nutzt die resultierenden Albträume ihrer Opfer, um sich als Sc...