Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Party normalerweise aus mehr als zwei Personen besteht.
Zuerst dachte ich, die anderen wären einfach noch nicht da und sie würden jeden Moment kommen, doch um halb neun stellte ich Tristan mit hochgezogenen Augenbrauen zur Rede.Er hatte mich in der Wartezeit bereits ins Wohnzimmer gebracht und mir, nachdem ich sein Bier mit den Worten „Danke, aber ich trinke nicht", abgelehnt hatte, eine Dose Cole gereicht und grinste mich jetzt an.
„Welche anderen?", fragte er mit Unschuldsmiene.
„Eine Hand voll Leute treffen sich bei mir", ich malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft.
Tristan zuckte mit den Schultern. „Ist halt eine kleine Hand. Und zumindest sind wir ja schon mal zu zweit."
„Du hast sie echt nicht mehr alle", murmelte ich und wollte schon aufstehen, um zu gehen. Was wollte ich hier noch? Ich konnte genauso gut zurück nach Hause und mein Glück morgen endlich doch noch bei Juni und Maxine versuchen.
Tristan nahm in aller Ruhe einen weiteren Schluck von seinem Getränk. Nachdem ich sein Bier abgelehnt hatte, hatte auch er sich vorbildlich für einen Softdrink entschieden.
Als ich gerade das Wohnzimmer verlassen wollte, hörte ich seine Stimme.
„Es tut mir leid."
Ich grub meine Finger in das Holz des Türrahmens, während ich mich langsam umdrehte.
„Gut zu wissen", zischte ich.
„Ich verstehe es, wenn du jetzt abhauen willst", Tristan sah von seiner Coladose auf. Sein Gesicht hatte einen beinahe schon verletzten Ausdruck.
Ich seufzte leise. „Was dachtest du denn, würde ich hier machen? Es gar nicht zur Kenntnis nehmen, dass deine Freunde nicht auftauchen?"
Er zuckte unter dem scharfen Ton meiner Stimme zusammen. „Die anderen haben erst vorhin abgesagt."
Wie er so dasaß, tat er mir fast schon ein wenig leid. Vielleicht steckte ja tatsächlich mehr hinter dem Machogetue.
„Wieso hast du mir das denn nicht einfach gesagt? Ich meine, dir muss doch klar gewesen sein, dass ich bemerke, dass eins plus eins zwei ist."
Tristan zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich dachte, du kommst sonst nicht."
Seine Worte hauten mich um. Das vor mir konnte unmöglich Tristan sein!
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Das hier kann eindeutig nicht real sein. Ich meine, das beliebte Arschloch interessiert sich von einem Augenblick auf den nächsten für ein Mädchen, mit dem er vorher in seinem ganzen Leben vielleicht zwei Sätze gesprochen hat? Nur weil sie ihm ... die Hausaufgaben gegeben hat? Ich muss träumen."
Er grinste und kam zu mir rüber. „Ich hoffe, es ist kein Albtraum."
Langsam lehnte er sich neben mich an den Türrahmen und strich mir mit einer Hand über die Wange. Die kleinen Haare in meinem Nacken stellten sich auf.
„Und außerdem bin ich kein beliebtes Arschloch", raunte er mir leise ins Ohr. Ganz langsam beugte er sich vor und unsere Lippen berührten sich fast.In dem Moment fingen jegliche Alarmglocken in meinem Kopf an zu läuten. Vor meinem inneren Auge blinkte ein riesiges rotleuchtendes Schild auf, auf dem in leuchtenden Großbuchstaben Schlechte Idee! Flucht! prangte.
Ich stieß Tristan zurück. Er sah mich mit überraschtem Blick an.
„Was zur Hölle sollte das? Wolltest du mich gerade ernsthaft küssen?" Es war eher eine rhetorische Frage, was hätte er schließlich sonst mach wollen, wofür sich rein zufällig ebenfalls unsere Lippen für berühren müssen.
„Wieso hast du mich abgeblockt?", zischte er, doch ich hörte einen nervösen Unterton aus seiner Stimme heraus. Irgendwas war hier verdammt komisch.
„Zum einen küsse ich nicht irgendwelche halbfremden Leute und zum zweiten bist du verdammt komisch drauf, Tristan."
Seine Miene verwandelte sich von angespannt zu wütend. „Als ob du eine große Auswahl hättest. Wie viele Typen hast du schon geküsst, Themis? Einen? Zwei?"
Keinen, um genau zu sein. Aber das würde ich ihm sicherlich nicht auf die Nase binden. Stattdessen streckte ich ihm zwei erhobene Mittelfinger hin und durchquerte mit großen Schritten den Flur. Tristan machte keinerlei Anstalten, mich aufzuhalten.
Ich riss die Haustür auf und wollte sie gerade hinter mir zuknallen, als eine der angrenzenden Türen aufschwang und Moritz und der andere Junge von heute Morgen in den Flur traten.
„Du wurdest eiskalt abserviert, Alter", Moritz grinste über das ganze Gesicht und schlug Tristan kräftig auf den Rücken. „Du schuldest mir zwanzig Euro."
Ich starrte die drei mit aufgerissenen Augen an. „Was?"
Tristan musterte mich abfällig. „Du hast doch nicht wirklich erwartet, ich hätte einfach so mit dir rummachen wollen."
Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Es war eine Wette gewesen. Natürlich war es eine Wette gewesen. Vermutlich hatten sie das Ganze bereits geplant, als ich den Oberstufenraum verlassen hatte. War ich wirklich so naiv gewesen, zu glauben, Tristan hätte mich freiwillig zu sich eingeladen?
„Wie deine Freunde hier beweisen können beruht das auf Gegenseitigkeit", versuchte ich wenigstens mein letztes bisschen Würde zu erlangen. „Und außerdem hast du Dreck an der Stirn kleben."
Das stimmte zwar nicht, aber so war wenigstens das Letzte, was ich sah, bevor ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen ließ, ein leicht verwirrtaussehender Junge, der sich reflexartig an die Stelle fasste, auf die ich gedeutet hatte.
Ich zwang mich, nicht zu rennen, als ich die Auffahrt verließ und zur Straße ging, während ich in meinem Kopf die letzten fünfunddreißig Minuten Revue passieren ließ:
Ich hatte eine halbe Stunde auf die Ankunft von Tristans Freunden gewartet, die eigentlich die ganze Zeit in irgendeinem Zimmer versteckt gewesen waren und Däumchen gedreht haben. Weil sie um lausige zwanzig Euro gewettet haben, ob Tristan mich rumkriegen würde?
Zorn und Scham kämpften in meinem Inneren um die Überhand, aber eigentlich war ich in dem Moment einfach nur froh, dass ich den Kuss verhindert hatte. Das Ganze wäre nur noch davon übertroffen worden, wenn er jetzt auch noch jedem brühwarm unter die Nase reiben konnte, wie er das ahnungslose Mädchen geküsst und die Wette gewonnen hatte.Natürlich könnte er vor allen, die vorhin nicht dabei gewesen waren, theoretisch immer noch so tun, als wäre er siegreich aus der ganzen Sache hervorgegangen, aber ich bezweifelte, ob Moritz ihm das durchgehen lassen würde. Ich kannte ihn nicht sonderlich gut, aber ich würde ihm durchaus zutrauen, dass er seinen Freund diese Blamage nicht so schnell vergessen lassen würde.
Zumindest hoffte ich das, während ich durch die Straßen nach Hause lief.
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Let me get this Straight ✔
Teen FictionTammy ist straight. Da ist sie sich eigentlich ziemlich sicher. Blöd nur, dass ihr das keiner mehr glaubt. Als sich ihr dann die Gelegenheit bietet, eine Scheinbeziehung mit einem Jungen aus ihrem Jahrgang anzufangen, und nachdem sie intensiv alle V...