46) Staub zu Staub

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Wir folgen Adeline in die Hinterzimmer des Geldhauses.

Dort bröckelt die seriöse Fassade und der Pomp gewinnt endgültig die Oberhand. Es sieht aus wie in einem Joumin-Palast. Alles ist aus Gold oder zumindest mit Gold überzogen. Dazu kommen die üppigen Teppiche auf dem Boden und an den Wänden, sowie Baldachine aus glänzenden Stoffen, die sich in verschwenderischen Bahnen von Raum zu Raum spannen. Die Fenster sind verhängt und es herrscht eine schummrige Atmosphäre, die eher zu einem Jingsu-Haus gepasst hätte (nicht, dass ich wüsste, wie es im Innern eines Jingsu-Hauses aussieht).

Und tatsächlich kann ich hier und da Gruppen von Männern entdecken, die auf Strohmatten oder großen Kissen zusammensitzen, Wasserpfeifen herumreichen und Geldgeschäfte besprechen. Die Luft riecht süß und schwer, nach Vanille, Zimt und Sandelholz.

»Das ist Monsieur Tahoa«, stellt Adeline uns einen untersetzt gebauten Joumin mit schütterem, grauen Haar vor, dessen Gesicht eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Bulldogge besitzt. Dieselben triefenden Augen und hängenden Wangen, derselbe träge Blick. »Er ist für die Verwahrung von Wertgegenständen verantwortlich.«

Monsieur Tahoa verneigt sich vor uns.

Mae, Isabel und ich machen es ihm nach.

»Madame de Cinc Estrellia hat mir das Problem geschildert«, erklärt der Joumin anschließend. »Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«

Ich senke den Kopf. »Vielen Dank.«

»Wegen des Taifuns hat Madame Feige erst vor ein paar Stunden vom Tod ihrer Schwester erfahren«, erklärt Adeline. »Die Gendarmerie will sie heute Nachmittag ausführlich befragen und hat sie gebeten, zu diesem Anlass alles vorzulegen, was bei der Aufklärung des Mordes hilfreich sein könnte.«

»Und Sie denken, was wir hier für Ihre Schwester verwahren, könnte ein Beweis in einer Mordermittlung sein?«, fragt Monsieur Tahoa lauernd.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich hinter seinen wässrigen Augen ein sehr viel wacherer Geist verbirgt, als er uns vormachen will.

»Ich weiß es nicht«, gebe ich zu. »Aber meine Schwester hat vor ihrem Tod darüber gesprochen. Sie wirkte sehr aufgeregt. Deshalb muss ich wissen, was sie hier aufbewahrt.«

Monsieur Tahoa wendet sich wieder an Adeline. »Ich dachte, Sie wären nicht länger beim Corps.«

»Das bin ich auch nicht«, erwidert Adeline. »Und das ist auch kein Fall für das Corps. Monsieur Faucon hat genug mit der Aufklärung des Mordes an Monsieur Narcisse und den Vorbereitungen für den Staatsbesuch aus Jouyan zu tun.«

Aus einem der angrenzenden Zimmer ist Gelächter zu hören. Jemand ruft etwas auf Joumon.

»Ich bin eine Freundin der Familie«, fährt Adeline fort. »Und ich dachte, ich könnte mich nützlich machen, indem ich Johanna in dieser schweren Zeit unter die Arme greife.«

Monsieur Tahoas Blick wandert zu Mae und er wechselt in seine Landessprache. Dabei redet er so schnell, dass ich kaum einzelne Wörter heraushören kann.

Mae scheint in dem über sie hereinbrechenden Joumon-Schwall zu ertrinken. Ihre Haut bekommt einen rötlichen Anstrich. Nicht nur im Gesicht, sondern auch an den Händen und Armen.

Ich erinnere mich wieder an Étiennes Traum. Daran, wie ich sie in Flammen aufgehen gesehen habe. Ist das der Feuervogel-Fluch?

Nachdem Monsieur Tahoa geendet hat, ist es an Mae, das Wort zu ergreifen. Sie spricht langsam und im Flüsterton, weicht Tahoas bohrenden Blicken aus und verneigt sich ein paar Mal, als müsste sie ihn für irgendetwas um Verzeihung bitten.

DrudenkussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt