63) Der Schlüssel

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»Allerdings hat der Prinz sich geweigert, die Stadt zu verlassen, oder seine Pläne an die akute Bedrohungslage anzupassen«, sagt Adeline. »Das bedeutet, wir dürfen ihn während des ganzen morgigen Tages keine Sekunde lang unbeobachtet oder unbewacht lassen.«

Ich ziehe die Seite heran und betrachte die Skizze darauf genauer. Sie kommt mir auf seltsame Weise bekannt vor.

»Am kritischsten sehe ich jedoch die Neujahrsfeierlichkeiten am Abend. Ich denke, wenn die Eisenkreuzer einen Anschlag auf den Prinzen und seine Delegation planen, dann wäre das die ideale Gelegenheit.«

Vorsichtig fahre ich mit den Fingern über das raue, gelblich verfärbte Papier. Darauf befindet sich die Zeichnung eines Kastens, der die Maschine zu umschließen scheint. Und die Skizze eines Schlüssels, den ich schon einmal gesehen habe.

»Die Feierlichkeiten finden in Holting auf dem Cerisier-Anwesen statt. Oder vielmehr: In einem Luftschiff über dem Cerisier-Anwesen«, erläutert Adeline. »Wir müssen bis auf Weiteres davon ausgehen, dass dieser Ort das Ziel des Anschlags ist. Jedenfalls könnte die Maschine dort am meisten Schaden anrichten. Und es würde zeitlich mit dem Ende der Frist zusammenpassen.« Adeline atmet tief durch. »Ich habe bereits versucht, Kontakt mit den Organisatoren – Vernon und Camille Cerisier - aufzunehmen, aber der Sturm hat die Fernsprechleitungen nach Holting zerstört und offenbar sind sie noch nicht wieder-«

Ich springe auf und stoße einen leisen Schrei aus und erneut richten sich alle Augen auf mich.

»Mademoiselle Pommier ...?«, haucht Adeline.

Mein Körper zittert, als würde er unter Spannung stehen. Ich habe Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. »Ich ... ich habe etwas gefunden«, stammele ich.

Adeline blinzelt. »Gut ...« Sie deutet mit ihrem Stock in die Menge. »Wir machen hier kurz Pause. Ich kläre das mit Mademoiselle Pommier.«

Unter dem aufbrandenden Gemurmel der Versammelten schnappe ich mir die Skizze des Schlüssels und folge Adeline in den Nebenraum hinüber. Ungefragt schließen Faucon, Étienne, Isabel und Seymour sich uns an.

Als der Präsident es ihnen gleichtun will, knallt Seymour ihm die Tür vor der Nase zu.

»Was haben Sie gefunden?«, fragt Adeline.

Ich gehe zu den Tischen mit den Fernsprechern, schiebe einen Papierstapel beiseite und platziere den Bauplan auf der Tischplatte. Dann zeige ich mit dem Finger auf die Skizze des Schlüssels. »Das da!«

Die Anderen treten näher heran.

»Ist das ein Schlüssel?«, fragt Étienne.

»Sieht so aus«, murmelt Seymour.

»Hatte die furchtbare Dame, die wir im Bankhaus getroffen haben, nicht eine Kette mit so einem Schlüssel?«, meldet sich Isabel zu Wort.

Ich bin so froh, dass es ihr ebenfalls aufgefallen ist, dass ich mich nur mit Mühe davon abhalten kann, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Ganz genau.«

Étienne runzelt die Stirn. »Welche furchtbare Dame?«

»Camille Cerisier«, antworte ich mit einem steifen Lächeln. »Sie hat genau so einen Schlüssel an einer Kette um ihren Hals getragen. Ich habe es gesehen, weil wir im Bankhaus ungünstig zusammengestoßen sind.«

»Wozu dient dieser Schlüssel?«, fragt Seymour.

Faucon zieht den Bauplan näher zu sich. »Vielleicht, um die Maschine vor unerwünschtem Zugriff zu schützen. Eine Art Sicherheitsmaßnahme.«

DrudenkussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt